Als wärs ein fremdes Land

Von Christine Kohlmayr · · 2010/06

Antonio Dal Masetto

Roman. Aus dem Spanischen von Susanna Mende. Rotpunktverlag, Zürich 2010, 300 Seiten, € 21,50

2010 ist Argentinien das Gastland bei der Frankfurter Buchmesse im Oktober. Dies ist einer der Gründe, warum der Rotpunktverlag einen der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Argentiniens, Antonio Dal Masetto, gleich mit mehreren Titeln herausbringt.

Bisher hatte Dal Masetto sich vor allem als Kriminalautor einen Namen gemacht. Hier handelt es sich jedoch um einen Roman mit autobiographischen Zügen, in dem er die Emigration seiner Familie von Italien nach Argentinien Mitte des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt nimmt. Das Buch wird als ein Schlüsselwerk der argentinischen Literatur zum Thema Migration beschrieben, zu Themen wie Erinnerung, Herkunft, Prägung, Identität und Familienarchäologie.

Agata, eine achtzigjährige Frau, reist nach vierzig Jahren das erste Mal zurück in ihr italienisches Heimatdorf Tarni. Die Elemente der Bedrohung, welche Agata auf ihrer Reise empfindet, sind ein signifikantes Merkmal des Romans. Die alte Frau schwelgt nicht nur in Erinnerungen, sie nimmt ihre Umwelt intensiv wahr. Nachrichten über ein verunglücktes Schiff mit Asylanten und einen Aufruhr von Neonazis lassen sie erkennen, dass es zwischen den verschiedenen Welten, getrennt durch vierzig Jahre, Ähnlichkeiten gibt. Ein Schatten, der den heutigen Zustand mit der Vergangenheit verbindet, der ihr Angst macht. Die Hakenkreuzfahne war ein Todessymbol, welches sie wie einen Alptraum mit in ihre neue Heimat nahm. Sie erkennt, dass derselbe Irrsinn, dieselbe Grausamkeit die Zeiten verbindet. Ebenso gibt es andere Zeichen von Vernichtung und Brutalität. Sie beobachtet, wie ein schwarzer Junge verfolgt wird, wie Kinder einen Vogel erhängen, sieht einen toten Hasen vorbeischwimmen, erlebt den Tod eines Kindes im Dorf usw.

Zumeist empfindet Agata in ihrer alten Heimat eine Barriere zwischen dem Jetzt und dem Damals. Die Dinge wollen die prachtvolle Farbe der Erinnerung nicht mehr annehmen, vielmehr sperren sie sich, sind matt und glanzlos.

Das Buch wurde mit dem renommierten Literaturpreis Planeta Biblioteca del Sur ausgezeichnet.

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