Kein Auslaufmodell

Von Irmgard Kirchner · · 2004/07

Die elfte UNCTAD-Konferenz fand ohne Erregung und medial wenig beachtet Mitte Juni im brasilianischen São Paulo statt. Ihr Potenzial wird unterschätzt.

UNCTAD? Das ist ungefähr so weit weg wie U Thant. Oder vielleicht doch nicht ganz? Zur Erinnerung: Erstere ist die 1964 gegründete Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung. U Thant war zu eben dieser Zeit (dritter) Generalsekretär der Vereinten Nationen (1962-1971).
Was wurde aus der UNCTAD, dem ehemaligen Kampforgan der Länder des Südens, aus diesem wichtigen Think Tank, der im Aufwind der Dekolonisierung optimistisch eine gerechte „Neue Internationale Wirtschaftsordung“ forderte? Wie steht es um das Gremium, das mit seinen regelmäßigen „Trade and Development Reports“ scharfe Kritik an allen Spielarten neokolonialer Ausbeutung übt und die Entwicklungspolitik mit Argumentationshilfen versorgt? Welchen Stellenwert hat das UNO-Organ mit 192 Mitgliedern heute?

Inbesondere mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO 1995 geriet die UNCTAD bedeutungsmäßig ins Hintertreffen. In der WTO wird „Handel“ in einem Atemzug mit „Liberalisierung“ und eben nicht mit „Entwicklung“ gedacht. Dazu wird die Bedeutung der UNCTAD auch von der herrschenden Politik gerne heruntergespielt. Sie solle nur ja nicht den anderen großen Global Players wie etwa Weltbank und Internationalem Währungsfonds ins Gehege kommen. Hemmend für die Schlagkraft der UNCTAD ist auch die Tatsache, dass „der Süden“, die Entwicklungsländer, kein einheitlicher Interessenblock mehr sind. Manche von ihnen können einigen der jüngsten EU-Beitrittsländer wirtschaftlich durchaus das Wasser reichen.
Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die UNCTAD, das ehemalige Sprachrohr der Benachteiligten, immer mehr dem neoliberalen Gedankengut verschrieben. So wurde auch im Schlussdokument der elften Konferenz die herrschende WTO-Politik nicht kritisiert, sondern sogar positiv bewertet. Dabei belegen die hauseigenen Berichte seit Jahren genau die negativen Folgen der neoliberalen Globalisierung für die ärmsten Länder.
Doch einige Ergebnisse der elften UNCTAD-Konferenz sind aus entwicklungspolitischer Sicht positiv überraschend: So wurden etwa Handelspräferenzen unter den Entwicklungsländern und eigenständige Politikspielräume beschlossen und beim Thema Entwicklungsfinanzierung das 0,7-Prozent-Ziel bekräftigt.

Die UNCTAD ist kein Auslaufmodell. Ihr Mandat und ihre Analysefähigkeit müssen gestärkt werden. So lautet auch die berechtigte Forderung der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft.
Klar, die Entscheidungsmacht über den Welthandel liegt (immer noch) bei der WTO. Doch je globalisierter unsere Wirklichkeit wird, desto notwendiger braucht es ein Gremium, in dem über Handel und Entwicklung gleichzeitig und glaubwürdig nachgedacht wird. Etwa über die Rohstoffkrise, die das Versagen der Marktkräfte in Entwicklungsbelangen eindrucksvoll vor Augen führt. Seit den 1980er Jahren sind die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt dramatisch gesunken, was Entwicklungsländer, die zum Teil zu 90 Prozent von Rohstoffexporten abhängig sind, in schwerwiegende Turbulenzen stürzte.
Es gibt noch keinen besser geeigneten Ort als die UNCTAD, auf internationaler Ebene Alternativen zur neoliberalen Globalisierung zu diskutieren: eine andere Globalisierung, die die Armut verringert, eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht und mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern bewirkt.

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