Kein sicheres Herkunftsland

Von Redaktion · · 2017/04

Abschiebungen nach Afghanistan sind ethisch nicht zu verantworten und menschenverachtend, betont Ali Ahmad Safi.

Die letzten vier Jahrzehnte in Afghanistan sind eine Geschichte von Invasionen und Bürgerkrieg, von Vertreibung und brutalen Aufständen. Jeder dritte Mensch in Afghanistan war in seinem Leben bereits Flüchtling. Wenn die Menschen in Afghanistan die Chance hätten, in einem anderen Land zu leben, würden Tausende, wahrscheinlich Millionen diese Chance nutzen, um dem endlosen Krieg zu entkommen.

Österreich und andere EU-Mitgliedsländer deportieren abgelehnte AsylwerberInnen aus Afghanistan (Mitte Februar unterzeichneten EU und Afghanistan ein Kooperationsabkommen, laut dem bis zu 80.000 AfghanInnen aus der EU in ihre Heimat zurückgebracht werden sollen, Anm. d. Red.) in ein Land, in dem die Gewalt eskaliert und die zivilen Opferzahlen steigen.

20 Terrorgruppen. Mehr als 11.000 Angehörige der Zivilbevölkerung wurden 2016 getötet oder verwundet, bilanzierte die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA); der höchste Blutzoll seit der Invasion von 2001.

Nach offiziellen Angaben kämpfen mindestens 20 terroristische Gruppen, darunter der „Islamische Staat“ (IS), gegen die von den USA unterstützte Regierung in Kabul.

Der Krieg, der bisher vor allem im Süden des Landes wütete, hat sich auf nördliche Landesteile ausgedehnt. Auch auf jene Regionen, die in Deutschland und Österreich offiziell als sicher eingestuft werden. Das ganze Land wurde von einer Welle von Angriffen überzogen, auf Krankenhäuser, humanitäre Organisationen, auf JournalistInnen, Universitäten und Restaurants.

Die Verantwortlichen in der EU wissen nur zu gut, dass niemand für die Sicherheit abgeschobener Flüchtlinge garantieren kann. Doch das hindert sie nicht daran, die Massenabschiebung afghanischer AsylwerberInnen zu planen.

Ein Drittel der afghanischen Bevölkerung wird 2017 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein, doch die EU und nicht zuletzt Österreich reagiert darauf mit politischem Kalkül.

Österreich, das die Achtung der Menschenrechte im eigenen Land hoch hält und sich dazu bekennt, die grundlegenden Rechte aller Menschen zu gewährleisten, muss seine Vorgangsweise überdenken. Abschiebungen in ein Land, in dem Krieg herrscht, sind ethisch nicht zu verantworten und menschenverachtend. Wenn auch nur ein einziger Mensch in Afghanistan getötet wird, weil er von Österreich abgeschoben wurde – wie würde die Regierung ihre Handlungsweise rechtfertigen?

Kein Frieden in Sicht. Ein Ende der Konflikte in Af­gha­nis­tan zeichnet sich nicht ab. Die Zahl der Terrorgruppen ist in letzter Zeit gestiegen. Es gibt demzufolge auch keine Grundlage, auf der ein Zeitplan für die Abschiebung von AsylwerberInnen nach Afghanistan erstellt werden könnte.

Österreich sollte daher auf ein anderes Ziel fokussieren: darauf, wie afghanische Flüchtlinge integriert und in die Lage versetzt werden können, einen positiven Beitrag zur österreichischen Gesellschaft zu leisten.

„Ob Osten, ob Westen, zu Hause ist’s am besten“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Zu Hause ist es aber nur am besten, wenn Frieden herrscht. Doch wenn mein Leben in Gefahr ist, dann würde ich es verlassen, um zu überleben. Die Menschen in Europa lesen und hören die Nachrichten über Afghanistan, aber sie fühlen sie nicht. Ich wünsche mir, dass sie das versuchen, und sei es auch nur für eine Sekunde.

Ali Ahmad Safi ist Publizist und Wissenschaftler. Der gebürtige Afghane lebt in Wien.

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