Gebrochene Versprechen

Von Jürgen Vogt · · 2013/10

Ecuadors Präsident Rafael Correa verkündete das Ende des einzigartigen Naturschutzprojektes Yasuní. Im Land regt sich Widerstand.

Es ist ein weltweit einzigartiges Vorhaben: Die im Amazonasgebiet Yasuní in Ecuador vermuteten Ölreserven von rund 900 Millionen Fass sollen unangetastet im Boden bleiben, um Mensch und Natur zu schonen. Dafür soll die internationale Gemeinschaft die Hälfte des geschätzten Exportwertes von sieben Milliarden Euro in einen Treuhandfonds der UNO einzahlen. Die Initiative Ishpingo-Tambococha-Tiputini, kurz ITT, bezieht sich zwar nur auf einen kleinen Teil der Yasuní-Region, dennoch werden hier rund 20 Prozent der Ölreserven des Landes vermutet.

Yasuní ist eines der artenreichsten Gebiete der Erde. Neben den verschiedenen Pflanzen- und Baumarten sind es vor allem Amphibien, Frösche, Kröten und Schlangen, die den biologischen Reichtum ausmachen. Das Gebiet wurde 1979 großteils zum Nationalpark erklärt, 1989 zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Mitte August verkündete Ecuadors Präsident Rafael Correa das Ende der ITT-Initiative in der Yasuní-Region. „Mit tiefer Traurigkeit, aber aus Verantwortung gegenüber unserem Volk und unserer Geschichte muss ich eine der härtesten Entscheidungen meiner Amtszeit treffen“, sagte Correa und schob den Schwarzen Peter für das Scheitern ausschließlich der internationalen Gemeinschaft zu. „Die Welt hat uns im Stich gelassen“, sagte Correa. Er selbst hatte die Initiative im Jahr 2007 verkündet. Sechs Jahre später waren ihm zufolge statt 3,5 Milliarden lediglich 9,7 Millionen Euro eingegangen.

Nun geht es um die Zustimmung des Parlaments. Nach der Verfassung von 2008 ist die Ausbeutung von nichterneuerbaren Ressourcen in Schutzzonen oder in Zonen, die als unberührbar erklärt sind, verboten. Es sei denn, das Parlament erklärt das Vorhaben zum „nationalen Interesse“. Die parlamentarische Zustimmung ist reine Formsache – von den 135 Abgeordneten gehören 100 Correas Partei Alianza País an.

Insgesamt sollen 360 Bohrlöcher angelegt werden. Die Vorkommen werden auf rund 900 Millionen Fass geschätzt, von denen 90 Prozent bis zum Jahr 2037 ausgebeutet sein sollen. Die Investitionen werden auf knapp 5,6 Milliarden Dollar geschätzt. Einmal richtig angelaufen, sollen der Staatskasse jährlich knapp 42 Millionen Dollar zufließen, nach Abzug der Investitions- sowie laufenden Kosten.

Der Bericht, den Correa dem Parlament vorlegte, beschreibt die Auswirkungen auf den Park als minimal. „Die Zonen, die im Nationalpark Yasuní liegen und in die zur Durchführung des Vorhabens eingegriffen wird, machen nicht mehr als 200 Hektar aus, das sind 0,2 Promille des ganzen Yasuní“, heißt es dort.

Doch Correa bekommt auch Gegenwind zu spüren. UmweltschützerInnen und indigene Gruppen unternahmen unmittelbar nach Absage des Präsidenten an die Initiative die ersten Schritte für ein Referendum. Eine sogenannte Consulta Popular ist gemäß Verfassung möglich, wenn es um die Ausbeutung nicht erneuerbarer Rohstoffe in einer Schutzzone geht.

Der Zeitplan wäre nun wie folgt: Hat das Verfassungsgericht einmal entschieden, die Frage zuzulassen, müssen die Initiatoren innerhalb von 180 Tagen die Unterschriften von mindestens fünf Prozent der Wahlberechtigten, das sind 596.446 einreichen. Der Nationale Wahlrat muss bei Gültigkeit innerhalb von 60 Tagen eine Volksabstimmung durchführen. Deren Resultat ist verbindlich.

„Die Regierung hat sich verkalkuliert. Die Mobilisierung für die Consulta wird sehr stark sein“, kommentiert der ecuadorianische Ökonom Pablo Dávalos. Dem Präsidenten drohe eine Schlappe. Vor allem die junge Generation fühle sich von Correa zunehmend manipuliert und getäuscht. Dass sich Correa gegen die Initiative entschieden hat, erklärt Dávalos mit der Arroganz der Macht seit dem letzten Wahlsieg im Februar. Aber auch handfeste ökonomische Gründe könnten eine Rolle gespielt haben. Die Lage im Land ist alles andere als rosig. Zwar liegt die offizielle Arbeitslosenquote bei nur fünf Prozent, gleichzeitig ist mehr als die Hälfte der Erwerbsfähigen unterbeschäftigt. „25 Prozent der Bevölkerung gelten als arm und die Zahl geht seit Jahren nicht zurück“, so Dávalos.

Correas Popularität speist sich vor allem aus seiner staatlichen Ausgabenpolitik. Nie zuvor verfügte ein Präsident über so viel Geld. Ein Grund ist der hohe Ölpreis. Selbst die internationale Finanzkrise von 2008 überstand das Land dank der immensen Nachfrage aus China und Indien relativ schadlos. 2012 betrug die Erd-öl-förderung knapp 185 Millionen Barrel, von denen rund 130 exportiert wurden. Der Ölexport machte 2012 knapp 58 Prozent der gesamten Ausfuhren aus. Die Gefahr besteht, dass die Konzentration auf das Geschäft mit dem Öl Abhängigkeit erzeugt, was zur Achillesferse Ecuadors werden könnte. Correa jedenfalls setzt auf die weitere Ausbeutung von Bodenschätzen. Das Referendum kommt daher ungelegen.

Politische BeobachterInnen halten zwei Szenarien für denkbar. Nachdem Wahlrat und Verfassungsgericht unter Correas Kontrolle sind, könnte er die Consulta gänzlich aushebeln. Sollte ihm der politische Preis dafür zu hoch sein, könnte er die Referendums-Frage derart erweitern, dass ein einfaches Ja oder Nein nicht möglich ist.

Jürgen Vogt ist Politologe und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer für die Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires.

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