Expertinnen und Dilettanten

Von Irmgard Kirchner · · 2009/03

Arbeitsteilung hin, Spezialisierung her: Ums Mitdenken und Mitentscheiden kommen wir nicht herum.

Die Elite, die die schlimmste Krise seit Jahrzehnten verursacht hat, ist karriere-und profitgeil, ihre Ausbildung weist gravierende Mängel in den Bereichen Theorie und historisches Bewusstsein auf. Dies erklärte kürzlich ein Ökonomie-Professor im Interview mit der Tageszeitung „der Standard“.
In der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise nur einer von zahllosen Belegen dafür, über wie wenig Wissen für eine sinnvolle und verantwortliche Steuerung so genannte Finanz-ExpertInnen verfügen. ExpertInnen, denen man fast bedingungslos das Feld überlassen hat, Entscheidungen zu treffen und Risiken zu bewerten. Neben internationaler Wirtschaft, Finanzmärkten oder auch internationaler Politik gibt es viele Bereiche, die unkritisch an ExpertInnen delegiert werden; in denen der Glaube kultiviert wird, nur eine Schar auserwählter Eingeweihter verfüge über das Wissen und die Expertise, gestalten und entscheiden zu können.

Historisch betrachtet ist Arbeitsteilung Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt. Wenn nicht mehr alle in einer Gesellschaft dasselbe tun, ist Spezialisierung und Meisterschaft in einzelnen Bereichen möglich. In der Arbeitsteilung liegt aber auch eine Wurzel für Ungleichheit, Entmündigung und Entfremdung, werden damit doch auch Ausschluss, ungleiche Löhne und mangelnde Demokratie legitimiert. Eine übersteigerte ExpertInnen-Gläubigkeit schließt schon von vornherein einen Großteil der Menschen von diesem ExpertInnentum aus.
Keinesfalls möchte ich stattdessen eine Art Universal-Dilettantismus befürworten. Doch wir gehen mit unserer Arbeitsteilung zu unkritisch um. Da gibt es Bereiche, in denen jeder eine Expertin oder ein Experte ist, oder zu sein glaubt. Man denke nur an die Kunst oder die boomenden Heimwerkermärkte. Im Journalismus macht man den Profis ihr Expertentum im so genannten Bürger-Journalismus streitig. Ein zweischneidiges Schwert. Ich würde zum Beispiel auch nicht gerne mit einem Bürgerpiloten fliegen oder von einer Bürgerchirurgin operiert werden.
Bei aller Spezialisierung und allem hoch ausgebildeten ExpertInnentum ist es notwendig, regelmäßig die gesellschaftliche Frage zu stellen: Was lasse ich wen für mich tun, wie viel Verantwortung übernehme ich selbst, wie viel trete ich ab? Wie viel Gestaltungsmöglichkeit nehme ich mir heraus?

Auch die Entwicklungszusammenarbeit und -politik entwickelt sich immer stärker zu einem Arbeitsfeld für ExpertInnen. Solidarität, die dafür unverzichtbare grundlegende Haltung, lernt man allerdings nicht unbedingt in hoch spezialisierten Ausbildungen. Sie kann durch intensive Bildungs- und Informationsarbeit für alle entstehen. Bildung und Information befähigen generell auch wieder mehr Menschen dazu, sich mit dem, was ExpertInnen tun, kritisch auseinanderzusetzen. ExpertInnen zum Wohle der Gemeinschaft arbeiten zu lassen steht dazu nicht im Widerspruch.

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