Keine Regenbogenfahnen in Uganda

Von Patricia Otuka-Karner · · 2010/06

Ein Gesetzesentwurf in Uganda sorgt für Aufregung: Homosexualität soll mit dem Tod bestraft werden. Plötzlich wird das Tabuthema in der Öffentlichkeit diskutiert und AktivistInnen ziehen erstmals gemeinsam an einem Strang.

Meiner Meinung nach ist der Gesetzesentwurf gegen Homosexualität nicht zeitgerecht. Wir sollten uns darauf konzentrieren, sexuelle Gewalt zu verringern oder die Gleichberechtigung von Frauen zu diskutieren“, sagt Isabella Kemigisha, Studentin der Sozialwissenschaften an der Kyambogo University in Ugandas Hauptstadt Kampala. „Dieser Gesetzesentwurf hat eine versteckte Agenda. Er ist ein Mittel, um Regierungskritiker unter diesem Vorwand ins Gefängnis zu bringen und er lenkt von wichtigeren Themen wie Korruption oder schlechten Straßen ab.“

Der Gesetzesentwurf gegen Homosexualität besagt, dass „homosexuelle Handlungen“ mit lebenslanger Haft und HIV-infizierte Homosexuelle oder „SerientäterInnen“ mit dem Tod bestraft werden sollen. Unter „Sonstiges“ heißt es im letzten Absatz lapidar: Jedes internationale Gesetz, das dem Geist dieses Entwurfes widerspricht, wird für null und nichtig erklärt. Wer Homosexuelle nicht bei der Polizei anzeigt, Beihilfe oder Begünstigung der Homosexualität leistet, muss mit sieben Jahren Gefängnis rechnen.

Am 19. Oktober 2009 brachte David Bahati den Gesetzesentwurf als Privatperson im ugandischen Parlament ein. Er gehört der regierenden Partei National Resistance Movement (NRM) des Präsidenten Yoweri Kaguta Museveni an. Das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen soll die Nation darin bestärken, die internen und externen Bedrohungen für die traditionelle heterosexuelle Familie abzuwenden. Angebliche Bedrohungen wie AktivistInnen, die für sexuelle Freiheit eintreten und deren angeblichen Werte wie sexuelle Promiskuität.

Das sind Argumente, von denen sich auch viele PolitikerInnen Wählerstimmen erhoffen. Die Vorsitzende der Parlamentarierinnenvereinigung (Uganda Women Parliamentarians’ Association, UWOPA) Jane Alisemera empörte sich in einem Zeitungsbericht, dass sie in Anrufen und Briefen dazu aufgefordert wurde, sich gegen den Entwurf auszusprechen. Sie stellte klar, dass sie und ihre Kolleginnen für das Gesetz stimmen würden, da sie Werte wie Familie schätzten. Auch die Studentin Isabella meint, dass eine traditionelle Familie aus Vater, Mutter, Kind bestehe. „So bin ich aufgewachsen. Ich verstehe das Konzept von Homosexualität nicht.“ Jedoch betont sie, dass sie sich zuerst an den Gedanken gewöhnen müsse. „Wenn etwas fremd ist, lehnt man es zuerst einmal ab.“

Die Empörung im Ausland ist groß und Uganda macht mit dem Gesetzesentwurf Negativschlagzeilen. Spiegel Online etwa titelte am 9. Dezember 2009: „Uganda erwägt Todesstrafe für Schwule.“ Im Text heißt es weiters, BürgerrechtlerInnen sähen in dem Papier einen „Aufruf zum Schwulenhass“.

