Andere Prioritäten

Von Chris Brazier · · 2006/06

Neue Schulen bedeuten neue Hoffnung, die allerdings manchmal durch Schulgebühren zerschlagen wird.

In punkto Schuldbildung hat sich die Situation in Sabtenga in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Der Besuch einer Grundschule ist nun für alle Kinder ab sechs Jahre möglich. Der dunkle Fleck in diesem rosigen Bild ist die Sekundarschulbildung. Zwar wurde auch hier das Angebot erweitert – es gibt nun drei Sekundarschulen in Garango, vor zehn Jahren war es nur eine. Aber während die Schulgebühren für Grundschulen leistbar sind – pro Jahr und Kind sind derzeit 2.000 Francs CFA (3 Euro) zu bezahlen, ein Betrag, der zu Beginn des Schuljahrs im September bei einem Treffen von LehrerInnen und Eltern festgelegt wird – sind sie auf Sekundarschulebene ein großes Problem.
Am Ende des sechsten Schuljahrs haben SchülerInnen die Möglichkeit, eine Prüfung abzulegen, um ihre Sekundarschulreife nachzuweisen. Vergangenes Jahr gelang das neun Kindern. Um einen Schulplatz tatsächlich in Anspruch zu nehmen, müssten die Eltern aber zuerst 65.000 Francs CFA (99 Euro) und später 10.000 Francs CFA für jedes weitere Schuljahr auftreiben. Manche schnüren den Gürtel enger und sparen, um das zu schaffen.
Viele andere aber zucken mit den Schultern und sagen „il n’y a pas les moyens“ – das können wir uns nicht leisten. Immer wieder höre ich diesen Satz im Dorf, etwa auch im Gehöft von Adama und Zenabou.

Das bringt mich zu einer eher traurigen Angelegenheit. Rasmatu kam 1985 zur Welt, als wir gerade im Dorf waren, und wir waren bei ihrer Namensgebung dabei; wir filmten auch Zenabou mit ihrer zweijährigen Tochter Salamatu. Zehn Jahre später war die Gegensätzlichkeit der beiden Mädchen frappierend. Rasmatu hasste damals die Schule – sie tat nur so, als ob sie in die Schule ginge, und versteckte sich den ganzen Tag im Busch, bis sie aus der Schule flog. Salamatu dagegen war vom Lernen begeistert – sie las mir vor, zeigte mir ihre Schulbücher und sang die Lieder, die sie gelernt hatte, wenn wir gemeinsam von der Schule nach Hause gingen. Ich sprach Adama direkt auf ihre Zukunft an, da ich wusste, dass das ein Problem sein würde. „Salamatu ist ein sehr gescheites Mädchen“, sagte ich. „Wenn sie die Prüfung besteht, wirst du dafür bezahlen, dass sie ins Lycée in Garango gehen kann?“ Er meinte ja, und ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben.
Trotzdem beschäftigte mich vor allem der Gedanke an Salamatu, als ich dieses Mal zurückkam. Hatte sie die Chance bekommen, eine Sekundarschule zu besuchen? Hatte sie diese Chance als Sprungbrett für eine Karriere benutzt, vielleicht in der Hauptstadt?
Nun, sie hatte die Prüfung wie erwartet bestanden, aber ihr Vater hatte das Geld nicht bezahlt. Ich erinnere ihn an das, was er sagte, und er antwortet mit der bekannten Phrase: „Il n’ya pas les moyens.“ Damit verschleiert er jedoch, dass er einfach andere Prioritäten hatte, etwa das Motorrad, das er mittlerweile angeschafft hat. Es steht mir in meiner privilegierten Position nicht zu, Adama deshalb zu kritisieren; ich sollte mich – und tue es auch – eher über ein System ärgern, das die Armen zwingt, für die Schulbildung ihrer Kinder zu zahlen.
Aber es bedrückt mich nach wie vor, wenn ich daran denke, was das für Salamatu bedeutet. Da sie nicht weiter zur Schule gehen konnte, blieb ihr nichts anderes übrig als zu Hause zu bleiben und die traditionelle Frauenrolle zu übernehmen, und sie heiratete im üblichen Alter von 17. Heute ist sie 22 und lebt acht Kilometer entfernt bei der Familie ihres Mannes.

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