Bedauerlich nachhaltig

Von Werner Hörtner · · 1999/04

Unsere Schwerpunktthemen und Titelgeschichten der letzten Zeit, zum Beispiel Disneyland und „Schwarzer Alltag“, besitzen in Österreich eine unerfreuliche Aktualität.

Wir wollen mit etwas beginnen, was wir uns sonst in der Öffentlichkeit selten leisten, laut zumindest: mit Eigenlob. Ein Rückblick auf die großen Themen der letzten SÜDWIND-Ausgaben verleitet uns dazu. Die Tatsache nämlich, daß wir damit – auch wenn die Themen auf den ersten Blick keine tagesaktuelle Relevanz zu haben scheinen – durchaus zentrale Punkte der innen- oder weltpolitischen Diskussion berühren.

Das Thema der Disney-Welt etwa, jenem makabren Natur- und Erlebnis-Imitat, das wir in der ersten Ausgabe dieses Jahres ausführlich behandelten. Haben Sie vielleicht gedacht, diese beängstigende Kunstwelt sei ein Produkt US-amerikanischer Kommerzphilosophie, das an den soliden Mauern mitteleuropäischer Kultur abprallen würde?

Die Gemeindeväter von Parndorf im nördlichen Burgenland wollen das Beste für die 3000 EinwohnerInnen der kleinen Stadt. Und so verfielen sie auf die Idee, in ihrer Gemeinde einen Erlebnispark ŕ la Disneyland zu errichten, mit künstlichen Landschaften, Wasserwelten, Hollywood-Bowl und Themenrestaurants, was immer das auch heißen mag. Mitte März entschieden sich bei einer Volksabstimmung 60 Prozent der Bevölkerung für das 2,5 Milliarden Schilling teure Projekt.

Von noch erschreckenderer Aktualität ist die Titelgeschichte der März-Ausgabe des SÜDWIND-Magazins, über die Lebensbedingungen der AfrikanerInnen in Österreich. In der Nacht des 3. März wurde in der U-Bahnstation Schottenring in Wien, nur wenige hundert Meter von unserer Redaktion entfernt, ein junger Schwarzer mit Dreadlocks von zwei Polizisten in den Betriebsraum der Stationsaufsicht gezerrt und dort amtsbehandelt. Ein Augenzeuge berichtete, wie ein Beamter den Mann anschrie: „Du dreckige Negersau, di mach i fertig!“ und beide Uniformierte mit Knüppeln auf den am Boden Liegenden eindroschen und mit ihren Schuhen auf Körper und Gesicht des Schwarzen stießen. Nach einer halben Stunde brachte der Rettungsdienst den Verletzten ins Lorenz Böhler-Unfallkrankenhaus. Wo leben wir, daß solche „Unfälle“ passieren können?

Am 19. März fand in Wien eine Demonstration gegen den rassistischen Polizeiterror statt.

Beklemmende Aktualität hat auch der Schwerpunkt der vorliegenden SÜDWIND-Nummer: das Unwesen der globalen Finanzmärkte. Die Bedrohung, die von den spekulativen Finanzflüssen für Nationalstaaten und eine an den existentiellen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Entwicklung der Weltwirtschaft ausgeht, ist längst spürbare Realität – und dringt auch immer stärker ins Bewußtsein der Menschen ein. In Frankreich wurde bereits im Juni des Vorjahres eine Bewegung „zur Entwaffnung der Finanzmächte“ ins Leben gerufen, in der Schweiz Mitte März. Ziel ist der Aufbau einer weltweiten BürgerInnenbewegung zu dieser Thematik. Auch Österreich ist gefordert.

Bei uns wurde kürzlich die zuerst von den Sozialdemokraten forcierte Idee der Besteuerung von Aktiengewinnen in koalitionärer Eintracht wieder begraben.

Auch wenn wir es anders wollten: Die brisanten Themen gehen uns leider nicht aus. Damit wollen wir dieses eigenlöbliche Editorial schließen und hoffen, nicht zu dick aufgetragen zu haben.

Ein kleiner Lichtblick zum Schluß: Das Spendengütesiegel, auf dessen Notwendigkeit wir in der Februarausgabe hingewiesen haben, wird nun auch von Staatssekretärin Beniat Ferrero-Waldner gepusht und wird bereits ausgehandelt.

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