Der Forstwirt, den alle kennen

Von Florian Gasser und Thomas Trescher · · 2008/11

Kind hat er noch keines gezeugt und auch kein Haus gebaut. Aber Bäume hat er schon tausende gepflanzt. Alex Kyabgona bringt den dörflichen Gemeinden rund um das ugandische Städtchen Kikonda den Nutzen der Wiederaufforstung nahe.

FC Arsenal“, sagt Alex Kyabgona, während er auf seinem Motorrad die sandige Straße entlang braust, „ist doch wohl eindeutig der beste Fußballklub.“ Eine Diskussion darüber lässt er erst gar nicht zu, außerdem muss er sowieso gerade bremsen, um den riesigen Pfützen auszuweichen, die der heftige Regen der Vortage hinterlassen hat. Am Straßenrand sitzt eine Frau um die dreißig, die das Regenwasser aus der Pfütze in ihren roten Benzinkanister schaufelt. Während sie ihre Wasserreserven auffüllt, ist der Rest ihrer Familie auf dem Weg zum Markt, der jeden Freitag stattfindet. Verkauft und angeboten wird dort alles: Von Süßkartoffeln bis zur rostigen Kalaschnikow, die auf Nachfrage unter so manchem Verkaufsstand auftaucht, wie Kyabgona erklärt. Der Arsenal-Fan ist Forstwirt, 29 Jahre alt, und besucht zweimal im Monat die Landwirte der dörflichen Gemeinden rund um Kikonda, ein kleines Städtchen irgendwo im Nirgendwo des ugandischen Westens, um ihre Fortschritte bei der Kikonda Community Forestry Association (KICOFA) zu überprüfen.
KICOFA stellt den teilnehmenden Bauern und Bäuerinnen Setzlinge für Kiefern zur Verfügung und gibt das notwendige Know-how weiter, um diese zu kultivieren. Finanziert wird KICOFA vom deutschen Unternehmen Global Woods (siehe Kasten) – doch nicht nur aus reinem Goodwill, wie Projektbetreuer Matthias Baldus ausführt: „Wir wollen, dass die Menschen hier lernen, sorgsam mit der Natur und vor allem den Wäldern umzugehen; dass sie zum Beispiel auf Feuer acht geben und nicht einfach Brandrodung betreiben.“ 2001 hat das Unternehmen von der ugandischen Regierung die Genehmigung zur Aufforstung von 12.100 Hektar ehemaligem Regenwaldgebiet rund um Kikonda erhalten. 9.000 davon möchte es wieder aufforsten – 400 pro Jahr. Feuer ist die größte Gefahr für die Forstwirtschaft in dieser Region. „Indem wir die Bewohner um unser Waldreservat mit einbeziehen, wollen wir sie im Umgang mit dem Wald sensibilisieren“, erklärt Baldus. Es sind langfristige Projekte, die Global Woods in Uganda, Paraguay und Argentinien aufbaut. Nachhaltige und ökonomisch erfolgreiche Forstwirtschaft soll betrieben werden. Zusätzlich beteiligt sich die Firma am Verkauf von CO2-Zertifikaten. Doch „das Brotgewerbe“ soll einmal der Holzverkauf werden, so Baldus.

Die Orte, die Kyabgona ansteuert, sucht man auf einer Landkarte vergeblich: Aidha, Kijabwa oder Mujunza heißen die Bauerndörfer, die meist aus nicht mehr als einer Handvoll Lehmhütten mit Strohdächern bestehen. Es sind schmale, halb verwilderte Wege, die der Forstwirt entlangfährt, in den umliegenden Bäumen kann man Affen schreien hören. Kyabgona steuert sein Motorrad wie selbstverständlich durch das Labyrinth von Pfaden, in dem jeder andere hoffnunglos verloren wäre. „Alex“ kennt hier alle, und alle kennen „Alex“. Wenn er auftaucht, strömen die Leute zusammen und begrüßen ihn überschwänglich. „Dieses Feld wurde im September 2006 bepflanzt“, erzählt er, während er durch die Baumreihen geht und sich vergewissert, dass sie von keinen Krankheiten befallen sind. Immer wenn ein Baum gepflanzt wurde, war Alex dabei und hat mit Argusaugen darüber gewacht, dass die Kiefern auch richtig, in einer Linie, gesetzt wurden.

