Krise ohne Konsequenzen

Von Manfred Ewel · · 2009/12

Mitte November fand in Wien eine internationale Tagung zu Folgen und Ursachen der aktuellen Wirtschaftskrise statt.

Systemkritische WirtschaftswissenschaftlerInnen, eingeladen von vidc (Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation) und ÖFSE (Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung), diskutierten sowohl wichtige Konsequenzen aus der aktuellen Weltwirtschaftskrise als auch zugrunde liegende langfristig geltende Einsichten. So warnten die ExpertInnen vor allem vor dem Optimismus, die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Da Krisen dieses oder geringeren Ausmaßes zum System gehörten und die Verantwortlichen bisher keine wirklichen Konsequenzen daraus gezogen haben, würden sich Szenarien wie die plötzliche Entwertung von Produktionsgütern, Investitionen, Vermögen oder ganzen Volkswirtschaften stets wiederholen. Es würden höchstens einige Symptome, aber nicht die Ursachen der Verzerrungen in diesem System kuriert.

Der Deutsche Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, zeigte in seinen beiden Beiträgen die Verzerrungen und negativen Auswirkungen von Spekulationsgeschäften für grundlegende Märkte wie jene für Nahrungsmittel und Rohstoffe oder auch den Devisenhandel auf: Die Märkte funktionieren durch die immensen Mengen an spekulativem Kapital schon lange nicht mehr aufgrund von realem Angebot und Nachfrage, sondern weitgehendst nur noch durch Finanzspekulanten, die mit fremdem Geld und nur auf diese Weise erzielbaren, extrem hohen Profitmargen operieren. Die Vorstellung vom „Freien Handel“ sei deshalb ein Mythos, denn die ProduzentInnen von Rohstoffen, Nahrungsmitteln und anderen Gütern haben keine langfristige Planungsgrundlage und werden in ihrer Rolle als LieferantInnen des Weltmarkts destabilisiert. Nicht die Produktion und das Angebot von Nahrungsmitteln, sondern die in sie auf den Geldmärkten investierten Spekulationssummen bestimmten den Preis und die Arbeitsbedingungen der damit beschäftigten (oder nicht mehr nötigen) Menschen.

Flassbecks Konsequenzen und Forderungen an die Regierungen sind ebenso einleuchtend wie radikal: Verbot von reiner Spekulation mit Rohstoffen oder Devisen; an den Börsen sollten nur wirkliche ProduzentInnen, zum Beispiel von Nahrungsmitteln, und keine Finanzspekulanten zugelassen sein. In den weiteren Beiträgen namhafter Fachleute aus verschiedenen Bereichen der österreichischen Wirtschaftspolitik oder -forschung wurde schnell klar, dass die meisten Schwächen und Risiken des Weltwirtschaftssystems seit langem bekannt sind, ohne dass die warnenden Stimmen gehört worden wären.

Zum Schluss blieben zentrale Fragen offen, die auch auf eine Krise der demokratischen Kontrolle und Mängel in der Nutzung von komplexen Informationen durch die Gesellschaft hindeuten: Warum werden die Verursacher der Krise nicht zur Verantwortung gezogen? Warum folgen EntscheidungsträgerInnen immer wieder RatgeberInnen, die komplexe und von Machteliten bestimmte Zusammenhänge trotz negativer Folgen für die gesamte Weltbevölkerung einseitig darstellen? Warum werden QuerdenkerInnen und alternative Meinungen zu wenig beachtet? Die Veranstaltung, deren Ergebnisse im Internet publiziert werden sollen, hat dazu einige Impulse geliefert.


„Wege zu einer neuen Weltfinanzordnung. Systemische Antworten auf die Nahrungsmittel- und Finanzkrise“, 11. und 12. November 2009.
www.oefse.at; www.vidc.at

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