Hetze gegen Opponenten

Von Hans Brandt · · 2000/06

Simbabwes Präsident Robert Mugabe kämpft mit allen Mitteln um das politische Überleben, ohne Rücksicht auf Volk, Wirtschaft und Nachbarn.

Zu Hunderten werden sie gewaltsam zusammengetrieben, auf Lastwagen und Traktoren in zentrale Sammellager transportiert. Einpeitscher der Regierungspartei ZanuPF nehmen sich dort der „politischen Bildung“ der Farmarbeiter an. Marschieren und Joggen, Misshandlung und Schlafentzug gehören zu den gängigen Methoden. Und sie müssen singen und skandieren: „Nieder mit der MDC! Hoch lebe ZanuPF! Hoch lebe Mugabe!“ Wer aufmuckt, wird bewusstlos geprügelt. Wer die Polizei um Hilfe bittet, den ignorieren die Gesetzeshüter. So verläuft Wahlkampf in Simbabwe, noch bevor ein Wahldatum bekannt ist. Gewählt werden soll ein neues Parlament und Mugabe, der noch bis 2002 im Präsidentenamt ist, fürchtet um seine Macht. Das Parlament besteht fast nur aus ZanuPF.

Seit Ende letzten Jahres die „Bewegung für demokratischen Wandel“ (MDC) von Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen gegründet wurde, machen sich Präsident Robert Mugabe und die Seinen Sorgen um die Macht, die sie seit 20 Jahren haben. Um ihrer „Simbabwe Afrikanische Nationalunion – Patriotische Front“ (ZanuPF) noch einmal zum bisher selbstverständlichen Sieg zu verhelfen, setzen sie alles aufs Spiel, auch die Wirtschaft ihres Landes, die Sicherheit ihrer Bevölkerung und nicht zuletzt die Stabilität des gesamten südlichen Afrika.

Doch wirtschaftlicher Niedergang, Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent, Inflation von 70 Prozent und immer dreistere Korruption der Elite haben den Unmut in der Bevölkerung geschürt. MDC-Chef Morgan Tsvangirai schaffte es schon als Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes ZCTU Zehntausende Demonstranten gegen Mugabe auf die Straße zu bringen.

Wie ernst Mugabe die Bedrohung nimmt, zeigen die drastischen Methoden, mit denen er seine Macht zu retten versucht. Der 76-jährige Autokrat bemüht sich, die Emotionen des Befreiungskrieges der 70-iger Jahre wieder aufleben zu lassen. Damals kämpfte die schwarze Mehrheit erfolgreich gegen eine brutale weisse Minderheit, die die britische Kolonie Rhodesien in der Hand hatte. Jetzt spricht ZanuPF von der „Fortsetzung des Chimurenga“, des Befreiungskrieges.

Der Präsident und seine Minister machen mobil gegen die Weissen, gegen Grossbritannien, gegen jeden, der durch seine abweichende Meinung „die Errungenschaften der Revolution gefährdet“ – und schüren bewusst Gewalt.

Etwa 20 Menschenleben haben politisch motivierte Übergriffe bisher gekostet – und die heiße Phase des Wahlkampfes hat noch nicht begonnen. Alle Todesopfer starben, weil sie als Anhänger der Opposition galten. Tsvangirais Fahrer kam ums Leben, als eine Brandbombe in sein Fahrzeug geworfen wurde. Farmarbeiter, denen man Sympathien für die MDC nachsagte, wurden zu Tode geprügelt. Und auch die vier weissen Farmer, die ermordet wurden, waren offene politische Gegner der ZanuPF.

Didymus Mutasa, ZanuPF-Generalsekretär, zeigt keine Sympathie für die Ermordeten. „Wer sich dieser Volksbewegung widersetzt, muss damit rechnen, so zu enden“, sagte der enge Vertraute Mugabes in einem Hörfunkinterview. Die „Volksbewegung“, die Mutasa meint, ist die Besetzung von weit mehr als 1000 Farmen weisser Eigentümer durch ZanuPF-Anhänger.

Von spontaner „Bewegung“ kann hier allerdings nicht die Rede sein. Die brutalen Mobs, die wie Maos „Rote Brigaden“ das Land durchziehen, werden angeführt von so genannten Kriegsveteranen. Sie gehören zu den unbequemsten aber auch loyalsten Gefolgsleuten Mugabes – und geben zu, von der Partei Millionen bekommen zu haben, um „Wahlkampf zu machen“. Logistische Unterstützung erhalten die Veteranen vom Militär, das Transportmittel und Soldaten in Zivil zur Verfügung stellt. Auch an Schusswaffen mangelt es den Stosstrupps nicht. Zusätzlich aufgefüllt werden ihre Ränge durch arbeitslose Jugendliche, denen die Partei Tagegelder zahlt.

