Den Gürtel enger geschnallt

Von Lydia Matzka · · 2000/06

Die Bilaterale Programm- und Projekthilfe der Entwicklungszusammenarbeit wurde heuer von 954 Millionen Schilling (1998) auf 744 Mio. gekürzt. Entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen werden in Österreich ihre Arbeit nur eingeschränkt fortführen

Die Ankündigung des damaligen Finanzministers Rudolf Edlinger im Dezember des Vorjahres, die Budgetüberschreitungsermächtigung von 100 Mio. dieses Mal nicht zu gewähren, war für die entwicklungspolitischen Organisationen ein Schock. Schon seit Jahren bekommt die Programm- und Projekthilfe zusätzlich zu ihrem Budget von ungefähr 900 Mio. noch 100 Mio. Budgetüberschreitung gewährt. Mit diesem Geld rechnete man folglich auch für 1999 im Außenministerium, und auch die verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) planten dahingehend ihre Projekte.

Der Regierungswechsel in Österreich brachte für die NGOs weitere Kürzungen des Budgets mit sich. Statt 954 Mio. (1998) bzw. 854 Mio. (1999) werden heuer nur 744 Mio. für die Bilaterale Programm- und Projekthilfe ausgezahlt. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner habe nach eigenen Angaben „gekämpft wie eine Löwin“, um die 744 Mio. zu erreichen (vgl. Interview in SÜDWIND 5/2000).

Nun kann man rechnen wie man will, Tatsache ist, dass dies für die NGOs eine Kürzung von über 20% bedeutet, obwohl gerne von einem „minus 10%“ gesprochen wird.

Der Bereich Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit erfährt eine Kürzung von 16%. Wurden im Jahr 1999 noch 52,5 Mio. dafür ausgegeben, so stehen heuer nur 44 Mio. zur Verfügung. Auch bei „KommEnt“ selber, der Prüfstelle für Projekte im Bereich der entwicklungspolitischen Informationsarbeit, muss gespart werden. Geschäftsführer Helmuth Hartmeyer: „Die Zahl 44 Millionen ist eine magische. Darunter geht es so auf keinen Fall mehr.“

Das ist auch die Grundstimmung, die innerhalb der entwicklungspolitischen Szene herrscht: Man wurde an das Existenzlimit gedrängt.

Es wird versucht, in der Verwaltung – so gut es noch geht – zu sparen, scheidende MitarbeiterInnen werden nicht nachbesetzt, neue Projekte nicht in Angriff genommen und teilweise musste auch Personal gekündigt werden. Trotzdem will sich keine der Organisationen selbst als „existenzgefährdet“ bezeichnen.

Ganz andere Töne waren da im Dezember und Anfang des Jahres zu hören. Dem damaligen Aufschrei folgte der gebannte Blick in eine ungewisse Zukunft. Und sie ist es immer noch.

Rudolf Graf, Geschäftsführer der Entwicklungswerkstatt Austria (EWA) in Hallein (Salzburg), kritisiert die von den Ministerien geschaffene Unsicherheit, die momentan herrscht, weil noch nicht einmal alle Projektfinanzierungszusagen für das Jahr 2000 vorliegen. Das heißt, dass Kürzungen, die noch in diesem Jahr vorgenommen werden müssen, erst in der zweiten Jahreshälfte greifen werden.

Die laufenden Projekte müssen aber finanziert werden, so dass viele Organisationen gezwungen sind, Kredite aufzunehmen. Die Höhe des Budgets für das Jahr 2001 ist noch völlig unklar.

Der Österreichische Entwicklungsdienst (ÖED) kann seine laufenden Projekte nur eingeschränkt weiterführen. In Zahlen gesprochen bedeutet dies, dass der ÖED heuer statt 1053 Einsatzmonate nur mehr 1003 durchführen können wird. Kündigungen sind nicht vorgesehen, jedoch leidet der Umfang der Leistungen unter den Kürzungen. Zum Beispiel wird es in Zukunft nur mehr 2 statt 15 bis 20 Personen geben, die einen „Schnuppereinsatz“ von 12 bis 14 Monaten im Süden machen können. Dadurch wird es künftig schwieriger werden, neue InteressentInnen für die Organisation zu gewinnen.

Der ÖED arbeitet derzeit gemeinsam mit der Kofinanzierungsstelle (KFS) und dem Institut für Internationale Zusammenarbeit (IIZ) an einem Fusionierungsplan. Anfang 2001 soll aus den drei Organisationen ein neues Unternehmen werden. Hans Bürstmayr (KFS) und Robert Zeiner (ÖED) betonten, dass die Pläne zu einer Zusammenlegung der drei Organisationen nichts mit dem Kürzungsszenarium zu tun hätten. Herwig Adam (IIZ) jedoch kann für seine Organisation einen Zusammenhang herstellen: „Wir haben aufgrund der Rahmenbedingungen keine andere Wahl. Ich befürchte, dass die Gelder für die EZA weiter schrumpfen werden“. Das IIZ und die KFS haben Kürzungen von 10-12% zu verkraften.

