Banane und Sündenfall

Von Ute Sprenger · · 1999/03

Die krumme Frucht ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit und besitzt überdies hohe Symbolkraft: für das tropische Paradies, für wirtschaftlichen Aufschwung und für koloniale Ausbeutung. SÜWIND-Autorin Ute Sprenger bietet einen Einblick in die

„Sechzehn Bananen, die mit dem aufwärtsgerichteten Ende neckisch gen Himmel weisen, hängen an einem Gürtel, den ich um die Hüften trage, und wippen bei einem Bauchtanz mit. Ich trage aber nicht nur den Gürtel, ich bin in vollem Ornat: zwei riesige fächerförmige Straß-Ohrringe, eine dreifache Halskette, Sterne auf den Brüsten, ein breites Armband am Handgelenk, Knöchelspangen und zehenfreie Mokassins. Sonst nichts.“

Der Pulverdampf des Ersten Weltkriegs hatte sich verzogen, die deutsche Unterhaltungsindustrie boomte. Der Kolonien verlustig, erwärmte man sich nun in Revuen und an Schlagertexten für Orient und Tropen.

Als „schwarze Eva“ war da eine wie Josephine Baker mit Bananengürtel und Bauchtanz Stimulans schwüler Phantasien der nochmal Davongekommenen.

Kaum Zufall wohl, daß die Banane in jenen Jahren zum Inbegriff für sinnliche Wonnen wurde. Denn die Wärme und Feuchtigkeit liebende Frucht, die das ganze Jahr über austreibt, hat hohe Symbolkraft.

Von prähistorischen Pflanzenzüchtern der Tropen vor etwa 3.000 Jahren domestiziert und als Nutzpflanze angebaut, gilt sie in vielen Kulturen als Zeichen für Fruchtbarkeit und Wohlstand. In der indischen Legende war sie die verbotene Frucht. Selbst der Koran beschreibt sie als Paradiespflanze. Und schon seit dem 14. Jahrhundert schwärmten europäische Chronisten von Expeditionen in verschiedene Teile Asiens von deren köstlichem Geschmack und berichteten von den mächtigen Blättern der Staude.

Tatsächlich sollen denn auch nicht die Blätter des Feigenbaums, sondern Bananenblätter die Scham unserer Vorfahren nach dem Sündenfall bedeckt haben.

Im Garten Eden schließlich siedelte im 17. Jahrhundert auch der schwedische Naturforscher Carl von Linné die Staude an, als er sich daranmachte, die Natur zu klassifizieren. Linné ordnete die Banane als Musa paradisiaca ein.

Musa ist dabei der wahrscheinlich aus dem Sanskrit abstammende Name dieser Gattung der Bananengewächse. M. paradisiaca nannte Linné die großen, stärkehaltigen Kochbananen; die kleinen, süßen Früchte bestimmte er als M. sapientum, die „Musa der Weisen“, denn sie waren einmal den Angehörigen der indischen Brahmanenkaste vorbehalten.

Zwar sind beide Bezeichnungen inzwischen nicht mehr gebräuchlich, und längst auch wurde der einstmals exotische Vitaminspender in Westeuropas Speisezettel integriert. Aber irgendwie scheint bis heute eine Art emotionales Versprechen die Banane zu umwehen. So zumindest der Eindruck bei den erregten Debatten über die Regelungsversuche des Bananenmarktes.

In Deutschland, wo man besonders vernarrt ist in das gelbe Obst, legte Konrad Adenauer mit einer Sonderregelung, die ein zollfreies Kontingent vorsah, den Grundstein für den heutigen hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Bananen. Adenauer ging es seinerzeit beileibe nicht um den vordergründigen Lustgewinn. Ihm waren die Früchte quasi sichtbares Symbol für den wirtschaftlichen Aufschwung im Nachkriegsdeutschland. Weshalb sie für alle BundesbürgerInnen erschwinglich sein sollten.

Was Adenauer nicht wissen konnte: Rund vierzig Jahre später zeigte seine Politik erneute Wirkung. Als im Oktober 1989 nämlich die Mauersegmente beiseite geschoben wurden, stürmten DDR-BürgerInnen die Supermärkte und schleppten als erstes tonnenweise Bananen von West nach Ost. Als „Vereinigungsfrucht“ ging die Banane in die Geschichte ein.

