Biomasse macht unabhängig

Von Dierk Jensen · · 2001/03

Erneuerbare Energieträger wie Biomasse gewinnen in Indien an Bedeutung, berichtet

Gurgelnd fließt das Wasser durch die Kanäle. Junger Reis wächst zartgrün auf nassen Feldern, an deren Rändern Kokospalmen stehen und Schatten spenden: Hinter abgeernteten Reisflächen wächst üppiges Zuckerrohr empor.
Die Vegetation auf dem Gehöft im Dorf Bethamangala im südindischen Bundesstaat Karnataka erweckt den Anschein, dass an diesem Ort ausreichend Wasser vorhanden sei. Jedoch ist der Fluss, der einst unmittelbar an dem Anwesen von Jovita de ‚Zouza vorbeifloss, schon seit acht Jahren ausgetrocknet. „Dabei ist Wasser das A und O unseres Wirtschaftens“, erklärt Vorarbeiter Sawrimuthu Puspara inmitten von vierzig Hektar bewirtschafteter Fläche, die rund einhundert Kilometer westlich der indischen Softwarehochburg Bangalore im Distrikt Kolar liegt.

Elektropumpen fördern aus neun Brunnen das Grundwasser an die Oberfläche. Die Pumpen werden dabei von Strom angetrieben, der seit kurzem von einer neuen 50-Kilowatt-Biomassevergasungsanlage erzeugt wird. Die Bauern füttern die Anlage der indischen Firma NETRPO mit Holzschnitzeln und anderem Material der umliegenden Felder – hauptsächlich mit Kokosnussschalen, Kokospalmblättern, Zweigen von Harthölzern und Zuckerrohrfasern. Bei einer stündlichen Zufuhr von 25 Kilogramm Biomasse erreicht die Anlage ihre maximale Leistung.

Die Biomassevergasungsanlage löst das Problem der instabilen staatlichen Energieversorgung. Denn obwohl das Gehöft an das öffentliche Netz angeschlossen ist, gibt es nicht rund um die Uhr Strom. Dieser wird nämlich in Indien täglich für mehrere Stunden abgeschaltet.
Um aber einen optimalen Pegelstand im Brunnen und damit die größte Wasserergiebigkeit zu erreichen, ist ein gleichmäßiges Pumpen des Brunnenwassers unverzichtbar. Dies funktioniert allerdings nur, wenn der Strom auch zu jeder Zeit fließt. Was seit der Biomassevergasungsanlage der Fall ist. Die Wasserversorgung lässt sich optimal gestalten, ohne dass der Grundwasserspiegel fällt.

Die Holzvergasungsanlage, die Professor H.S. Mukunda vom Indian Institute of Science entwickelte und von der Firma NETPRO gebaut und vertrieben wird, ist also nicht nur eine Investition in erneuerbare Energieträger, sondern vor allem auch in die wirtschaftliche Zukunft.

Sie ist teuer. Ginge es darum, „kurzfristigen Profit zu machen“, so Farmbesitzer Jovita de ‚Zouza, wären die stolzen 840.000 Schilling Investitionskosten nicht in die Anlage geflossen. „Der zentrale Gedanke beim Vorhaben liegt darin, durch eine unabhängige Energieversorgung zukünftige Verluste zu minimieren“, argumentiert der pensionierte katholische Priester und Energieproduzent.

Dabei liegen die laufenden Kosten pro Kilowattstunde aus der Holzvergasungsanlage um fast die Hälfte niedriger als die einer Kilowattstunde aus einem Dieselaggregat. Dieses Verhältnis wird sich angesichts aktuell steigender Dieselpreise in Indien noch weiter zugunsten der Biomasse-ProduzentInnen verändern.
Hinzu kommt, dass auf der Farm nicht verwertete Energie ins öffentliche Netz eingespeist werden kann. Wenn man darüber hinaus auch noch die erzeugte Wärme sinnvoll nutzen könnte, wie beispielsweise für die Kühlung einer Molkerei, dann wird eine Biomassevergasungsanlage gegenüber Netzstrom oder Dieselanlage durchaus konkurrenzfähig. „Ganz abgesehen von den neuen Arbeitsplätzen und dem Demonstrationseffekt für Nachahmer“, freut sich Jovita de ‚Zouza über seine energietechnische Autonomie.

Dierk Jensen ist freier Journalist und gehört der Foto-Text-Agentur „agenda“ in Hamburg an.

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