Blackwaters unaufhaltsamer Aufstieg

Von Werner Hörtner · · 2008/03

Die noch junge Geschichte dieses privaten Militärdienstleisters steht stellvertretend für die Entwicklung der Branche – und für den Geist, in dem sich dieser Trend vollziehen konnte.

Hätte es nicht letztes Jahr diesen 16. September gegeben, jenen Sonntag, als Blackwater-Männer in Bagdad in einem Anfall von Nervosität oder Schießwut ziellos in eine Menschenmenge feuerten und dabei 17 ZivilistInnen töteten und etwa eben so viele verletzten – kaum jemand in Europa hätte den Namen dieses modernen Söldnerunternehmens gekannt. Dabei ist Blackwater bereits seit dem Sommer 2003 im Irak aktiv, als das Unternehmen einen Vertrag zum Schutz des US-Botschafters in Bagdad erhielt. Darauf folgten allein vom State Department Aufträge in der Höhe von etwa 700 Mio US-Dollar. Obwohl Untersuchungen des FBI und der US-Armee zum Schluss kamen, dass es sich bei der Schießerei um einen „kriminellen Akt“ handle, erhält Blackwater weiterhin Aufträge vom US-Außenministerium und dem Pentagon; die Rambos vom 16. September wurden in die USA zurückgebracht, um sie eventuellen Strafverfolgungen im Irak zu entziehen.
Die Entstehungsgeschichte von Blackwater steht prototypisch für die Geschichte dieser letzten Phase der modernen Kriegsführung. Und die hat wiederum viel mit neokonservativen Think Thanks und Figuren wie George Bush (Vater und Sohn), Donald Rumsfeld und Dick Cheney zu tun – und diese stehen stellvertretend für die beängstigend mächtige und lukrative Allianz von Politik und Wirtschaft.

Rumsfeld, US-Verteidigungsminister von 1975 bis 1977 und von 2001 bis November 2006, hatte sich ehemalige Manager von Konzernen in sein Amt geholt. Nach dem 11. 9. 2001 konnte er seine Strategie („Rumsfeld-Doktrin“), im militärischen und im Sicherheitsbereich verstärkt mit privaten Dienstleistern und verdeckten Operationen zu arbeiten, ungehemmt umsetzen.
Dick Cheney, ein enger Verbündeter von Rumsfeld, war zur Zeit des Golfkriegs von 1991 Chef des Pentagon (1989 bis 1993), ab 1995 Vorstandsvorsitzender des riesigen Konzerns Halliburton. Noch in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister beauftragte er diesen mit einer Studie über die Privatisierung des Militärwesens. Daraufhin baute Halliburton einen neuen Geschäftszweig auf: Dienstleistungen für die weltweiten US-Militäreinsätze. Rumsfeld und Cheney sind auch Schlüsselfiguren des Project for the New American Century (PNAC), dessen Konzept einer „Politik der militärischen Stärke und moralischen Klarheit“ die außenpolitischen Ziele der Bush-Regierung maßgeblich beeinflusste.
Mit dem Amtsantritt von George W. Bush wurde Cheney Vizepräsident, und im Pentagon wurden hohe Positionen mit ehemaligen Managern von Energie- und Rüstungsbetrieben besetzt.
Erik Prince wuchs in einem idyllischen Ort am Ufer des Michigan-Sees im Mittleren Westen der USA auf. Sein Vater Edgar hatte auf der Grundlage von strengen christlichen Werten, rechter Politik und marktwirtschaftlichen Prinzipien aus dem Nichts ein Industrie-Imperium aufgebaut.
Anfang der 1990er Jahre trat der 1970 geborene Sprössling Erik einer Elite-Einheit der US-Marine bei, fuhr jedoch fort, mit allen Kräften ein – politisch am äußersten rechten Rand angesiedeltes – Christentum zu unterstützen, in dem sowohl Evangelikale als auch Katholiken ihren Platz haben.
Unter Präsident Bill Clinton wurden die Ausgaben für militärische Infrastruktur und Personal konstant gekürzt, parallel dazu stieg das Unbehagen in Armeekreisen. Im Mai 1998 eröffnete Erik Prince zusammen mit Kollegen von der Marine das Blackwater Lodge and Training Center, ein „Zentrum zur Ausbildung an Schusswaffen und im Sicherheitsbereich“.
Jahrelang wurde das „Zentrum“ tatsächlich nur für militärische Ausbildung von Armee- und Polizeiangehörigen genutzt, doch mit dem historischen 11. September ändert sich alles. Blackwater gründet ein Tochterunternehmen, die Blackwater Security Consulting, mit dem die Firma in die Söldnerbranche vorstieß. Die USA besetzen Afghanistan, die Pläne für die Irak-Invasion wurden geschmiedet – und die Aufträge und Gewinne für Blackwater stiegen und stiegen. Das große Geschäft begann für das Unternehmen dann im März 2003, als die US-Truppen in Bagdad einmarschieren. In wenigen Jahren war der Schießstand in einem Sumpfgebiet („Blackwater“) in North Carolina zu einem wesentlichen Bestandteil von Bushs „Krieg gegen den Terror“ geworden.

Heute verfügt Blackwater über 2.300 Mann ständiges militärisches Personal – das in neun Ländern tätig ist – und eine Datei von über 20.000 jederzeit abrufbaren Söldnern, unterhält eine Flotte von Kampfhubschraubern und Überwachungsflugzeugen. Kürzlich gründete Blackwater auch eine private Geheimdienstbehörde, die CIA-ähnliche Dienste anbietet.
Im Februar 2006 wurden in einer strategischen Zeitschrift des Pentagon die privaten Militärdienstleister offiziell als Teil der „militärischen Gesamtstreitmacht“ anerkannt. Damit wurde die Möglichkeit, private Militärfirmen unter Vertrag zu nehmen, Bestandteil einer offiziellen und gezielten Strategie der US-Politik.

Obenstehende Ausführungen entstanden vor allem auf Grundlage des soeben erschienen, sehr empfehlenswerten Buches „Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“ (siehe Lesetipps unten).

Zum Weiterlesen

Azzellini, Dario / Kanzleitner, Boris: Das Unternehmen Krieg, Berlin 2003. Lesenswerte kritische Aufsatzsammlung über die Rolle von Privatarmeen und Paramilitärs in der globalen kapitalistischen Ordnung.

Jäger, Thomas / Kümmel, Gerhard (Hg.): Private Security and Military Companies. Wiesbaden 2006. Ein Sammelband aus der Feder nationaler und internationaler ExpertInnen, in englischer Sprache.

Scahill, Jeremy: Blackwater, München 2008. Populär geschriebene Geschichte einer der führenden PMCs, die die Verflechtungen Blackwaters zur religiösen Rechten in den USA deutlich macht. (Vgl. Artikel auf S. 32)

Singer, Peter W.: Die Kriegs-AGs. Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen. Frankfurt/M. 2006. Ein weltweiter Überblick über jene Firmen, die am Krieg verdienen und die ihren Markt immer mehr ausweiten wollen.

Uesseler, Rolf: Krieg als Dienstleistung, Berlin 2006. Faktenreiches, aber bisweilen etwas manifesthaftes Buch über die Aushöhlung der politischen Kontrolle über das Militär durch PMCs.

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