Kriegsdeal mit Billiglohn

Von Patricia Karner · · 2008/07

Über 6.000 junge Menschen aus Uganda sind derzeit über private Sicherheitsfirmen im Irak stationiert, hunderte warten auf ihre Chance. Dem US-Verteidigungsministerium kommt das billig, für die ugandischen RekrutInnen ist es eine Flucht nach vorne.

Die Uniformen sind sandfarben, alles von den Stiefeln bis zum Helm. Irgendwie passt das zu der Hitze. Ich habe noch nie so eine Hitze erlebt. Der Wind ist stark und wirbelt Staub und Sand auf. Wir haben alle eine Art Dauerhusten. Insgesamt ist es aber nicht so schlimm, wie ich dachte.“ Amos Tumusiime ist einer jener UganderInnen, die derzeit im Irak stationiert sind. Im Dienste des US-amerikanischen Einsatzes bewachen sie als Angehörige von Drittstaaten amerikanische Militäreinrichtungen sowie Ölfelder, Transporte und zivile Institutionen.
Der Wunsch nach Geld ist der Hauptgrund, der junge UganderInnen dazu treibt, sich zum Dienst im Irak zu melden. Amos Tumusiime: „Ich musste die Schule abbrechen, weil sich meine Mutter die Ausbildung nicht mehr leisten konnte. Ich habe keinen Job gefunden und mich durchgeschlagen. Zuletzt habe ich Telefonwertkarten verkauft und Mobiltelefone repariert, aber davon kann man kaum die Miete zahlen.“ Trauben junger Männer aber auch ein paar Frauen sammeln sich täglich am frühen Morgen vor den Toren der Vermittlungsagenturen. Sie melden sich, obwohl der Einsatz riskant ist. Die Rekrutierung basiert auf Angebot und Nachfrage. Die Verzweiflung, mit der viele versuchen, eine Stelle zu ergattern, lässt auf den schlechten heimischen Arbeitsmarkt schließen.

An die 6.000 UganderInnen sind mittlerweile im Irak und arbeiten dort als Sicherheitsbedienstete. Zuletzt wurde am 9. März eine Gruppe von 190 jungen Leuten ausgeflogen. Amos war einer von ihnen. „Die Entscheidung ist mir schwer gefallen. Ich hätte schon 2006 gehen sollen, konnte mich aber nicht dazu durchringen. Es war meine Mutter, die mich aufforderte, die Gelegenheit zu ergreifen. Sie wollte ihre Kontakte zum Arbeitsministerium nutzen, um mich unterzubringen. Aber ich hatte Angst. Irgendwann war mir klar, dass das meine einzige Chance sein würde.“ Amos verdient jetzt 1.000 US-Dollar im Monat (rd. 650 Euro). Das sind gut zwei Drittel des durchschnittlichen Jahreseinkommens in seinem Land. 90 Prozent seines Gehalts gehen auf ein Konto in Uganda, zehn Prozent werden ihm direkt ausgezahlt. „Wenn ich nach Uganda zurückkehre, erwartet mich also eine Menge Geld. Ich will Land kaufen, ein Haus bauen und ein kleines Geschäft eröffnen“, schmiedet er bereits Pläne.

ASKAR Security Services ist eine der großen heimischen Entsendeorganisationen. Insgesamt 2.245 UganderInnen, davon ein Prozent Frauen, hat die private Sicherheitsfirma bisher für den Dienst im Irak angeworben. Sie steht bei dem US-amerikanischen Sicherheitsunternehmen EOD Technology unter Vertrag, um militärisches Personal zu vermitteln. EOD Technology wiederum handelt im Auftrag des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Das Unternehmen ist auf Sicherheitsdienste und Kriseneinsätze spezialisiert, wofür US-AmerikanerInnen um die 1.000 Dollar pro Tag erhalten. Das erklärt den Wunsch, möglichst viele Drittstaatsangehörige für den US-Einsatz im Irak heranzuziehen. Sie sind bei weitem billiger.
„Wir wissen, dass US-AmerikanerInnen mehr verdienen. Ich würde das aber nicht Ausbeutung nennen“, meint Dan Muganga, Projekt-Manager von ASKAR. „EODT braucht uns als billige Arbeitskräfte. Dennoch ist dies für die meisten UganderInnen ein Schritt nach vorne. Sie können ihre Familien ernähren, die Kinder in die Schule schicken.“ ASKAR ist im März 2005 in das Geschäft mit der Arbeitsmigration eingestiegen. „Angefangen haben wir mit der Entsendung von 30 Männern. Heute können wir uns kaum noch vor all den Bewerbungen retten.“ ASKAR ist vom Arbeitsministerium lizenziert. Mit einem Arbeitsmigrationsgesetz sicherte das Parlament 2005 die Entsendung in den Irak rechtlich ab. Die Idee hinter diesem Gesetz war, die Arbeitslosenrate und die Armut in Uganda zu senken. Dass die RekrutInnen für einen vergleichsweise geringen Lohn ihr Leben riskieren, scheint dabei nicht von Bedeutung.
Für Rekrutierung, Vorauswahl und Anstellung von Individuen zu militärischen Zwecken im Irak sind allein die Entsendeorganisationen zuständig; die Organisation des Einsatzes liegt somit in privater Hand. Unter den AnwerberInnen sind viele, die im sozialen Gefüge auf der letzten Stufe stehen, so genannte Kleinkriminelle ohne Ausbildung und familiären Halt, gibt Albert Musuyuma, Experte für Konflikttransformation und friedensfördernde Maßnahmen, in der ugandischen Tagespresse zu bedenken. Sie wählen diesen Weg, um vor Problemsituationen zu fliehen und dabei auf legalem Weg schnell reich zu werden. Kritische Stimmen fragen, was mit den HeimkehrerInnen geschehen wird. Sie werden ehemalige SoldatInnen mit Kriegserlebnissen sein. Wer wird sich um ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft kümmern? Uganda hat bereits genug an Herausforderungen im eigenen Land. Viele ehemalige Rebellen müssen schon jetzt versorgt werden. Der Gesellschaft nun zusätzliche Menschen mit Gewalterfahrungen aufzubürden, erscheint vielen unzumutbar.

Amos ist am internationalen Flughafen in Bagdad stationiert, wo er die Einrichtungen der US-Armee überwacht. Vier Wochen hat das Training in Uganda gedauert, weitere zwei Wochen vor Ort. „Ich bin glücklich, dass ich mich zu diesem Schritt entschieden habe. Es ist nicht so schlimm, wie ich mir vorgestellt hatte. Ich bete, dass das so bleibt. Und wenn ich wieder in Uganda bin, werde ich reich sein.“ Auch Dan Muganga von ASKAR betont, dass er allen diesen Schritt empfehlen würde. „Ich habe meine Schwester in den Irak geschickt. Das zeigt doch, dass ich diesen Einsatz auch persönlich befürworte.“ Bisher hat ASKAR „nur“ einen Mann durch eine verirrte Kugel verloren. Noch scheint das Risiko, das Leben zu verlieren, kleiner als die Chance, reich zu werden.

Patricia Karner ist Theaterwissenschafterin, lebt in Uganda und arbeitet für eine Filmproduktion, GREAT LAKES FILM PRODUCTION Ltd (www.greatlakesfilm.com).

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