Die neue Verfassung

Von Ralf Leonhard · · 1999/11

Als vierte Staatsgewalt soll die

Sieben Jahre Amtszeit und unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten: Das sind vordergründig die wichtigsten Neuerungen, die die Verfassunggebende Versammlung anpeilt. Gegenüber dem in Lateinamerika traditionell verankerten Wiederwahlverbot, das Diktauren verhindern soll, erscheint das als Rückschritt. Unbestreitbar ist aber, daß Regierungen mit einer Perspektive von vier bis fünf Jahren sich als unfähig erwiesen haben, die Wirtschaftsstrukturen so umzugestalten, daß die galoppierende Ausgrenzung der Armen gebremst wird. Wenn man unterstellt, daß Chávez seine „Revolution“ ernst meint, so ist auch das Vorhaben, 14 Jahre am Ruder zu bleiben, nur konsequent. Entscheidend wird wohl die Frage, ob die neue Verfassung genügend Sicherheiten gegen einen Machtrausch verankert. Bisher wurden Skeptiker positiv überrascht.

Den traditionellen drei Gewalten (Exekutive, Legislative, Judikative) wird mit der „Moralischen Kraft“ (Poder Moral) eine vierte zur Seite gestellt. Nach dem vorliegenden Entwurf soll sie aus 19 vom Volk gewählten Mitgliedern „von erprobter Ehrenhaftigkeit“ bestehen. Zu ihren Aufgaben gehört die Auswahl der Richter des Obersten Gerichtshofes und die Bestellung des bisher nicht existenten Volksanwaltes. Der bisherige Kongreß, der aus Abgeordnetenkammer und Senat besteht, soll durch ein

Einkammernparlament mit 135 Sitzen ersetzt werden.

Als Schutz vor diktatorischen Ambitionen ist der aus der spanischen Verfassung entlehnte Staatsrat gedacht, der den Präsidenten und die Minister von

verfassungswidrigen Akten abhalten soll.

Bemerkenswert ist im Menschenrechtskatalog das ausdrückliche Verbot der Praxis des Verschwindenlassens. Auch in Venezuela wurden während der sechziger Jahre mißliebige Personen von Militärs beseitigt. Das moralisch begründete Recht auf Widerstand gegen ein tyrannisches Regime, erstmals vom Heiligen Augustinus definiert und von Chávez bei seiner Revolte 1992 angerufen, wird in Verfassungsrang erhoben.

Die Unternehmer können mit dem Entwurf leben. Die Möglichkeit von Enteignungen im öffentlichen Interesse wurde gegenüber dem Erstentwurf stark eingeschränkt, der Schutz des Privateigentums ausdrücklich betont.

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