Das Oberste Gericht hat die Farmbesetzungen mehrfach für illegal erklärt und die Polizei aufgefordert, die Besetzer zu verjagen. Nichts ist passiert, denn Mugabe stellt sich über die Gerichte und gibt den Veteranen Rückendeckung.

Der Präsident will die ungerechte Landverteilung in Simbabwe zum zentralen Wahlthema machen. „Die Weissen und die Briten haben eine Landreform immer wieder blockiert“, schimpft der Präsident. „Jetzt werden wir uns nehmen, was dem Volk vor hundert Jahren gestohlen wurde – koste es, was es wolle.“

Tatsächlich ist das Land äußerst ungerecht verteilt. Weisse, die weniger als ein Prozent der Bevölkerung von zwölf Millionen ausmachen, besitzen mehr als die Hälfte des fruchtbarsten Bodens. Hunderttausende arme schwarze Kleinbauern überleben indessen eher schlecht als recht auf kleinen, weniger fruchbaren Parzellen in so genannten „kommunalen Gebieten“.

Diese ländlichen Wähler waren immer die wichtigste Stütze der Regierungspartei. ZanuPF kalkuliert jetzt, dass das Versprechen, ihnen Land zu geben, sie wieder für die „Revolution“ gewinnen kann.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist noch unsicher. Denn Mugabe selbst hat verschiedene Ansätze zur Landreform versanden lassen. Auch auf dem Land, wo die staatlich kontrollierten elektronischen Medien meist die einzige Informationsquelle sind, wissen viele Menschen, dass sich die Parteibonzen Tausende Hektar Staatsland selbst unter den Nagel gerissen haben. Tsvangirai äußert zudem Zweifel, ob das Thema Land heute noch so wichtig ist wie vor 20 Jahren. „Die jungen Wähler wollen kein Land, sie wollen Jobs“, sagt der MDC-Chef.

Um wirklich eine Landreform durchführen zu können, braucht Simbabwe internationale Hilfe. Sogar inmitten der derzeitigen Krise bieten die Briten solche Hilfe an als Teil weltweiter Bemühungen, die Lage zu entschärfen. „Die Landfrage muss entpolitisiert werden“, fordert auch UN-Generalsekretär Kofi Annan, der in dem Disput zwischen Mugabe, den Briten und den weissen Farmern vermitteln möchte. „Es muss eine Landreform geben, aber sie muss legal durchgeführt werden“, betonte Annan.

Auch das Commonwealth, die Gruppe der ehemaligen britischen Kolonien, macht Druck auf Simbabwes Regierung. Commonwealth-Generalsekretär Don McKinnon flog persönlich nach Afrika, um Mugabe zu treffen. Offiziell ging es vor allem um die kommenden Parlamentswahlen, für die McKinnon den ehemaligen Regierungchef Nigerias, General Abdussalam Abubakar als obersten Wahlbeobachter der Staatengemeinschaft ernannte.

Eine zentrale Rolle im diplomatischen Geflecht der Kräfte, die den starrköpfigen Mugabe zum Einlenken bringen sollen, spielt Südafrikas Präsident Thabo Mbeki. Er hat sich absichtlich mit Kritik an Mugabe zurückgehalten, um den Kommunikationskanal zu Mugabe offen zu halten. Bisher hat Mbeki allerdings wenig erkennbaren Erfolg gehabt. Immerhin haben jedoch sein Vorgänger Nelson Mandela oder andere Staatschefs des südlichen Afrikas deutliche Worte an Mugabe gerichtet. „Das Volk sollte Tyrannen von der Macht entfernen“, forderte Mandela und machte klar, dass er damit den Herrscher in Simbabwe meinte.

Ob das Volk in Simbabwe dazu eine demokratische Gelegenheit haben wird, bleibt noch offen. Weder eine Entschärfung und Entpolitisierung der Landkrise noch ein friedlicher und fairer Wahlkampf unter internationaler Beobachtung liegen im Interesse von ZanuPF. Deshalb verspricht Mugabe zwar, dass die Gewalttaten auf den Farmen aufhören sollen und ruft seine Anhänger öffentlich zur Mäßigung auf. Tatsächlich dauert die Einschüchterung jedoch an. Mehrere tausend Fälle protokollierte die MDC bis Mitte Mai. Die Opposition will trotz aller Provokation an der Wahl teilnehmen.

Den Vorschlag eines Wahlboykotts lehnte Tsvangirai ab. Auch einer der misshandelten Farmarbeiter meinte, dass eine wirklich geheime, von zuverlässigen Boebachtern überwachte Wahl für Mugabe das Ende bedeuten könnte. „Sie können uns misshandeln und uns ZanuPF T-Shirts überziehen“, sagte der Arbeiter. „Aber sie können nicht in unsere Herzen sehen.“

Hans Brandt ist Afrika-Korrespondent mehrerer deutschsprachiger Medien, mit Sitz in Johannesburg.

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