Die Hoffnung nicht sterben lassen

Von Redaktion · · 2009/06

Die wohl brutalste Diktatur der Gegenwart, die Militärjunta von Burma, will nächstes Jahr Wahlen abhalten lassen. Pseudo-Wahlen, mit vielen Beschränkungen und Ausschlüssen. Doch unter der oberflächlichen Friedhofsruhe regt sich weiterhin der Widerstand. Ein Bericht aus dem thailändisch-burmesischen Grenzgebiet von Andrea Springer.

Ma Lay, die Besitzerin einer Bambushütte im Flüchtlingslager der Karenni an der thailändisch-burmesischen Grenze, nimmt den Reis von der Feuerstelle. Im Zentrum der spärlich mit Kerzen erleuchteten Hütte stehen viele kleine Schüsseln am Boden, aus denen die darum sitzende Gruppe sich bedient. Im Rauch der burmesischen Zigarren wirkt das Bild wie aus einer längst vergessenen Zeit, solange bis ein Handy läutet. „Morgen haben wir einen Gast“, sagt Ma Lay mit leiser Stimme.

Der Gast – Nya Reh – gehört zu den Kayan, einer der 138 Ethnien Burmas, die in den bergigen Grenzregionen des Landes seit über 20 Jahren von der Junta verfolgt und ausgerottet werden. Nya Rehs Dorf lag in Karenni State, dem kleinsten der sieben ethnischen Staaten Burmas, an der Grenze zu Thailand gelegen.

Das Dorf gibt es schon lange nicht mehr – wie hunderte andere auch. „Wir haben alles geschnappt, was wir tragen konnten. Meinen kleinen Bruder hat meine Mutter oben auf den Tragkorb gelegt und dann sind wir losgerannt, in den Dschungel hinein, das ganze Dorf“, erzählt Nya Reh. Doch für ihn war es nicht das erste Mal, dass seine Leute vor dem burmesischen Militär geflüchtet sind. Ebenso wie für die halbe Million Vertriebener verschiedener Ethnien hatte er irgendwann aufgehört zu zählen, wie viele Lagerplätze und temporäre Dörfer er gesehen hatte. „Am schwierigsten ist es immer, Nahrung zu finden. Es traut sich ja niemand ins Dorf zurück. Nachdem sie unsere Häuser niedergebrannt hatten, vernichteten sie unsere Reisvorräte, und zwischen unseren in Asche gelegten Häusern liegen jetzt Minen.“
Irgendwann wurden Nya Rehs Eltern der zahlreichen „Übersiedlungen“ müde und beschlossen, nach Thailand zu gehen.

Die so genannten Minderheiten in den bergigen Grenzregionen des Landes spielen eine bisher kaum beachtete, aber wesentliche Rolle im Kampf gegen die 47-jährige Diktatur in Burma. Bewaffnete Einheiten verschiedener Stärke haben sich in dieser Zeit organisiert. Heute haben fast alle einen Waffenstillstand unterzeichnet, nur drei „Rebellenarmeen“ leisten noch Widerstand. Die Angehörigen von deren Ethnien werden von der Junta als Volksfeinde verfolgt und ausgerottet. Nya Reh blieb im Land und schloss sich einer Widerstandsgruppe an. Während in den Rebellengebieten die brutalen Säuberungen weitergehen, ist der Rest Burmas den üblichen alltäglichen Schikanen durch die Regierung ausgesetzt.

Jatropha (Purgiernuss), eine für die Erzeugung von Agrotreibstoff geeignete Pflanze, soll nun Investoren ins Land locken. Ganze Dörfer, ja sogar Schulen werden zum Anbau der Pflanze und zu einer Quotenlieferung gezwungen. Für die Deckung des eigenen Nahrungsbedarfes ist weder Land noch Arbeitskraft übrig, weshalb noch mehr Menschen ins Exil nach Thailand fliehen.

Hier in den vorwiegend burmanisch besiedelten Ebenen des Südens ist die Sangha – Gemeinschaft der buddhistischen Mönche – heute Hoffnungsträger für eine politische Veränderung im Land. Seit der Safran-Revolution im September 2007, als tausende Mönche für ein demokratisches Burma demonstrierten, wurden viele Klöster aufgelöst oder von Regierungsspitzeln unterwandert. Nichtsdestotrotz arbeitet die Young Monks Association weiter – in stillem Einvernehmen mit den Äbten. Nach dem Wirbelsturm Nargis im Irawadi-Delta war die Infrastruktur der Klöster tragend für die Hilfeleistungen an die Katastrophenopfer, wofür sie nicht selten von der Regierung bestraft wurden.