Wenn er durch größere Orte fährt, fällt auf, dass auch hier, in der tiefsten Provinz, zwei Weltreligionen aufeinander prallen: Eine kleine improvisierte Kirche folgt auf eine liebevoll zusammen gezimmerte Moschee im Nebendorf. Probleme entstehen dadurch nicht: „Wir leben hier alle miteinander. Religion ist für uns sehr wichtig, aber zuallererst sind wir Ugander und halten zusammen“, meint Kyabgona, der sich selbst als nicht praktizierender Katholik bezeichnet. Auf einer staubigen Straße bleibt er abrupt stehen, stellt sein Motorrad ab und geht auf zwei Männer zu, die miteinander debattieren. Es sind die Sprecher, von der Dorfgemeinschaft gewählte Repräsentanten, zweier nebeneinander liegenden Gemeinden – die eine auf der linken, die andere auf der rechten Seite der Straße. Ganze Nächte hat Alex Kyabgona schon mit ihnen und ihren Dorfgemeinschaften verbracht. Verstrickt in endlose Diskussionen über Sinn und Unsinn des Projekts und darüber, was es den Landwirten hier bringen soll. „Mit Umweltschutz braucht man hier nicht zu argumentieren“, weiß der Forstwirt. „Die Leute wollen wissen, was ihnen das in unmittelbarer Zukunft bringt. Haben sie davon keinen unmittelbaren Nutzen, dann interessiert es sie auch nicht“, erklärt er. Die beiden Sprecher grüßen den Forstwirt herzlich, es folgt ein Smalltalk über das Befinden der Familien. „Ich muss mit den Leuten einfach immer im Gespräch bleiben“, kommentiert Kyabgona später, „das ist das Wichtigste in meinem Job.“

Für heute ist der Forstwirt mit seiner Runde fast fertig. Ein Besuch steht noch aus. Seit 2004 fährt er für Global Woods durch die Dörfer und seit damals beendet er jede Tour mit einem Besuch bei Cissy Nampala, „der ältesten Frau, die ich kenne“, wie er sie beschreibt. Wie alt genau, das weiß er nicht, ebenso wenig sie selbst. „Irgendwo zwischen 65 und 70“, schätzt sie. In einem Land, wo die durchschnittliche Lebenserwartung bei knapp über 50 liegt, ein stolzes Alter. Gemeinsam mit ihren drei Söhnen bewirtschaftet sie einen kleinen Bauernhof und nimmt ebenfalls am Projekt von Global Woods teil. Einige ihrer Bäume fielen zwar einer Krankheit zum Opfer, doch sie will unbedingt weiter machen und es noch einmal probieren. „Ich habe noch nie jemand gesehen, der sich so liebevoll um seine Pflanzen kümmert wie sie“, sagt der Forstwirt. Jahrelang war er Zeuge, wie Wälder im ganzen Land abgeholzt wurden und Boden brach lag: „Das hier war alles Regenwald, davon ist so gut wie nichts mehr da. Fast nirgendwo im Land.“ Leute wie Cissy Nampala sind für Kyabgona ein Hoffnungsschimmer dafür, dass seine Arbeit etwas Positives für die Umwelt des Landes bewirken kann.

Bevor er wieder auf sein Motorrad steigt und nach Hause fährt, muss sich Kyabgona noch mit Cissys Sohn unterhalten. Der kommt gerade von der Arbeit im Stall. Auf dem Kopf sitzt eine Baseballkappe, auf der ein ausgeblichener FC Arsenal-Schriftzug prangt. Das Ergebnis vom vergangenen Mittwoch, als ihre Mannschaft in der Qualifikation zur Champions League Twente Enschede mit Vier zu Null vom Platz gefegt hat, muss noch ausführlich nachbesprochen werden.

Florian Gasser und Thomas Trescher sind freie Journalisten und Mitarbeiter beim Monatsmagazin „DATUM – Seiten der Zeit“ und bereisten vor Kurzem Uganda.

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