Böse Gene austreiben

Von Hermann Klosius · · 2003/02

Mittels eines „Exorzisten“-Genes soll genmanipuliertes Saatgut gentechnikfrei gemacht werden.

Ein gut gewählter Spitzname kann Kritik manchmal wirksamer ausdrücken als tief schürfende Analysen. Es ist erst wenige Jahre her, als WissenschaftlerInnen des US-Landwirtschaftsministeriums eine gentechnische Methode zur Sterilisierung des Saatguts von Getreide ersannen. Dieses „System für den Schutz von Technologie“ sollte die Ausbreitung gentechnisch manipulierter Gene verhindern. GegnerInnen der Gentechnologie tauften die Methode „Terminator“.
Sie zeigten auf, dass sie das Ende der alten Tradition bedeuten würde, einen Teil der jeweiligen Ernte als Saatgut für das folgende Jahr zu verwenden; Bäuerinnen und Bauern wären in der Folge gezwungen, Jahr für Jahr neues Saatgut zu kaufen. Bald beeilten sich ForscherInnen und Konzerne, sich von der Terminator-Technologie zu distanzieren.
Jetzt hat eine Gruppe von Gentechnik-GegnerInnen eine im Frühjahr 2002 präsentierte neue Idee „Exorzist“ genannt. Deren Urheber, Pim Stemmer, Vizepräsident der Forschungsabteilung des Biotechnik-Unternehmens „Maxygen“ in Kalifornien, nimmt diese Namensgebung gelassen auf. „Das ist gut, das gefällt mir.“ „Exorzist“ ist ein noch ausgefeilterer genetischer Trick als „Terminator“. Statt die Saaten der gentechnisch manipulierten (GM-)Pflanzen unfruchtbar zu machen, wird mit dieser Methode noch vor der Ernte der Feldfrucht jedes darin und im Saatgut enthaltene fremde DNS-Stück herausgeschnitten und zerstört. Die so produzierte Nahrung ist, zumindest theoretisch, frei von Fremdgenen. Damit, so hofft Stemmer, würde für viele Menschen das Stigma gentechnisch produzierter Nahrungsmittel wegfallen.
Die Besorgnis der KonsumentInnen, die von den künstlich eingeführten Genen produzierten Proteine könnten allergische oder toxische Reaktionen auslösen, würde sich verflüchtigen. Gleichzeitig hätten die Bäuerinnen und Bauern keinen Grund mehr für die Befürchtung, solche Gene könnten durch Pollenflug auf andere Pflanzen übertragen werden. Und die Biotechnik-Konzerne wären gegen den Diebstahl der von ihnen geschaffenen Varietäten gefeit.

Für den Genetiker William Muir an der Purdue-Universität (Indiana, USA) ist „Exorzist“ ein revolutionäres Konzept, „das mit einem Schlag viele der Bedenken gegenüber GM-Pflanzen ausräumt“. Stemmer ist zuversichtlich, seine Idee in die Wirklichkeit umsetzen zu können, und erwartet sich davon das Ende der Kontroverse über Gentechnik. Zwar hält er als deren Befürworter GM-Nahrung für sicher, sodass „Exorzist“ nur eine kosmetische Änderung darstellen würde. Für ihn würde sich diese Technologie aber schon dann lohnen, „wenn sie den Menschen die Angst vor GM-Produkten nimmt“. Größere Berechtigung als die Angst vor Allergien haben auch für Stemmer die Warnungen, Gene von transgenen Pflanzen könnten auf nicht manipulierte Sorten oder auch auf wilde Pflanzen auskreuzen. Diese Gefahr wird inzwischen vielfach schon zum Anlass genommen, um an einer mit ökologischen Argumenten verbrämten Wiederbelebung der Terminator-Technologie zu arbeiten.
Das im Zusammenhang mit dieser unkontrollierten und nicht umkehrbaren Ausbreitung solcher Fremdgene größte Aufsehen hat im Jahr 2002 eine von der Zeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie ausgelöst. Deren Autoren behaupteten, Gene von transgenen Maispflanzen in traditionellen Maissorten im Süden Mexikos nachgewiesen zu haben.
Wie aber funktioniert Stemmers Trick? Herzstück von „Exorzist“ ist ein kleines, Cre genanntes Protein, das von einem Virus erzeugt wird, das normalerweise Bakterien infiziert. Cre ist ein als „Rekombinase“ bezeichnetes Enzym, das wie ein Paar molekularer Scheren wirkt und jedes DNS-Stück herausschneidet, das zwischen zwei kurzen Markierungs-Sequenzen namens loxP liegt. Der herausgeschnittene DNS-Teil zersetzt sich für gewöhnlich innerhalb von wenigen Tagen und verschwindet. Zum Zeitpunkt der Ernte sollte die Frucht dadurch von Fremdgenen weitgehend frei sein.

Auch wenn die für „Exorzist“nötigen Komponenten bereits existieren oder kurz vor ihrer Entwicklung stehen, bezweifeln manche ExpertInnen, dass die Methode auch funktionieren wird. David Ow, Forscher in einem Institut des US-Landwirtschaftsministeriums, berichtet, in einigen seiner Experimenten sei die herausgeschnittene DNS nicht verschwunden, sondern bestehe in einer für ihn bisher nicht erklärbaren mysteriösen Form weiter.
Einer der stärksten Einwände gegen diese Technologie ist der, dass sie die Bäuerinnen und Bauern zunehmend von großen Saatgutfirmen abhängig macht. Für die Gentechnik-Kritikerin Sue Mayer von der britischen Gruppe „Genewatch“ handelt es sich bei „Exorzist“ um einen Versuch, der Gentechnik einen grünen Anstrich zu geben. Für sie ist das Konzept eine Art von Terminator II. Auch glaubt sie nicht, dass die Technologie so funktionieren wird wie behauptet: „Wenn man mehr Gene und ausgefeilte Schaltmechanismen in die Pflanzen einbaut, wird man lediglich die Anzahl möglicher unvorhersehbarer Konsequenzen vermehren“, meint sie.
Hope Shand von der Aktionsgruppe ETC, die den Ausdruck „Exorzist“ geprägt hat und zu den entschiedensten Terminator-KritikerInnen zählt, pflichtet bei: „Warum sollte die Gesellschaft eine neue unbewiesene Technologie akzeptieren, um eine fehlerhafte zu reparieren?“. Stemmers Versuch, den Fluch der Fremdgene zu bannen, sei ein stillschweigendes Eingeständnis der mit transgenen Pflanzen verbundenen Gefahren. Sowohl Shand als auch Mayer warnen davor, die Debatte über Gentechnik nur auf technischer Ebene zu führen.

Literatur (und wesentliche Quelle für diesen
Beitrag): Philip Cohen: „Begone! evil genes“,
New Scientist, 6. Juli 2002.

Hermann Klosius ist freier Journalist und Redakteur der Zeitschrift „Lateinamerika Anders Panorama“.

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