Die Schokoladenseite des Krieges

Von Dominic Johnson · · 2007/07

In Elfenbeinküste, weltweit wichtigster Produzent von Kakao, hält der Export auch die Kriegswirtschaft der Regierung von Präsident Laurent Gbagbo am Laufen. Reformforderungen des Auslands stoßen auf taube Ohren.

Die wenigsten Kinder in Westafrika haben je Schokolade gegessen, aber aus ihrer Heimat kommt der meiste Kakao der Welt. Allein Elfenbeinküste liefert rund 40 Prozent der Weltproduktion, einen Großteil davon in die EU. Die Kakaobranche ist der wichtigste Wirtschaftssektor des Landes und hat in der Vergangenheit Milliardengewinne abgeworfen. Davon kündet unter anderem die dem Petersdom nachempfundene Basilika in Yamoussoukro, die Diktator Félix Houphouët-Boigny in den 1980er Jahren in einem Anflug von Größenwahn in den Busch seines zur Hauptstadt beförderten Geburtsdorfes stellte.
Houphouët-Boigny ist seit 14 Jahren tot, Elfenbeinküste ist vom Stabilitätsanker Westafrikas zum Bürgerkriegsherd geworden. Aber der Kakao ist noch genauso wichtig wie er war. 620.000 Pflanzer bauen ihn an, sechs Millionen der rund 18 Millionen EinwohnerInnen des Landes leben davon. Und gerade in Zeiten des Krieges ist dieses lukrative Exportprodukt das Rückgrat nicht nur der Volkswirtschaft, sondern auch der Kriegsökonomie des Landes.
Umgerechnet 15 Millionen Euro pro Jahr, so rechneten UN-Experten 2005 aus, fließen direkt von den Kakao-Regulierungsbehörden von Elfenbeinküste in Regierungskassen und werden zum großen Teil für Rüstungsausgaben verwendet. Auf 45 Millionen Euro bezifferte ein interner EU-Untersuchungsbericht 2006 die Gelder, die allein die Kontrollbehörde FRC (Regulierungs- und Kontrollfonds für Kakao und Kaffee) zwischen 2002 und 2004 für staatliche Sicherheitsausgaben abzweigte. Und Anfang Juni diesen Jahres hat die Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ in einem explosiven Bericht mit dem Titel „Heiße Schokolade“ ausgerechnet, dass die verschiedenen Kakaobehörden seit 2001 15 Millionen Euro direkt in die Kriegskassen des Regimes von Präsident Laurent Gbagbo geleitet haben, und ein doppelt so hoher Betrag aus Exportprofiten in inoffizielle Kassen gelenkt wurde.

Angesichts von Exporten im Wert von über einer Milliarde Euro jährlich ist das nicht viel, aber die Kakaobauern belastet es erheblich. Laut „Global Witness“ stiegen die gesamten Steuern auf den Kakaoexport von 135,5 CFA-Franc (0,20 Euro) pro Kilogramm im Jahr 1999 auf das Rekordniveau von 361,9 CFA-Franc im Jahr 2003, dem letzten aktiven Kriegsjahr. Für die Erntesaison 2006/07 lagen sie immer noch bei 310,4 CFA-Franc pro Kilo, wovon der Großteil von den Exporteuren gezahlt wird. Meist verlangt die Regierung Vorauszahlungen. Die Ankäufer und Exporteure wälzen die Steuerlast auf die Produzierenden ab, indem sie den Ankaufspreis senken. Im Oktober 2006 gab es einen mehrtägigen Generalstreik der Kakaobauern gegen den Preisverfall.
Rechenschaft über den Verbleib des Geldes gibt es nicht. Rivalisierenden Behörden mit theoretisch fast identischen Kompetenzen bilden ein verschlungenes Geflecht, erheben jeweils ihre eigene Steuer und deponieren die Gelder in staatlichen Banken, von wo aus sie dann ohne Kontrolle abgezogen werden können. Leiter der wichtigsten Regulierungsbehörde FRC ist ein ehemaliger Wahlkampfmanager Präsident Gbagbos, und auch die anderen werden zumeist von Parteigängern oder Günstlingen der Gbagbo-Partei FPI (Front Populaire Ivoirien) geführt.

