Fäden knüpfen, Netze spinnen

Von Christina Buder · · 2001/04

Frauen werden früh dazu erzogen, Fäden zu knüpfen und Netze zu spinnen. Auch im übertragenen Sinn. Heute wird diese Fertigkeit von der internationalen Frauenbewegung im Kampf gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit erfolgreich genutzt.

Als eine meiner Kolleginnen im Herbst 1995 von der 4. Weltfrauenkonferenz zurückkehrte, strahlten ihre Augen, und sie war voller Tatendrang. Es schien, als ob sich die Energie der 30.000 Frauen, die sich zur bisher größten Versammlung von Aktivistinnen aus allen Ländern der Erde in Peking versammelt hatten, auf sie übertragen hätte. Meine Kollegin hatte persönlich erfahren können, dass in aller Welt Frauen um ihre Rechte kämpfen. Gemeinsam formulierte man in der Aktionsplattform Forderungen als Sukkus der verschiedenen Ansätze. Die persönlichen Gespräche mit Frauen unterschiedlichster ethnischer, ökonomischer, sozialer und religiöser Herkunft inspirierten nicht nur sie. Solche Konferenzen eignen sich nicht nur ideal für internationales Lobbying, es werden auch Netze gesponnen, die Frauen in ihrem alltäglichen Kampf um Gleichberechtigung nutzen können.

Der lange Prozess der UN-Weltfrauenkonferenzen, der 1975 in Mexiko begann und eine Stärkung der Frauenbewegungen in allen Ländern der Welt widerspiegelt, führte dazu, dass Frauen erkannten, dass sie mehr eint als trennt – zumindest partiell. Probleme wie Gewalt gegen Frauen, Ausbeutung der Frauenarbeit und politische Benachteiligung betreffen Frauen in aller Welt – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Zudem fordern die ökonomische, politische und kulturelle Globalisierung sowie grenzenüberschreitende Probleme wie Umweltzerstörung, Krieg und Armut zunehmend auch eine Globalisierung von unten. Ohne internationale Vernetzung im Kampf gegen Frauenunterdrückung können Frauen den zunehmend undurchsichtiger werdenden globalen Machtstrukturen wenig entgegen halten.

Internationale Vernetzungsleistungen weisen heute eine Vielfalt von Ansätzen auf. In der Bibliothek und Dokumentationsstelle ”Frauen und Dritte Welt“ des Vereins Frauensolidarität in Wien kann frau sich informieren. Zeitschriften und Newsletter aus aller Welt geben – meist in Englisch oder auch Spanisch – über den Stand der Entwicklungen Auskunft:

lIm lateinamerikanischen Netzwerk gegen Gewalt gegen Frauen tauschen Kolumbianerinnen mit Chileninnen ihre Erfahrungen bei der Durchsetzung von Gewaltschutzmaßnahmen aus.

lIm Bereich reproduktive Rechte verbreitet ein internationaler Newsletter mit Redaktion in Amsterdam die neueste Studie aus Indien über negative Auswirkungen der Dreimonatsspritze, ein Verhütungsmittel gegen das Frauen weltweit mobilisieren.

lDas Inter-African-Committee against Traditional Harmful Practices informiert seine Mitgliedsorganisationen über mögliche Finanzierungsquellen für Aufklärungskampagnen gegen Genitalverstümmelung.

lÜber Internet wird gemeldet, dass im Irak gerade Dutzende Prostituierte hingerichtet werden sollen. Die vorläufige Einstellung der Hinrichtungen ist das Ergebnis des internationalen Aufschreis und der massenhaften Protestschreiben, die Frauen in aller Welt organisiert haben.

Netzwerken könnte man durchaus als ”weibliche Angelegenheit“ sehen. Am Anfang stand das Fäden spinnen, das Weben und das Beziehungen knüpfen. Als historisch machtloses Geschlecht waren Frauen immer auch dazu gezwungen, dem linearen Männerdenken ein vernetztes Frauendenken und Handeln entgegenzusetzen. Vernetzen ist widerständisches Handeln, denn es umgeht herrschende Strukturen, und das Verbinden von losen Strängen hebt Isolation auf und stärkt so die Verbundenen.

