Auf Schienen in die Zukunft

Von Christian Gratzer · · 2000/07

Mehr Bahn statt Auto – könnte auch für die BewohnerInnen der südlichen Hemisphäre den berechtigten Wunsch nach Mobilität erfüllen, ohne die Welt aus den ökologischen Angeln zu heben.

Nicht ohne mein eigenes Auto“, lautet die Devise von Herrn und Frau Österreicher. In den letzten 25 Jahren hat sich der Pkw-Bestand hierzulande verdoppelt. Autobesitzende fahren in Österreich im Durchschnitt fast 15.000 km im Jahr. Sie hinterlassen deutliche Spuren, nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Luft. Der CO2-Ausstoß durch das Autofahren beträgt in Österreich pro Kopf und Nase 1.356 Kilogramm. „Vorbildhaft“, meinen dazu Schönredner. Immerhin verursacht in den USA jeder Bewohner durchschnittlich die dreifache Menge an Kohlendioxid durch die Autobenützung.

Ein Blick in den Süden zeigt jedoch ein anderes Bild. In Brasilien wandern durchschnittlich 197 kg CO2 pro Jahr und Kopf durch den Auspuff, in China sind es – ebenfalls auf die gesamte Bevölkerung gerechnet – gar nur 15 kg. Knapp ein Hundertstel vom österreichischen Anteil. Stiege der Motorisierungsgrad Chinas auf nur 30 % des österreichischen, würde sich der Welt-Treibstoffverbrauch und damit die negativen Klimaeffekte verdoppeln.

Der verkehrspolitische Weg der Industrieländer führt in eine ökologische und verteilungspolitische Sackgasse. Dem Kyoto-Klimaziel, das eine Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2008 gegenüber 1990 um 13 Prozent vorsieht, nähern sich die Industrieländer kaum an. Im Gegenteil, gerade im Verkehrsbereich steigen die CO2-Emissionen gewaltig. EU-weit seit 1990 um 14 Prozent, in Österreich sogar um 25 Prozent. Dabei ist Kyoto ein Kompromiss, für eine nachhaltige Entwicklung müsste laut Wuppertal Institut für Klima,Umwelt, Energie der CO2-Ausstoß des Jahres 1990 bis zum Jahr 2030 um 70-75 % gesenkt werden. Bei einer ehrlichen Verfolgung des Zieles eines gleichen Lebensstandards aller Länder bräuchte es eine noch deutlichere Verringerung der Emissionen in den Industriestaaten.

Von Seiten der Industrieländer ist derzeit keine Verringerung ihres riesigen Ökodefizits zu erwarten. Wenn der Kurs beibehalten wird, wird der Straßenverkehr bis zum Jahr 2010 in der EU um etwa 20 Prozent wachsen. Für den Lkw-Güterverkehr wird eine Zunahme von rund einem Drittel prognostiziert. Noch dramatischer die Entwicklungen in der Luft: Laut Prognosen wird der Flugverkehr zumindest in den nächsten zehn Jahren um 4 – 6 Prozent pro Jahr zunehmen. Mit emissionsabhängigen Landegebühren (Lärm, Abgase) nach Schweizer Vorbild könnte hier sinnvoll gegengesteuert werden. Fliegen ist zudem ein Privileg einer kleinen wohlhabenden Minderheit, nur fünf Prozent der Weltbevölkerung saßen jemals in einem Jet.

Nach wie vor sind Rad fahren, öffentlicher Verkehr und Gehen die weltweit vorherrschenden Fortbewegungsarten. Am afrikanischen Kontinent werden auch heute noch rund die Hälfte der Wege zu Fuß zurückgelegt. Wie unterschiedlich angepasste Lösungen sein können, zeigen diese Beispiele:

In Bangladesch schafft Produktion, Wartung und Betrieb von 800.000 Rikschas mehr Jobs als die gesamte Industrie, ohne die Zahlungsbilanz durch den Import von Treibstoffen oder Fahrzeugen zu belasten.

In Kuba bringen Fahrradfabriken, Servicezentren und die Integration des Radverkehrs in städtische Transportsysteme ökologische Vorteile und wirtschaftlichen Spielraum.

Städte wie Kuala Lumpur, Bangkok, Bombay, Kairo oder Jakarta setzen nach Misserfolgen autoorientierter Planung wieder verstärkt auf den Schienenverkehr.

Singapur kennt dank einer gut ausgebauten und kostendenkend wirtschaftenden U-Bahn weder das Verkehrschaos noch die Umweltverschmutzung anderer asiatischer Großstädte.

Mehr Fairness im Verkehrsbereich kann nur erreicht werden, wenn auf ökologisch sinnvolle, sozial verträgliche und ökonomisch effiziente Mobilität gesetzt wird. Eine wichtige Rolle dieses verkehrspolitischen Kurswechsels würde der Bahn zukommen. Eine Sanierung des ökologischen Haushaltes bei gleichzeitiger Sicherstellung der Mobilitätsbedürfnisse der Menschen kann eher erreicht werden, wenn das Signal für den Ausbau der Bahn auf grün gestellt wird.

Wer mit der Bahn fährt, verursacht im Vergleich zu einem Autofahrer nur ein Zehntel der CO2-Emissionen. Gleichzeitig verschuldet die Bahn sowohl im Personen-, als auch im Güterverkehr wesentlich weniger externe Kosten. Und als drittes Plus für den Weg auf der Schiene kann die wesentlich höhere Sicherheit angeführt werden. Beispielsweise wäre der Anstieg der Pkw-Dichte Chinas auf österreichisches Niveau innerhalb von 30 Jahren mit zusätzlich 10 bis 15 Millionen Todesopfern im Straßenverkehr verbunden.

In einigen Bereichen sind die wohlhabenden Industrieländer gut beraten, sich ein Vorbild an den ärmeren Ländern dieser Erde zu nehmen. Was für größere Entfernungen die Bahn ist, könnte für den Nahbereich das Fahrrad sein. Noch wird von manchen der hohe Radverkehrsanteil in China als Zeichen von Rückständigkeit milde belächelt. Doch eine der wesentlichen Aufgaben zukunftsfähiger Verkehrspolitik wird auch sein, die Menschen zum Umsteigen vom Auto auf das Rad zu begeistern.

Nähere Informationen zum Thema: VCÖ Publikationsreihe Wissenschaft & Verkehr: Klimafaktor Mobilität. Anzufordern unter (01) 893 26 97 oder per E-Mail vcoe@vcoe.at.

Christian Gratzer ist Pressesprecher des VCÖ.

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