Die Nationale Liga für Demokratie (NLD), die einzige Oppositionspartei im Land, deren führende Figur Aung San Suu Kyii seit 1989 mit Unterbrechungen unter Hausarrest steht, ist durch die herrschende Repression so gut wie handlungsunfähig.
Das Referendum vom Mai 2008 zur Abstimmung über die Verfassung „gewann“ die Junta mit massiver Wahlfälschung und Einschüchterung mit 92 Prozent. Seither hat sich die Situation im Land kontinuierlich verschlimmert. Die UNO konnte einige Treffen mit Regierungsvertretern erreichen und verfasste mehrere Berichte, die jedoch wenig bewirkten. Das Vetorecht Chinas hat bisher schärfere Maßnahmen gegen Burma verhindert.

Chinas Hauptinteresse gilt derzeit den riesigen Gasvorkommen vor der Arakan-Küste im Golf von Bengalen. Der Bau der 2.000 km langen Pipeline führe unweigerlich zu weiteren Landenteignungen, zu Zwangsarbeit und einer Militarisierung des Gebietes, so die KritikerInnen dieses Projektes. Teakholz, Kautschuk und Edelsteine sind weitere Posten auf der Liste der Handelsgüter, die – nicht nur – nach China ausgeführt werden. Bezahlt wird hauptsächlich mit Waffen, ohne die es dem Regime unmöglich wäre, das Volk in Schach zu halten. Sämtliche Daten über den Waffenhandel werden von der chinesischen Regierung streng geheim gehalten. Die burmesische Armee, speziell in den nördlichen Landesteilen, mischt beim Drogenhandel kräftig mit. Der Opiumanbau hat – entgegen den Regierungsangaben – zugenommen; Burma rangiert auf der Liste der Opium produzierenden Länder an zweiter Stelle nach Afghanistan.

Nya Reh hat mit anderen Studierenden an der Anti-Referendum-Kampagne teilgenommen – mit dem Resultat, dass viele seiner Freunde heute hohe Gefängnisstrafen verbüßen und er sich mit einigen anderen im Grenzgebiet zu Thailand versteckt hält.
Aber auch Thailand ist von Burmas Ressourcen abhängig. Ein geplanter Staudamm am Salween Fluss, der von Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen heftig kritisiert wird, soll den steigenden Energiebedarf des Nachbarlandes decken, während es in Burma weiterhin finster bleibt. Deshalb sind die Flüchtlingslager entlang der Grenzen innerhalb Thailands mit ihren insgesamt etwa 250.000 BewohnerInnen für die Regierung in Bangkok eine große Unannehmlichkeit, die sie am liebsten los wäre.

Für das nächste Jahr hat die Regierung Burmas Wahlen ausgerufen. Wer sich den zahlreichen Auflagen der Regierung beugt, darf daran teilnehmen, und ob die NLD zugelassen wird, ist noch ungewiss. Es könnte aber auch der Fall eintreten, dass die Wahlen weiter verschoben werden, sollte sich die Regierung eines Sieges nicht völlig sicher sein.
Die NLD sowie viele der ethnischen Gruppen haben die 2008 mit dem Referendum erzwungene Verfassung nicht akzeptiert, da sie die Macht der Militärs untermauert und den Minderheiten so gut wie keine Rechte zugesteht. Von ihnen vorgelegte Änderungsvorschläge wurden ignoriert.

Im Norden des Landes bereitet man sich auf einen weiteren Krieg zwischen dem Regime und den Rebellen der Wa vor. Bisher teilten sich diese – im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens – die Profite aus dem Drogenhandel. Die Rückkehr der Wa zum Kampf gegen die Junta könnte einen landesweiten Aufstand aller Waffenstillstandsgruppen auslösen, so eine Quelle aus dem Landesinneren.

Im thailändischen Exil organisiert man sich. Ein Netzwerk von politischen Organisationen arbeitet auf internationaler Ebene mit dem Ziel, durch Dialog, Sanktionen und humanitäre Maßnahmen die Situation zu verbessern. Die Ethnien gründeten 2001 ihre eigene politische Plattform: den Ethnic Nationalities Council (ENC), den so genannten Völkerrat Burmas. Sie arbeiten gemeinsam mit der Exilregierung (NCGUB, National Coalition Government of Burma, 1990) an einer alternativen Verfassung.
Nachrichten werden aus dem Untergrund, aus dem Exil und von der Opposition gesammelt und über die Democratic Voice of Burma (DVB), einem in Norwegen stationierten Sender, wieder nach Burma gesendet.

„Wir haben Hoffnung. Wir glauben an Bildung als Chance für eine Veränderung und gehen in die Dörfer, wo wir Aufklärung zu Themen wie Menschenrechten, Hygiene und Gesundheitsversorgung, sowie politischen Themen bringen. Aus Sicherheitsgründen bleiben wir nur eine Nacht in den Dörfern. Wir lassen die Hoffnung nicht sterben, sie ist das einzige was uns bleibt“, sagt Nya Reh.
Mut, Geduld, Ausdauer und Hoffnung sind die grundlegenden Eigenschaften einer neuen jungen Generation, die sich friedlich für eine Lösung des Konfliktes in Burma einsetzt.

Die Autorin ist Ethnologin und lebt in Köln. Sie bereiste kürzlich die Flüchtlingslager im Grenzgebiet von Thailand zu Burma.

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