Neue Spielregeln

Von Martin Jäggle · · 2006/02

In der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) werden die Karten neu gemischt. Vieles deutet darauf hin, dass der Staat den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nur mehr eine Nebenrolle zugestehen will.

Eine neue, höchst erfrischende Sektionsleiterin, die zu grundlegenden Fragen ihrer Arbeit ein lesenswertes Buch vorlegt, eine Ministerin, die im Rahmen der EU-Präsidentschaft der Propagierung von Fairtrade-Produkten Vorrang geben will. Im Bereich EZA ermutigende Beispiele des vergangenen Jahres. Doch zugleich ist Sand im Getriebe: Gesetzliche Vorgaben werden nicht eingehalten, Dreijahresprogramme unter Zeitdruck beraten und mit großer Verspätung beschlossen, die staatliche Entwicklungsagentur ADA stärker ausgebaut als angekündigt, die strukturell begründete schwache Transparenz ihrer Arbeit immer stärker sichtbar. Die ADA hat keine Verpflichtung zur Veröffentlichung der jährlichen Bilanz und Buchprüfung, keine externe Evaluierung. Ihr Aufsichtsrat setzt sich ausschließlich aus – weisungsgebundenen – BeamtInnen zusammen, womit er primär die Aufgabe zu haben scheint, die Interessen der verschiedenen Sektoren der staatlicher Verwaltung zu sichern. Und das Verhältnis zu den NGOs bedarf seit ihrer Gründung einer Klärung. Die Situation ist gespannt und widersprüchlich. Alle Aufwendungen für die Sicherung der ADA und ihrer Arbeit gelten als EZA-Leistung. Zugleich müssen sich die NGOs sagen lassen, dass EZA-Mittel für den Erhalt von NGOs (und ihrer Arbeit) zweckentfremdet wären. Und das Finanzministerium schiebt die Entscheidung über die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden auf die lange Bank.
Zwei Jahre nach Gründung der ADA findet nun Anfang Februar eine Tagung über das Verhältnis von NGOs und staatlicher EZA unter Teilnahme der wichtigsten Akteure statt.
Den NGOs bläst derzeit der Wind ins Gesicht. Als Hauptdarsteller der österreichischen EZA über viele Jahrzehnte müssen sie aufgrund geänderter Gesetze und Rahmenbedingungen neue, jedenfalls ungesichertere und finanziell schlechter dotierte Rollen finden. Der Staat wird ihnen eine Nische zuweisen und die Spielregeln definieren.
Wider allen neoliberalen Zeitgeist gewinnen die Leistungsfähigkeit eines demokratischen Staates, „strukturelle Stabilität“ und „Good Governance“ im Bereich der EZA an Bedeutung und bekommt so die Unterstützung staatlicher Aktivitäten ein größeres Gewicht. Hier sind dann nicht primär NGOs gefragt, sondern die Kooperation staatlicher Akteure.

Nach Jahrzehnten des Projektmarketing und der offensiven privaten Spendenwerbung kann nicht so weiter gemacht werden, als ob private EZA-Projekte jene grundlegende und notwendige Wende in den Lebensbedingungen der Menschen herbei führen könnten. Selbstverständnis und Arbeit der NGOs werden sich ändern. Die Geldmittel für Informations-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit der NGOs, die bemüht sind, der Komplexität des Problems Raum zu geben, sind von jenem Staat auf geringem Niveau eingefroren, der diese Arbeit zugleich konterkariert, folgt doch seine EZA-Projektwerbung im Fernsehen dem Prinzip „To keep the story simple“. Hat er einmal den NGOs die geplante bescheidene Rolle gegeben, wer wird ihn dann dafür kritisieren, dass die gepriesene und gesetzlich geforderte Kohärenz der einzelnen Aktivitäten im Entwicklungsbereich zum Problem wird, wenn sie Komplexität durch Simplifizierung ersetzt? Der Staat braucht unbequeme NGO. Sollte man zumindest meinen.

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