Goldene Zukunft für wen?

Von Eva Lachkovics · · 2002/07

Die Gentechnologie hat der Mangelernährung den Kampf angesagt. Ein Reis wurde geschaffen, der arme Menschen vor Blindheit bewahren soll, deren Ursache im Vitamin A-Mangel liegt. Aber ist es das, was diese Menschen wirklich brauchen?

Ein Forschungsteam an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich unter der Leitung von Ingo Potrykus hat einen genmanipulierten (GM) Reis entwickelt, der in dem Teil, der nach dem Polieren übrig bleibt, Provitamin A (ß-Karotin) und Eisen enthält. Wegen seiner goldgelben Farbe wurde er Golden Rice genannt. Normaler Reis enthält Provitamin A in der Außenschicht, die beim Polieren zu Abfall wird.
Mehrere Gene aus verschiedenen Organismen wurden in etwa zehnjähriger Forschungsarbeit in den Reis eingebaut. Das hat bereits ca. 100 Millionen US-Dollar verschlungen. Nun soll noch bis 2003 eine Adaptierung erfolgen, damit der Reis in Südostasien angebaut werden kann..
Die Rockefeller Foundation, das EU Biotechnologieprogramm, das Schweizer Institut für Bildung und Wissenschaft und die ETH finanzierten das Projekt. Der daraus resultierende Reis sollte in der öffentlichen Hand bleiben und den Armen in den Reisgegenden der Welt zugute kommen. Trotzdem verkaufte das Forschungsteam 2000 die kommerziellen Rechte am Golden Rice an AstraZeneca (heute Teil des weltgrößten Agrokonzerns Syngenta). Das Saatgut wird an Bauern und Bäuerinnen verkauft werden, nur arme Bauernfamilien im Süden mit einem jährlichen Einkommen unter 10.000 US-Dollar sollen es gratis erhalten. Wie sollen die Bauern und Bäuerinnen aber die zusätzlich notwendigen Agroinputs auf Dauer finanzieren? Was ist mit landlosen Menschen?

Vitamin A-Mangel ist ein Problem sehr einseitiger und/oder unzureichender Ernährung und kommt natürlich auch dort vor, wo sich Menschen fast ausschließlich von Reis ernähren müssen. Dabei tritt nicht nur Vitamin A-Mangel auf, sondern ebenso u.a. Mangel an Vitamin C und D, Folsäure, Riboflavin, Calcium, Selen, Eisen, Jod und Zink. Die Provitamin A-Aufnahme hängt vom Ernährungszustand ab. So ist etwa Fett, das bei den Armen der Reisgegenden rar ist, dazu notwendig. Auch Zinkmangel kann durch Störung des Vitamin A-Stoffwechsels zu Vitamin A-Mangel führen, selbst wenn Provitamin A vorhanden ist.
Die Grüne Revolution, die in den sechziger Jahren begann, erhöhte zwar in Asien insgesamt die Produktion von Weizen und Reis, trug aber viel zur Verschlechterung der Ernährung der Armen bei. Die vielseitige und höhere Produktivität der kleinbäuerlichen gemischten Anbauweise blieb auf der Strecke.
Es ist also nicht die Knappheit an hochwertigen Nahrungsmitteln an sich oder die Unmöglichkeit, solche zu produzieren, die Hunger und Mangelernährung verursacht. Vielmehr sind die Ursachen in der Armut und Landlosigkeit vieler Familien, in der industriellen Landwirtschaft und der Abnahme der agrobiologischen Vielfalt zu suchen. Genmanipulierter Reis ist wie die Hochleistungssorten der Grünen Revolution auf Monokulturen, chemische Inputs und Bewässerung angewiesen und wird daher die damit verbundenen Probleme der Grünen Revolution, die die genannten Ursachen vorangetrieben haben, reproduzieren. Golden Rice lässt zudem weitere Probleme erwarten.

Die pflanzengenetische Vielfalt ist die Grundlage für das Wirtschaften der Kleinbauernfamilien und ihre ausgewogene Ernährung. Diverse Studien und Erkenntnisse der letzten Zeit weisen mit Nachdruck auf die Gefährdung dieser Vielfalt durch genmanipulierte Pflanzen hin. Die inhärente Instabilität transgener DNA und Pollenflug machen Kontamination der Pflanzen in der Umgebung nicht nur möglich, sondern äußerst wahrscheinlich. Eines der Zentren der genetischen Maisvielfalt in Mexiko ist laut Forschungsberichten bereits kontaminiert.
Golden Rice würde gegen den dringenden Rat vieler WissenschaftlerInnen im Zentrum der Reisvielfalt in Südostasien angebaut werden. Mit Sicherheit ist dann mit einer Kontamination der noch vorhandenen vielfältigen Reissorten zu rechnen, einem nicht wieder gut zu machenden Schaden an der Grundlage für weitere Reiszüchtungen. IRRIs Genbank bei Manila mit der weltgrößten Sammlung an Reissorten ist dann ebenso wie derzeit die Maisgenbank in Mexiko gefährdet.
Allergien können zum Problem werden, etwa im Zusammenhang mit Genen der Narzisse. Golden Rice enthält zwei Narzissengene.
Es sind also die kleinbäuerlichen Anbauweisen, die Wege für die Ernährungssicherung aufzeigen. Frauen spielten traditionell eine wesentliche Rolle für die Versorgung der Familien mit ausgewogener Nahrung durch Mischbau und Gemüseanbau in Gärten. Die Grüne Revolution hat sie aus diesen Rollen verdrängt. Nun haben neue Hausgartenprojekte mit Frauen in Thailand und Bangladesch eindrucksvolle Ergebnisse mit einer Fülle von verschiedenen nahrhaften Gemüsearten und Obst erzielt, selbst in den kleinsten Gärten. Je vielfältiger die Nahrung war, um so besser die Provitamin A-Aufnahme und der Gesundheitszustand der Familien.

