Getanzte Bildung

Von Stefan Kerl · · 1999/06

Die ugandische Ndere Troupe vereint Kunst mit Bildungsarbeit. Sie gastierte Anfang Mai in Wien.

„Hier in Österreich sitzt das Publikum während der ganzen Vorstellung ruhig da und beginnt am Ende, wie eine Gruppe von Robotern zu klatschen. In Uganda dauert ein Stück, das für 45 Minuten geplant ist, drei Stunden. Die Zuschauer bringen sich ein, übernehmen Rollen. Es werden Fragen gestellt und beantwortet“, erzählt Stephen Rwangyezi, Leiter der ugandischen Ndere Troupe anläßlich einiger Gastauftritte des Ensembles in Österreich Anfang Mai.

Die 20 Frauen und 29 Männer der Tanz-, Schauspiel- und Gesangstruppe kommen aus fast allen Teilen Ugandas. In ihrer Arbeit versuchen sie, die enorme kulturelle Vielfalt des Landes zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Das zeigt sich auch in der Namensgebung. „Ndere“ heißt Flöte, – eines der vielfältigsten Instrumente – das in der ganzen Welt zu finden ist.

„Serve to develop a people and a nation“ ist das Motto, nach dem die Ndere Troupe den Menschen in Uganda ein neues Selbstwertgefühl vermitteln willen. Ihr erklärtes Ziel ist es, die traditionellen Theater-, Tanz- und Musikformen Ugandas zu pflegen und weiterzuentwickeln. Ihr „Entwicklungstheater“ betrachten sie als eine solche Weiterentwicklung.

Rwangyezi: „Das, was gemeinhin als traditionelles Theater verstanden wird, ist ein Konzept des Westens – Theater um des Theaters will, um der Kunst willen – unsere Stücke aber werden gespielt, um ein spezielles Problem an einem speziellen Ort anzusprechen. Am Ende des Stückes gibt es eine Art Lösung, eine Antwort auf das offene Problem.“

Die Ndere Troupe beschäftigt sich in ihren atemberaubenden und fesselnden Performances mit einem breiten Themenspektrum das von Aids über Landwirtschaft und Umweltschutz bis zu Korruption und Frauenemanzipation reicht.

In Uganda zählen Musik, Tanz und Theater zu den effizientesten Formen der Bildungsarbeit. Die Aufführungen finden im Freien statt, auf der Wiese eines Dorfes, auf einem Feld, bei freiem Eintritt inmitten von fünf- bis zehntausend ZuseherInnen. Und dabei hat die Troupe schon manchmal Probleme mit der „Gedrängekontrolle“; weil das Publikum immer näher kommt um zu hören, zu sehen und mitzumachen.

Dieses Problem wurde kürzlich durch den Ankauf einer Tonanlage, finanziert aus Geldern der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, entschärft.

Die Ndere Troupe ist das erste Kulturprojekt der österreichischen EZA in Afrika. Neben der genannten Anlage konnten mit österreichischem Geld zwei Fahrzeuge und eine mobile Bühne gekauft werden. In den nächsten zwei Jahren wird mit fast 10 Millionen Schilling ein Kulturzentrum mit Unterrichts- und Unterbringungsmöglichkeiten für Ndere Troupe und andere Gruppen eingerichtet.

Dieses „Dorf der Kulturen“ soll ein Ort des Kulturaustausches werden, als Ausbildungstätte von lokalen Theatergruppen dienen, aber auch ein Informationsplatz für Interessierte z.B. durch eine umfassende Bibliothek und Videothek sein.

Die Schwerpunkte der Arbeit liegen in der Förderung von talentierten, aber unterprivilegierten Jugendlichen durch die Aufnahme in die Ndere Troupe; weiters in der Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen NROs und in der Erarbeitung von neuen Stücken zur Sensibilisierung und Motivierung der Dorfbevölkerung.

Ndere Troupe ist es seit ihrer Gründung 1986 gelungen, 900 Theatergruppen in 30 der 40 Verwaltungsbezirke Ugandas zu initiieren und damit einen Großteil der Bevölkerung zu erreichen. Die Ausbildung dieser lokalen Gruppen, die in der Vereinigung der Entwicklungstheater Ugandas (UDTA) zusammengefaßt sind, sieht die Ndere Troupe neben ihren eigenen Produktionen als wesentlichste Aufgabe. Denn, so Rwangyezi ,“so haben wir schon immer Informationen weitergegeben – durch Musik, Tanz und Theater.“

Der Autor leitet die Regionalstelle Wien der Südwind-Agentur.

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