Doch Homosexualität ist und war in Uganda bereits vor dem Gesetzesentwurf höchst tabuisiert und ist seit jeher ein Reizthema, das vor allem von religiösen Strömungen aufgegriffen wird – auch schon in der Vergangenheit: Die ersten christlichen Missionare in Uganda predigten die Ablehnung der Homosexualität, sehr zum Ärger König Mwangas von Buganda, einem damaligen Königreich im heutigen Uganda. König Mwanga hatte selbst homosexuelle Neigungen. Um seiner Wut Ausdruck zu verleihen, ließ er am 31. Jänner 1885 drei bekehrte Christen öffentlich hinrichten. Seine Wut erreichte am 3. Juni 1886 den Höhepunkt, als 26 Christen in Namugongo ermordet wurden. Bis heute wird am 3. Juni der Märtyrertag gefeiert. 1897 brachten die christlichen Missionare König Mwanga zu Fall, unter anderem, indem sie ihn als Homosexuellen entlarvten.

Heute haben die evangelikalen Pfingstkirchen (siehe SWM 12/09) zunehmend Einfluss auf die Gesellschaft und das Wertesystem Ugandas. Einen Monat bevor der Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht wurde, waren drei US-amerikanische Pfingstler zu Besuch in Kampala, um gegen Homosexualität zu predigen: Don Schmierer, Mitglied von Exodus International, Caleb Lee Brundidge, ein angeblich „geheilter“ Homosexueller, und Scott Lively, ein Missionar, der mehrere Bücher gegen Homosexualität geschrieben hat. Lively hat sich im Vorfeld mit den Verfassern des Gesetzesentwurfes getroffen.

Gleichzeit war es jedoch der Druck der internationalen Gebergemeinschaft, und die Drohung, Gelder der Entwicklungszusammenarbeit und gar die Budgethilfe für Uganda zu kürzen, die Museveni dazu gebracht haben, sich gegen den aktuellen Entwurf auszusprechen. Selbst Hillary Clinton rief persönlich bei Präsident Museveni an. Viele UganderInnen verübeln dem Präsidenten jedoch diese Haltung.

Der Gesetzesvorschlag hatte jedoch einen von Bahati wahrscheinlich nicht geplanten Effekt. „Das Thema Homosexualität hat jetzt einen prominenten Platz im nationalen Dialog eingenommen“, erläutert Nora Rehmer. Sie arbeitet für Protection International in Uganda und leitet ein Projekt gemeinsam mit einem lokalen Netzwerk von MenschenrechtsverteidigerInnen. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Menschen der homosexuellen Szene für die Anerkennung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen eingesetzt. Die Rechtslage zwingt die Organisationen jedoch diskret und im Untergrund zu arbeiten, um eine Gefährdung ihrer Mitglieder zu vermeiden.

Die internationale Kritik an dem Dokument hat die Arbeit der lokalen AktivistInnen verstärkt. „Das ist das erste Mal, dass etablierte nationale Menschenrechtsorganisationen sich dieses Themas öffentlich annehmen und eng mit Aktivistinnen und Aktivisten aus der homosexuellen Szene zusammenarbeiten. Sie wollen die Verabschiedung des Gesetzesvorschlags verhindern, aber auch längerfristig die bestehende Kriminalisierung von Homosexualität im Strafgesetzbuch beseitigen.“

Falls man dem Entwurf also etwas Positives nachsagen kann, dann, dass er ein Tabuthema hinter dem Vorhang hervor geholt hat. Diese Erfahrungen hat auch die Studentin Isabella gemacht. „Bevor Bahati das Thema groß gemacht hat, haben sich homosexuelle StudentInnen versteckt. Jetzt fühlen sich manche so angegriffen, dass sie trotz der Gefahr offen auftreten und ihre Rechte einfordern.“

Die Studentin Isabella denkt, dass das Gesetz nicht verabschiedet werden wird. „Entweder Bahati zieht den Entwurf zurück oder er wird langsam vergessen werden. Vor allem, da sich auch der Präsident dagegen gestellt hat.“ Derzeit liegt der Entwurf beim „Legal and Parliamentary Affairs Committee“, doch Bahati insistiert nach wie vor, das Gesetz noch vor den 2011 bevorstehenden Wahlen durchzuboxen. In der Zwischenzeit bereitet England bereits ein Einreiseverbot für Bahati vor, sollte das Gesetz durchgehen.

Patricia Otuka-Karner ist Theaterwissenschaftlerin, lebt und arbeitet in Uganda.

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