Während die Paradiesfrucht den einen also das verkörperte Wohlstandsversprechen ist, gilt sie der Solidaritätsbewegung hingegen als klassische Kolonialware. Denn wie bei kaum einer anderen Exportmassenware

schwingen hier die Wechselfälle des Welthandels ebenso wie dessen ungerechte Strukturen mit.

Noch zu Zeiten Christoph Kolumbus‘ kannte bis auf wenige Weitgereiste niemand in der Alten Welt die Musagewächse. Zwei Jahrhunderte später waren die Bananen zwar schon in Europa bekannt, gekostet hatte von den Früchten aber kaum jemand. Und bald jeder, der sie beschrieb, gab ihnen einen eigenen Namen – „fructo Longissimo“, „indische Feige“, „Pisang“, wie die Malayen sie nennen, oder auch „Adamsfeige“ waren einige davon.

Erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde aus der „Feige“ langsam eine „Banane“. Portugiesische Seefahrer trugen den Namen von Westafrika aus um die Welt. Auch in Europa bürgerte er sich ein. Nur im Spanischen heißt die Frucht „plátano“.

Inzwischen weiß man auch, daß die meisten der eßbaren Musa hauptsächlich aus zwei Arten (M. acuminata und M. balbisiana) entwickelt wurden und ursprünglich in Indien und Südostasien beheimatet waren. Über Persien, Arabien und Rom gelangten sie in den Mittelmeerraum.

Alexander der Große lernt sie auf seinem Eroberungszug nach Indien 327 v. Chr. kennen.

Weitaus früher noch brachten vermutlich arabische Siedler die Stauden nach Ostafrika; über Madagaskar könnten Reisende aus Borneo sie vor 2.700 Jahren auf das südafrikanische Festland gebracht haben. Ob auch die Bauern Zentral- und Südamerikas oder der Karibik schon in präkolumbianischer Zeit Kochbananen oder süße Bananen gezüchtet haben, darüber hält bis heute der Streit in der Wissenschaft an.

Fest steht, daß die Frucht die kanarischen Inseln im frühen 16. Jahrhundert erreichte. Dort machten die Seefahrer auf ihrem Weg in die Neue Welt Halt. Und von dort aus nimmt 1516 der Dominikanerpater und spätere Bischof von Panama, Thomas de Berlanga, einen Schößling mit auf die Reise nach Santo Domingo. Als „domenicos“ werden die Nachkommen dieser Pflanze einige Jahrzehnte später unter den lokalen Sorten aufgezählt.

Durch Züchtungen und Mutationen haben sich inzwischen in sämtlichen Anbauregionen spezifische Arten und Sorten entwickelt und weiterverbreitet. Diese Vielfalt droht jedoch vom kommerziellen Anbau, der mit seinen wenigen,

ertragreichen Sorten immer mehr Flächen beansprucht, verdrängt zu werden.

„Es gibt wenig Grund daran zu zweifeln, daß die Banane eines der ersten Nahrungsmittel des Menschen war und zu den ersten Pflanzen gehört, die kultiviert wurden“, schrieb 1914 ein Verebungsbiologe.

Noch bis vor rund 100 Jahren wurden die Bananen fast ausschließlich für die Ernährung und Selbstversorgung erzeugt. Erst mit dem Aufkommen von Kühlschiffen im späten 19. Jahrhundert, gewann ihr Anbau als Exportware an Bedeutung.

Doch selbst heute noch gehen rund 80 Prozent der schätzungsweise 85 Millionen Tonnen Bananen jährlich auf lokale Märkte. In vielen Erzeugerländern sind Bananen populär und werden in einer Vielzahl von Gerichten zubereitet.

Doch obwohl besonders Kochbananen ein wesentlicher Energiespender sind, tauchen sie nur selten auf in den Statistiken zu bedeutenden Nahrungspflanzen. Anbau und Vermarktung sind fast überall lokal organisiert – nicht selten von Frauen – und deshalb für Aussenstehende nur schwer zu erfassen.

Seit man vor 100 Jahren in Europa und in den USA begonnen hat, Bananen zu essen, wurden die sozialen und ökologischen Kosten der Weltmarktfrüchte in den Verbraucherländern nur selten thematisiert.

Nach Deutschland kommt der nahrhafte Snack etwa zu 90 Prozent aus den legendären „Bananerepubliken“ Mittel- und Südamerikas nach Deutschland. Dort beherrschen die drei Fruchtkonzerne Chiquita, Dole und Del Monte die Produktion in den mitunter bis zu einigen tausend Hektar großen Plantagen.

