Kenia. Reportagen aus dem Inneren eines zerrissenen Landes

Von Marc Engelhardt · · 2008/11

Thilo Thielke

Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2008, 232 Seiten, € 19,90

Als Anfang des Jahres die Unruhen in Kenia ausbrachen, setzte sich der damalige Afrika-Korrespondent des „Spiegel“, Thilo Thielke, in seinen Jeep und fuhr mehrere Wochen lang quer durchs Land. Seine Eindrücke von überquellenden Flüchtlingslagern, von leeren Nationalparks, zerrissenen Slums und politisch aufgeheizten Straßenkämpfen hat er in einem Buch festgehalten. Plakativ und politisch unkorrekt hat er Tagebuch geführt über die schlimmsten Wochen in Kenias junger Geschichte. Zwar sind Politiker darin stets Raffzähne, Entwicklungshelfer bestenfalls naiv und dergleichen mehr. Doch trotz solcher Platitüden gibt das Buch einen vergleichsweise vollständigen Überblick und, vor allem, zutiefst persönliche Eindrücke von den Geschehnissen. Die Überheblichkeit der Einführung verblasst, wenn bei dem langjährigen Journalisten die Gefühle durchbrechen: Etwa in Kiambaa am 2. Jänner, wo er die Überreste einer abgefackelten Kirche besichtigt und ihm zwei Männer entgegen kommen, die „ein verkohltes Stück tragen, seltsamerweise ganz behutsam“. Das Grauen der Erkenntnis, dass es sich um eine zur Unkenntlichkeit verbrannte Kinderleiche handelt, geht am Leser, an der Leserin nicht vorbei.
Thilo Thielke schreibt selbst, er könne sich nur schwer erklären, wie über Nacht aus dem vermeintlichen Musterland Kenia ein Staat am Rande des Bürgerkriegs wurde. Ihre stärksten Momente haben seine Berichte denn auch dort, wo bar jeder historischen oder politischen Interpretation die Protagonisten selbst offenbaren, wie das Morden so reibungslos vonstatten gehen konnte. An einer Straßensperre erklärt ein militanter Oppositionsanhänger, die Angehörigen der vermeintlich regierungsstützenden Kikuyu-Ethnie würden nicht ermordet, sondern nur „in ihre Heimat“ zurück geschickt. Als Thielke auf zwei Leichen zeigt, zuckt der Mann demonstrativ desinteressiert mit den Schultern: „Die haben Pech gehabt.“ Sätze wie diese sagen mehr über die Hintergründe der noch lange nicht ausgestandenen Krise aus als manch wortgewaltige Analyse. Mehr noch: Sie machen Thielkes Aufzeichnungen tatsächlich lesenswert.

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