Vernetzen bedeutet auch, knappe Ressourcen effizient zu nützen. In Zeiten der Informationsgesellschaft bedeutet das besonders, auf Wissen von anderen Frauen zurückgreifen zu können und eigenes Handeln in Bezug zu setzen zu dem, was Frauen anderswo auf der Welt bereits erarbeitet haben. So ist es nicht verwunderlich, dass feministische Informationsnetzwerke wie ISIS International, das International Women’s Tribune Center oder fempress zentrale Stützen der internationalen Frauenbewegung geworden sind.

Informationsverbreitung ist überhaupt die Basis für länderübergreifendes solidarisches Agieren und ist besonders zur Durchsetzung von Frauenrechten von fundamentaler Bedeutung. Vernetzung bedeutet vor allem aber auch Kommunikation unter Frauen unterschiedlichster Herkunft. Das Verknüpfen verschiedenster Blickwinkel auf ein Problem bereichert alle Beteiligten, es ermöglicht neue Zugänge und eröffnet bisher vernachlässigte Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven fernab eingetretener Pfade.

Ein Beispiel ist die Clean Clothes Kampagne für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie. Sie stellt ein multidimensionales Netzwerk dar, das versucht, gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung für Arbeiterinnen in den Weltmarktfabriken Widerstand zu leisten. Die enge Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeiterinnenbewegungen in Zentralamerika und Südostasien soll sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Frauen vor Ort im Mittelpunkt der Kampagne stehen und nicht die Sichtweise der Solidaritätsbewegung im Norden.

Durch Kooperation mit kirchlichen, gewerkschaftlichen und entwicklungspolitischen Organisationen gelingt es, eine breitere Öffentlichkeit zu mobilisieren als es etwa einem feministischen Verein alleine gelingen würde. Die unterschiedlichen Ansätze der Beteiligten bereichern die Diskussion und erweitern den Handlungsspielraum.

Vernetzung verdeutlicht die Zusammenhänge der Verhältnisse in Nord und Süd. Wenn die Arbeiterinnen in den Weltmarktfabriken El Salvadors gegen die ungerechtfertigte Entlassung einer Kollegin demonstrieren, einige Stunden später Hunderte Mails als ”Urgent Actions“ beim Firmensitz in Korea eintreffen und auf der Wiener Mariahilfer Straße ein Aktionstag gegen die Ausbeutung in den Zulieferbetrieben der multinationalen Handelskonzerne abgehalten wird, agieren AktivistInnen in aller Welt auf unterschiedlichste Weise und ziehen dennoch am selben Strang.

Die Arbeit an Netzwerken und der persönliche Kontakt mit Gleichgesinnten in aller Welt ist sehr motivierend und bereichernd. Aber nicht alle Frauen der Welt haben diese Möglichkeit. Vernetzung begünstigt die effiziente Nutzung limitierter Ressourcen, dennoch gibt es auch hier ausgeschlossene Gruppen.

Das Konferenzlobbying etwa ist mittlerweile zu einer hoch spezialisierten, elitären Angelegenheit geworden, die auf westliche Finanzierung, Zugang zu den neuen Informationstechnologien und hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen angewiesen ist und manchmal auch die Basisfrauen aus dem Blickfeld verliert. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede in der Herangehensweise und letztlich auch die Auswahl der Prioritäten sind Barrieren für eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.

Die Kooperation zu vieler, zu unterschiedlicher Frauen kann Veränderungsprozesse auch verlangsamen und zu einer mühevollen Angelegenheit werden lassen. Die Globalisierung von unten muss mit ihren Kräften haushalten, und der Slogan ”Global denken! Lokal handeln!“ gewinnt einmal mehr an Bedeutung.

Christina Buder ist Mitarbeiterin des Vereins Frauensolidarität in Wien.

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