Am Anfang war der Kolaric

Von Ursula Hemetek · · 2000/03

Die Ausstellung

Das erste Plakat in Österreich in diesem Zusammenhang stammt aus dem Jahr 1973, war Inspiration für diese Ausstellung und trägt den Titel „I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric, warum sogns zu dir Tschusch?“

Diejenigen, die alt genug dazu sind, werden es damals gesehen haben. Vielleicht haben sie sich auch etwas dabei gedacht. Ich selbst habe als 15-jährige behütete Bügerstochter durch dieses Plakat erstmalig begriffen, dass offenbar in diesem Land irgendetwas nicht stimmt. Ich wurde auf Ungerechtigkeit und Diskriminierung aufmerksam gemacht, ich wurde zum Denken angeregt.

Der aktuelle Anlass für die Zusammenstellung der Plakatausstellung war aber ein anderes Plakat, das den Begriff Tschusch noch einmal aufgriff: „Sag noch einmal Tschusch“, von Patricio Handl. Es hat mich zu einem viel späteren Zeitpunkt fasziniert, weil es da genau meine Gefühle ausdrückte. „Sag noch einmal Tschusch“ ist nicht mehr als Frage formuliert, als eher naiver und dadurch sicher wirkungsvoller Ausdruck einer Irritation, sondern es ist ein Plakat, das dazu aufruft, sich zu wehren. Ich habe es zu einer Zeit kennen gelernt, als in Österreich die ersten Briefbomben verschickt wurden (1993).

Alle gezeigten Plakate sind künstlerische Reaktionen auf gesellschaftspolitische Zustände, platziert im öffentlichen Raum. Sie sind dazu gemacht, im Betrachter etwas auszulösen. Die Plakate reflektieren alle den gesellschaftspolitischen Zusammenhang, der sich auf Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus bezieht. Es sind unterschiedliche Zugänge, aber all dies sind Möglichkeiten, gegen Rassismus und Ausgrenzung Stellung zu nehmen.

Es ist dies die einzige Ausstellung dieser Art in Österreich, und die Zusammenstellung war nicht einfach. Es war eine umfassende Recherche notwendig.

Der Mann, der auf dem legendären Plakat zu sehen ist, hieß tatsächlich Kolaric und war tatsächlich ein „Gastarbeiter“ aus dem ehemaligen Jugoslawien, der wahrscheinlich oft als „Tschusch“ beschimpft wurde, ein Betroffener, ein Minderheitenangehöriger. Derjenige, der in der Werbe-Agentur Lintas dafür verantwortlich war, fühlte sich als Ausländer einer anderen Kategorie, er kam aus Holland. Willem Van der Geest rebellierte gegen die Ungerechtigkeit der Kategorisierung und Diskriminierung von Menschen, in einer Sternstunde der Kreativität, wie ich meine. So wie viele dieser Plakate hat es vielleicht einige Menschen zum Denken und zum Hinterfragen der eigenen Vorurteile angeregt und erweiterte vielleicht den Horizont – so wie vor fünfundzwanzig Jahren auch den meinen.

Verliehen wird die Ausstellung von der Initiative Minderheiten, Gumpendorferstraße 15/13,

1060 Wien, Tel.: (01) 586 12 49 12, Fax: 586 82 17

http://www.initiative.minderheiten.at

Ursula Hemetek ist Obfrau der Initiative Minderheiten. Dies ist ein Textauszug aus dem Vorwort des im Frühjahr 2000 im Südwind-Verlag zur Wanderausstellung erscheinenden Katalogs.

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