Auch die entwicklungspolitischen Bibliotheken der Österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE), der Bildungs- und Schulstelle Baobab, des Lateinamerika-Instituts (LAI) und der Frauensolidarität sollen zusammengelegt werden. Die Frauensolidarität muss mindestens 15% ihres Gesamtbudgets im Vergleich zum Vorjahr einsparen. Die Organisation bleibt weiter bestehen, die geleisteten Arbeitsstunden werden jedoch reduziert. Eine weitere Kürzung im Jahr 2001 wäre jedoch nur schwer zu verkraften. Gundi Dick: „Wir können den Gürtel nicht enger schnallen, um kein Loch.“

Kulturen in Bewegung / VIDC (Vienna Institute for Development and Cooperation) müssen im Wissenschaftsbereich eine Kürzung von 42% hinnehmen. Im Kulturbereich sind es 11%. Dadurch wird eine offensive Öffentlichkeitsarbeit unmöglich gemacht.

Auch die Südwind Agentur wird nicht mehr so stark bewusstseinsbildende Öffentlichkeitsarbeit wie in der Vergangenheit machen können. Ihre Mittel werden um 10% im Vergleich zum Vorjahr gekürzt. Projekte wie die Clean Clothes-Kampagne oder die Entwicklungspolitische Sommerwoche können nicht mehr durchgeführt werden.

Dem Nord-Süd-Institut stehen überhaupt Kürzungen von 40% ins Haus. „Wir müssen die gesamte Öffentlichkeitsarbeit streichen“, sagt die Mitarbeiterin Ursula Steller. Auch müssen Projekte in Uganda, Mosambik und Ruanda aufgegeben werden.

Das Dilemma der entwicklungspolitischen NGOs in Österreich ist, dass sie einerseits unabhängig agieren wollen, jedoch zum überwiegenden Teil von öffentlichen Geldern abhängig sind. Deshalb sind nur wenige Organisationen bereit, von ihren internen Schwierigkeiten zu erzählen. Transparenz wird zwar gefordert, jedoch fürchtet jeder um die Gunst des Fördergebers. Es geht weiter, der Gürtel wird enger geschnallt, keine Frage. Auf den ersten Blick könnte man glauben, die entwicklungspolitischen Organisationen hätten sieben Leben: Man kann sie kürzen wie man will, es wird trotzdem weiter gearbeitet. In Wahrheit aber stecken die meisten Organisationen in einer tiefen Krise, aus der man mittels Fundraising oder EU-Geldern herauskommen will.

Auch wenn die Arbeit in den eigenen Kernbereichen noch durchgeführt werden kann, fehlt doch die Finanzierung für neue Projekte und somit für die Umsetzung neuer Ideen. „Die entwicklungspolitische Szene wird dadurch immer mehr ausgehöhlt. Eigentlich ist sie ja schon klinisch tot“, meint Rudolf Graf.

In die selbe Richtung denkt auch Herwig Adam, Geschäftsführer vom IIZ: „Die Weiterentwicklung wird gebremst, wenn nur mehr alte Projekte fortgesetzt werden. Wenn das so weitergeht, dann wird die Dynamik aus der österreichischen Entwicklungszusammenarabeit herausgenommen.“

Die Kürzungen können auch international Folgen nach sich ziehen. Denn, so Adam, „wenn man bilateral nichts vorzuweisen hat, wird man international nicht ernst genommen“. Der Entwicklungshilfeausschuss (DAC, Development Assistance Committee) der OECD kritisiert Österreich schon länger und fordert eine Anhebung der staatlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, der ODA-Leistungen (Official Development Assistance), auf ein Niveau, das seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen widerspiegelt.

1998 rangierte Österreich an 16. Stelle unter den 21 DAC- Mitgliedsländern. Die ODA-Leistungen liegen gegenwärtig bei 0,22% des Bruttosozialproduktes, also nur knapp unter dem DAC-Durchschnitt von 0,24%. Da aber Österreich das drittreichste Land der EU ist, fordert die OECD einen diesem Niveau angemessenen Beitrag. Auch entsprechen ein Fünftel des österreichischen ODA-Volumens keinen Aktivitäten, die primär Entwicklungszielen dienen: vergünstigte Exportkredite, Flüchtlingshilfe in Österreich und indirekte Studienplatzkosten.

Innerhalb der EU liegt Österreich an vorletzter Stelle, vor Italien. Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, Inge Jäger, findet es „besonders beschämend, wenn ein reiches Land wie Österreich so knausrig“ ist. Auch die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, kritisiert die massiven Kürzungen der Regierung im Bereich der bilateralen Programm- und Projekthilfe. Es sei „vielsagend, wenn man sich anschaut, wo gekürzt wird“. Hier werde die Umsetzung des politischen Willens der neuen Regierung sichtbar. Lunacek: „Jene, die in einem demokratischen Rahmen Kritik üben, sind nicht mehr erwünscht.“ Auch die Abschaffung des Zivildienstes und die Streichung des ermäßigten Postzeitungsversandes würden die NGOs ins Mark treffen.

Anzeichen aus dem Außenministerium zufolge wird die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit weniger im zivilgesellschaftlichen Bereich angesiedelt sein. Es wird eher auf verstärkte Zusammenarbeit mit den Regierungen im Süden gebaut. Die heimischen NGOs fürchten, auf eine reine Durchführungsfunktion beschränkt zu werden.

Botschafter Georg Lennkh, der Leiter der Österreichischen Entwicklungslungszusammenarbeit im Außenministerium, beruhigt: „Die NGOs werden auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit spielen.“ Auch Außenministerin Benita Ferrero-Waldner versichert, dass sie der Entwicklungspolitik ein „großes politisches Augenmerk widmen“ wird.

Die politische Realität sieht derzeit aber anders aus und es wird befürchtet, dass die Kürzungen im Jahr 2001 noch drastischer ausfallen werden.

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