Der harte Alltag fernab auf den Plantagen Lateinamerikas bleibt wie schon in den 100 Jahren zuvor von Arbeitskämpfen und erbitterten Auseinandersetzungen um anständige Entlohnung und um menschenwürdige Behandlung bestimmt. Sie gehören neben den schweren Umweltschäden durch die chemieintensiven Monokulturen (siehe nebenstehender Kasten) nach wie vor zu den bittersten Seiten des süßen Geschäfts.

Kein Bananenblatt kann groß genug sein, um diesen Sündenfall zu überdecken.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Früchte weiterhin billig produzieren und vermarkten zu können, haben die transnationalen Konzerne in den neunziger Jahren das Prinzip des „Totalen Qualitätsmanagement“ eingeführt, berichtet Gilberth Bermudez von COLSIBA, dem Dachverband der lateinamerikanischen Bananenarbeiter-Gewerkschaften.

„Jetzt sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter daran beteiligt werden, Qualität und Effizenz der Produktion zu verbessern. In der Realität stellen wir aber fest, daß sie dafür immer mehr unbezahlte Arbeit leisten müssen.“

Die Gewerkschaften, soweit sie auf den Pflanzungen überhaupt agieren dürfen, konnten bislang nur selten durchschlagende Erfolge in Form verbindlicher Verträge erreichen. Denn während die Unternehmen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten, Technologie und Informationen austauschen und sich strategisch zu vertikalen Konglomeraten zusammenschließen, die Produktion, Transport, Reifung und Vertrieb kontrollieren, verhandeln die Vertretungen der Bananenarbeiter in der Regel jeweils einzeln mit den transnationalen Konzernen.

Das soll nun anders werden. „Wenn das Bananen-Kapital sich zusammenschließt, wollen und müssen wir als Gewerkschaften die Solidarität pflegen“, erklärt Bermudez. Im Dachverband COLSIBA haben sich deshalb unlängst 20 unabhängige Bananen-Gewerkschaften aus den fünf Erzeugerländern Costa Rica, Guatemala, Honduras, Kolumbien und Panama zusammengetan. Ihnen geht es zuvorderst um das Recht auf Organisationsfreiheit auf den Plantagen in der Region. Denn die Konzerne versuchen mit allen erdenklichen Mitteln – von Drohungen und körperlichen Angriffen bis hin zu Entlassungen – die Arbeiter davon abzuhalten, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

„Die Organisationsfreiheit“, so Bermudez, „ist eine Voraussetzung dafür, daß wir uns um das gesundheitliche und soziale Wohlergehen der Plantagenarbeiter und ihrer Familien kümmern können.“

Dem kann sich Hernán Hermosilla vom Foro Emaús, einem costaricanischen Zusammenschluß von Bananengewerkschaften und Umweltgruppen, nur anschließen. Innerhalb der Konzerne sei in letzter Zeit viel darüber gesprochen worden, wie die Umweltsituation zu verbessern sei. Doch die soziale Lage der ArbeiterInnen und ihrer Familien spielten dabei keine Rolle.

„Ohne Gewerkschaftsfreiheit ist es für die Arbeiter schwierig, die Umweltpolitik zu überprüfen. Ein Arbeiter, der sich gewerkschaftlich organisieren will, wird aber sehr schnell entlassen.“

Die Arbeiter selbst berichten über schwarze Listen. Doch Produzenten und Konzerne streiten das einhellig ab. Eine Arbeitskommissionen der Regierung, die bei Streitfragen vermitteln soll, stellt sich im konkreten Fall immer wieder als ineffizient heraus und verfolgt offensichtliche Gesetzesbrüche der Konzerne nicht. Die Deviseneinnahmen sind wichtiger.

So konnte im Bananengürtel ungehindert abgeholzt werden. Den Preis für die erhöhte Produktion tragen die Menschen und die Umwelt, sagt Hernán Hermosilla. „Wir sind nicht gegen die Produktion von Bananen für den Export, wir wollen sie verbessern. Wir möchten sie umwandeln in eine Produktion in der Gerechtigkeit und der Respekt vor der Natur vorherrschen.“ Aber dazu müßten die Unternehmen zuallererst einmal die Gesetze beachten.

Die Autorin ist Publizistin mit den Schwerpunkten moderne Biotechnologie, Umwelt und Dritte Welt. Sie lebt in Berlin.

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