Ein historischer Sieg

Von Frank Braßel · · 2009/06

Bei den Wahlen am letzten Aprilsonntag – Gemeinden, Provinzen, Parlament und Präsidentschaft – wurde der umfassende Umgestaltungsprozess des ecuadorianischen Staates fortgesetzt. Doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

Es war ein historischer Sieg, den der alte und neue Präsident Ecuadors am letzten Sonntag im April erzielte. Zum ersten Mal nach der Rückkehr des Andenstaates zur Demokratie vor 40 Jahren wurde ein Präsident im ersten Wahlgang gekürt. Rafael Correa erzielte knapp 52 Prozent der Stimmen, auf den zweiten Platz gelangte der Ex-Präsident Lucio Gutierrez mit 28%. Doch kaum jemand im Land feierte dieses Ereignis wirklich. Den überwiegend konservativen Medien war die Wiederwahl zuwider, sie wollten die negativen Begleitumstände hervorheben. Und die gab es zur Genüge, sodass auch unter den AnhängerInnen Correas nur verhaltene Freude aufkommen wollte.

Zum einen waren die vorangehenden Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung für den Präsidenten weitaus triumphaler ausgefallen als diese. Gravierender aber, dass sich Lucio Gutierrez als bedrohlicher Konkurrent positioniert hat. Eine ernsthafte wirtschaftliche oder politische Krise in dem seit langem instabilen Andenstaat, und der nächste Präsident könnte Gutierrez heißen. Der ehemalige Oberst war Anfang 2003 mit Unterstützung linker Kräfte und der indigenen Bevölkerung zum Präsidenten gewählt und kaum zwei Jahre später von aufgebrachten Massen der Hauptstadt aus dem Amt und dem Land gejagt worden.

Aber – und das zeigen die Wahlen – der Niedergang von Gutierrez ist nur im politisch bewussten Quito stark ausgeprägt, während in den entlegenen und verarmten Gebieten der Amazonasregion und dem Hochland das vom ehemaligen Präsidenten aufgebaute klientelistische Netzwerk noch wirksam ist. Diese beiden Regionen sind mehrheitlich von Indígenas bewohnt. Die Indígena-Bewegung CONAIE zählt zu den klarsten Gegnern neoliberaler Politik und hat sich darüber mit Correa überworfen. Dennoch hat ein größerer Teil ihrer Basis und der evangelikalen Strömungen der Indígenas für den neoliberalen Rechtspopulisten Gutierrez gestimmt.

Die Auszählung der Stimmen verlief chaotisch. Der Oberste Wahlrat war mit den gleichzeitig stattfindenden Wahlen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene völlig überlastet und konnte nicht die gesetzlichen Vorgaben einhalten, innerhalb von zehn Tagen die Ergebnisse zu präsentieren. Diese Verzögerung führte in verschiedenen Städten zu teils gewalttätigen Ausschreitungen. Zwei Wochen nach den Wahlen gab der Nationale Wahlrat bekannt, dass das Endergebnis erst am 21. Mai feststehen wird.
Zwar gewaltlos, aber politisch nicht weniger schmerzhaft verlief der Konflikt in Cotacachi, einer mehrheitlich von Indígenas bewohnten Stadt nördlich von Quito, die als Paradebeispiel alternativer Sozial- und Wirtschaftspolitik Entwicklungsgelder aus Ländern von Kuba bis Deutschland an sich zog. Der langjährige Bürgermeister Auki Tituana musste erleben, dass die größte Basisorganisation der Indígenas ihm – als Quittung für zunehmend selbstherrliches Auftreten – die Unterstützung entzog und mit einem eigenen Kandidaten die Wahlen gewann.

Der 26. April war als historischer Schnitt in der „Bürgerrevolution“ Correas präsentiert worden. Während in den ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft der eigene Machtausbau im Vordergrund stand, sollen nunmehr die strukturellen Veränderungen hin zum neuen Staat sichtbar werden. Correa sprach am Wahlabend davon, seinen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts vertiefen“ zu wollen. Was in erster Linie heißen soll, den Zugang der Armen zu Gesundheit und Bildung zu verbessern, wofür die Staats- und insbesondere die Steuereinnahmen erhöht werden müssten; in Zeiten der Krise kein einfaches Ziel. Die Ankündigung, unter staatlicher Kontrolle stehende Ländereien an landlose Bauern als eine Art kleine Landreform zu übergeben, könnte in Richtung stärkerer struktureller Reformen weisen.

Ebenso dringend wäre, das heterogene Regierungsbündnis „Alianza País“, das Correa anlässlich seiner ersten Präsidentschaftswahl ins Leben gerufen hatte, in eine Partei mit demokratischen Strukturen zu überführen. Die Allianz dürfte im neuen Parlament über eine relative Mehrheit von 60 der 124 Sitze verfügen.
Bleibt letztlich die Frage, ob sich Correa auf eine stärkere soziale und politische Mobilisierung oder lieber auf eine Packelei mit der Rechten einlassen will, die ihre Position in Gestalt der konservativen christlich-sozialen Partei PSC und dem wieder gewählten Bürgermeister Nebot vor allem in der Küstenmetropole Guayaquil ausbauen konnte. Die organisierte Linke und die Indígena-Bewegung scheinen demgegenüber geschwächt aus diesen Wahlen hervorzugehen.

Frank Braßel arbeitet für den deutschen Evangelischen Entwicklungsdienst EED im unabhängigen Agrarforschungszentrum SIPAE (www.sipae.com) in Quito/Ecuador.

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