Die FPI entstand in den Zeiten der Einparteiendiktatur als Untergrundopposition im Kakaogürtel im Westen von Elfenbeinküste und vertrat den lokalen Widerstand gegen Großplantagenbesitzer, die mittels EinwandererInnen aus Nachbarländern wie Burkina Faso den Kakaoanbau immer weiter ausbreiteten, zum Nachteil einheimischer Ethnien. Kein Wunder, dass die FPI nach Gbagbos umstrittenem Wahlsieg 2001 daran ging, diese traditionelle Kakaowirtschaft zu schröpfen und zu zerschlagen – die Nachkommen der EinwandererInnen sollten die Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht wieder verlieren, die „Autochthonen“ favorisiert werden, der Sektor wieder mehr unter staatliche Aufsicht geraten, nachdem auf Druck der Weltbank 1999 das staatliche Ankaufmonopol für Kakao gefallen war. Diese Politik, teils Bauernrevolte und teils ethnischer Krieg, war einer der Auslöser für die bewaffnete Rebellion gegen Gbagbo, die seit September 2002 die Nordhälfte des Landes kontrolliert und erst dieses Jahr mit Gbagbo eine gemeinsame Regierung mit Rebellenchef Guillaume Soro als Premierminister bildete. Gerade zu den Anfangszeiten des Krieges setzte die FPI auf lokale Milizen im Kakaogürtel, um die Kontrolle über dieses strategisch wichtige Gebiet zu wahren. Diese so genannten „patriotischen“ Milizen wurden mit Kakaoeinnahmen aufgerüstet und bekämpften am liebsten Angehörige „fremder“ Ethnien in ihren Dörfern; ihre Unterstützung durch die Säulen der ivorischen Wirtschaft galt im FPI-Staat als patriotische Pflicht.
Mehrfach wurde dokumentiert, wie Waffen mit den aus dem Kakaosektor abgezweigten Einnahmen gekauft wurden. Laut „Global Witness“ spielt darin die israelisch-niederländische Lev Group eine wichtige Rolle, die unter verschiedenen Namen in Westafrikas Bürgerkriegsgebieten aktiv gewesen ist und in Elfenbeinküste unter dem Namen Lev-CI firmiert. Sie soll Kampfhubschrauber an das ivorische Militär vermittelt haben, eine von einem gesuchten israelischen Waffenschmuggler durchgeführte Transaktion. Vorsitzender von Lev-CI ist, so Global Witness weiter, der Ivorer Victor Jérome Nembéléssini-Silué. Er leitet auch die staatliche ivorische Investitionsbank BNI, bei der die Kakaobehörden ihre Konten haben. Die prominente Rolle israelischer Geschäftsmänner im Kakao-Waffen-Geflecht und der Umstand, dass die Kakaoexporte des Landes zumeist von US-Firmen durchgeführt werden, mag erklären, warum sich gerade das radikale Gbagbo-Lager als pro-amerikanisch gibt und seinen Kampf gegen die nordivorischen Rebellen auch gern als Religionskampf gegen das Vordringen des Islam darstellt.

Eine Reform der korrupten und undurchsichtigen Kakaobranche gehört zu den Standardforderungen von IWF, Weltbank und EU für die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem kriegsgeschädigten Land. Aber als vor kurzer Zeit die EU-Delegation in Elfenbeinküste einen Prüfbericht über die Strukturen der Kakaobranche veröffentlichte, reagierte die FPI-Parteizeitung „Notre Voie“ mit der üblichen Rhetorik: Europäer hätten kein Recht, die legitimen Behörden des Landes zu kritisieren, hieß es.
Der EU-Bericht hatte die Auflösung der vielen Kontrollbehörden zugunsten privater Zusammenschlüsse der Unternehmer der Kakaobranche gefordert. „Notre Voie“ wies darauf hin, dass die Kontrollbehörden jetzt schon den Status privater Unternehmen haben. Wieso sie dann faktisch als FPI-Dependancen agieren, politische Weisungen befolgen und dem Staat regelmäßig Geld schenken, erklärte das Parteiblatt nicht.
Gerade die Existenz eines Geflechts weder eindeutig staatlicher noch wirklich privater Institutionen rund um die Präsidentschaft macht es so gut wie unmöglich, trotz des politischen Friedensschlusses aus den Strukturen der Kriegswirtschaft herauszufinden. Den KakaobäuerInnen tut das nicht gut. Die Ernte, die in der Saison 2005/06 noch 1,39 Millionen Tonnen betrug, soll in der Saison 2006/07 ersten Prognosen zufolge auf eine Million fallen – so wenig wie lange nicht. Grund sind zumeist widrige Wetterbedingungen, die auch die Qualität des ivorischen Kakaos verschlechtern. So müssen die BäuerInnen mit niedrigen Preisen leben – während die Weltmarktpreise wegen der verringerten Ernte kräftig anziehen. Und der Staat wird sich trotzdem weiter nehmen, was er will.

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur bei der Berliner Tageszeitung taz.

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