Noch alles beim Alten

Von Redaktion · · 2014/06

Abdelaziz Bouteflika wurde – wenig überraschend – als Algeriens Präsident bestätigt. Doch der Gesundheitszustand des Autokraten macht die Clique an der Macht zunehmend nervös. Die Opposition ist schwach. Farah Souames berichtet aus Algiers.

Die Wahlen in Algerien wurden lange vor ihrer Durchführung heiß diskutiert, auch innerhalb des Machtapparates. Am 18. April gewann Abdelaziz Bouteflika von der Nationalen Befreiungsfront (FLN) seine vierte Amtszeit, offiziell mit 81 Prozent der Stimmen. Die Ergebnisse wurden von anderen Kandidaten, etwa dem ehemaligen Premier und abgeschlagenen Zweiten, Ali Benflis, und von Oppositionsparteien umgehend in Frage gestellt.

Der 77-jährige Bouteflika, der nun weitere fünf Jahre regieren soll, musste 2013 wegen eines Schlaganfalles behandelt werden. Der Gesundheitszustand des schwer kranken Mannes war denn auch der Grund für neuartige Kontroversen im Vorfeld der Wahlen: Seit Bouteflika 1999 an die Macht kam, wurde er von den Generälen des algerischen Militärs und dem einflussreichen Geheimdienst, dem DRS (Département du Renseignement et de la Sécurité), unterstützt. Zum ersten Mal seit Jahren kam es nun innerhalb der regierenden Elite zu einer Spaltung. Vertreter des Machtapparates attackierten sich gegenseitig: Amar Saadani, Generalsekretär der FLN, kritisierte etwa General Mohamed Mediène, seines Zeichens Chef des DRS. Ehemalige Generäle und Entscheidungsträger sprachen sich zudem öffentlich gegen eine vierte Amtszeit Bouteflikas aus.

Die überparteiliche Bewegung Barakat („Genug!“) ging in der Wahlkampfphase gegen eine weitere Amtszeit von Bouteflika auf die Straße. Sie organisierte Demonstrationen im ganzen Land, die allerdings klein blieben. Jede der – gewaltfreien – Protestaktionen wurde von der Polizei unterbrochen. Protestierende wurden festgenommen und geschlagen. Auch der Protest am Vortag der Wahl wurde von der Exekutive brutal aufgelöst, bis heute befinden sich zwei der Protestierenden in einem Gefängnis in der Hauptstadt Algier. „Ich fühlte mich so beschämt und beleidigt, auf so eine Art und Weise festgenommen und verhört zu werden“, berichtet Amira Bouraoui, Gründungsmitglied und Sprecherin von Barakat. „Währenddessen befinden sich korrupte Beamte, die in Skandale verwickelt sind, auf freiem Fuß und genießen ihr Leben im In- und im Ausland“, so die Ärztin. Bouraoui ist die erste Frau, die öffentlich in algerischen Medien die Kandidatur Bouteflikas kritisiert.

Um den Präsidenten selbst wurde es während der Kampagne still. Bouteflika, der sich beim Stehen und Sprechen anstrengen muss, war nicht einmal beim großen öffentlichen Wahlkampffinale am 13. April präsent. Ins Wahllokal kam er in einem Rollstuhl, die Amtsantrittsrede brachte er mehr schlecht als recht über die Bühne.

Mittlerweile machen Informationen die Runde, dass noch 2014 durch eine Verfassungsänderung ein Vize-Präsident installiert werden soll, für den Fall der Fälle. Allerdings, so munkelt man, soll schon Bouteflikas Bruder, Said Bouteflika, im Hintergrund die Fäden ziehen. Bestätigen lässt sich das nicht.  

Die Regierung warnte vor der Wahl die Bevölkerung: Entweder wird sie als die politische Ordnung akzeptiert, oder es wird Chaos herrschen. Die – scheinbar funktionierende – Strategie der Regierung ist es, der algerischen Bevölkerung auf der einen Seite Stabilität und auf der anderen ein Katastrophenszenario aufzuzeigen: Jede Form von Wandel wird mittlerweile mit Terror gleichgesetzt, mit Verweis auf die Unruhen in den Nachbarländern Libyen und Ägypten oder auch Syrien.

Nicht vergessen darf man dabei: Algerien hat im Oktober 1988 soziale Unruhen mit einem blutigen Ende erlebt, gefolgt von einem Bürgerkrieg: Die „dunkle Ära“ begann nach einem Staatstreich 1992 und dauerte ein ganzes Jahrzehnt an.   

Die Opposition verweist darauf, dass die nächste Amtszeit von Bouteflika keine relevanten Kurskorrekturen bringen wird – sei es die politische Situation im Lande oder die wirtschaftliche Abhängigkeit von Öl- und Gaseinnahmen betreffend. Dass Algerien langfristig nicht nur auf die Öl- und Gasressourcen setzen kann, wird zunehmend erkannt. Doch die Regierung setzt weiter auf diese Karte. Und die festgefahrenen Strukturen Algeriens sorgen dafür, dass Initiativen, die auf Reform setzen, keinen Rückenwind bekommen. Zudem ist die Opposition eine schwache und fragmentierte Gruppe ohne lange Geschichte. Sie besteht aus unterschiedlicher Vertreterinnen und Vertretern der algerischen Zivilgesellschaft – eine Mischung aus IslamistInnen, NationalistInnen und DemokratInnen.

Der zweitplatzierte Benflis, der nach 2004 dieses Jahr erneut kandidierte, erhielt laut offiziellen Angaben zwölf Prozent der Stimmen. Ursprünglich kommt er aus der FLN. 2014 ging er als Unabhängiger in den Wahlkampf. Benflis kündigte nun an, mit einer neuen Partei durchstarten zu wollen. Er könnte ein Nutznießer der Situation werden. Aber auch er hat einen langen Weg vor sich.

Farah Souames ist eine algerische Journalistin, die vorwiegend für französische und englische Medien über Nordafrika und den Nahen Osten berichtet. 
Aus dem Englischen übertragen von Richard Solder.

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