Schon täglich 200 Gramm grünes Blattgemüse können den Provitamin A-Bedarf eines erwachsenen Menschen decken. Hingegen könnte Golden Rice Schätzungen zufolge nur etwas mehr als 20% dieses Bedarfs decken, von den anderen Mängeln ganz zu schweigen. Warum also nur einen winzigen Teil eines Problemkomplexes mit hohem Aufwand, vielen negativen Auswirkungen und Risiken in Angriff nehmen, wenn das gesamte Problem eigentlich relativ leicht zu lösen wäre?
Dazu gehört auch, den Frauen Asiens ihren angestammten Einfluss in der Nahrungsproduktion zurückzugeben und auf ihrem traditionellen Wissen über Pflanzen und Ernährung aufzubauen.
Golden Rice bietet statt dessen eine vorübergehende punktuelle Lösung für ein Symptom einer komplexen Problematik und fördert die Abhängigkeit von der Industrie.


Weitere Information zum Thema:

GRAIN, Genmanipulation gegen Unterernährung, in: Gertrude Klaffenböck, Eva Lachkovics, Südwind Agentur (Hrsg.), Biologische Vielfalt – Wer kontrolliert die globalen genetischen Ressourcen?, 294 Seiten, 2 21,15. Brandes & Apsel/Südwind, Frankfurt/M. 2001
Potrykus I., The Golden Rice Tale, 23 Oct. 2000, http://agbioview.listbot.com


Ein umkämpftes Terrain

Reis ist ein von der Wissenschaft heiß umkämpftes Terrain. Die Stoffwechselprozesse bei der Reispflanze sind viel komplizierter als jene bei Soja, Mais oder Raps. Die Firma Syngenta hat bereits 2001 das Reisgenom entschlüsselt, diese Information aber nicht öffentlich gemacht, was sicher kommerzielle Gründe hat. WissenschaftlerInnen haben dagegen protestiert, weil sie überzeugt sind, dass dieses Vorgehen die Forschung behindert. Im April d. J. meldeten chinesische und amerikanische Wissenschaftler die vollständige Entschlüsselung des Reisgenoms.
Bereits im Februar d. J. wurden Feldversuche mit Gen-Reis auf den Philippinen genehmigt. Viele Fachleute sehen es als äußerst problematisch an, genmanipulierten Reis in den Zentren der Reisvielfalt in Süd- und Südostasien freizusetzen.
Der nächste Schritt wird der großflächige Anbau gentechnisch veränderter Reissorten sein. Dabei geht es nicht primär um Ertragssteigerung, sondern im wesentlichen um zwei Veränderungen. Die erste Generation gentechnisch veränderter Pflanzen – wie es bei Soja, Raps, Baumwolle oder Mais schon der Fall ist – soll herbizidtoleranter und insektenresistenter werden. KritikerInnen bemängeln, dass damit der Einsatz von Agrochemie keinesfalls reduziert werden kann. Die zweite Generation von Gen-Reis, der so genannte Golden Rice, soll Vitamin A und Eisen im Korn gleich mitliefern. WissenschaftlerInnen rechnen damit, dass ab Mitte des Jahrzehnts der großflächige Anbau transgener Reissorten Realität sein wird. Die Gewinne, die einige Großkonzerne damit erzielen werden, dürften recht ordentlich sein.


Duftend und Lila

Die Reissorten des Fairen Handels sind auf FeinschmeckerInnen ausgerichtet.

Seit mehr als zehn Jahren vermarktet der Faire Handel Hom Mali-Reis aus Thailand. Dieser Duftreis, der hierzulande unter dem Namen Jasmin bekannt ist, braucht zur optimalen Entfaltung seines einzigartigen Aromas – das wie sein thailändischer Name besagt, an den zarten Duft frischer Jasminblüten erinnert – den trockenen Boden und das spezifische Klima der nordöstlichen Landesprovinzen. Wie Basmatireis ist auch Jasminreis ein Renner. Er wird vor allem für den Export angebaut. Sein Verkauf stellt für die meisten der fünf Millionen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die ihn produzieren, die einzige Verdienstquelle dar. Freilich verdienen vor allem die HändlerInnen an dieser wichtigen Exportware (25% der gesamten thailändischen Reisausfuhren).
Der faire Jasminreis stammt von vier Kleinbauerngruppen aus den nordöstlichen Provinzen Surin und Yasothom. Dank der Errichtung von Samenbanken ist es ihnen möglich, für den Erhalt lokaler Sorten zu sorgen sowie Reis zu lagern und ihn dann zu verkaufen, wenn die Preise am besten sind.
Seit kurzem steigen neue Reisbäuerinnen und Reisbauern in den Fairen Handel ein. Neuerdings wird auch eine lila Reismischung aus drei traditionellen lokalen Sorten vermarktet.

Eva Lachkovics, Biochemikerin, arbeitet freiberuflich und ist Mitglied der Arbeitsgruppe Biodiversität bei Women in Development Europe (WIDE) Österreich.

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