Österreichs neue Entwicklungspolitik

Von Werner Hörtner · · 1999/13

Die angekündigten radikalen Kürzungen im Entwicklungshilfe-Budget, vor allem im Bereich der bilateralen Projektarbeit, gefährden viele erfolgreiche Projekte. Österreichs Ruf als verläßlicher und glaubwürdiger Partner ist schwer angeschlagen.

El Salvador. Ein zehnjähriger Bürgerkrieg hinterläßt ein sozial und materiell zerrüttetes Land. Nach dem Friedensschluß von 1990 engagiert sich Österreich vorbildhaft bei Wiederaufbauprogrammen: Reintegration von ehemaligen Guerilleros, Rechtshilfe für die Landbevölkerung, Intensivierung der Agrarproduktion.

Von der Grameen-Bank in Bangladesch ausgehend, hat die Idee der Kleinkreditprogramme, von denen v.a. Frauen profitieren, die Welt erobert. In fünf Gemeinden in der Region Cabanas (~ auf n) in El Salvador unterstützt die österreichische Kofinanzierungsstelle (KFS) ein solches Projekt. In einer ersten Phase, ab 1997, wird ein Kreditfonds aufgebaut, um armen Frauen das nötige Geld für kleine Geschäfte und Verkaufsstände zur Verfügung zu stellen. Nach einem Jahr nehmen bereits 300 Frauen an dem Kreditprogramm teil.

In der im Jänner 2000 beginnenden, auf drei Jahre angelegten zweiten Projektphase sollen die erreichten Erfolge durch Unterstützung und Beratung bei Organisationsentwicklung, in Rechtsfragen, Raumplanung usw. nachhaltig abgesichert werden. Der Beitrag des Bundes zu diesem Projekt – drei Millionen Schilling – ist eine „Ermessensausgabe“ und unterliegt somit der Kürzungsorder des Finanzministers, was den Fortbestand des gesamten Projekts gefährdet.

Die Sonderschullehrerin Elisabeth Sonnweber aus Tirol reiste Anfang Jänner im Auftrag des Österreichischen Entwicklungsdienstes (ÖED) nach Uganda, um dort an einer Schule für Blinde und Mehrfachbehinderte die einheimischen LehrerInnen fachlich und personell zu unterstützen. Mit ihr verließen neun weitere EntwicklungshelferInnen dieser Organisation Österreich, um in Uganda, Mosambik, Simbabwe, Papua-Neuguinea und Ecuador ihre Verantwortung für mehr Menschlichkeit in praktische Projektarbeit umzusetzen.

Der ÖED hat das ganze vergangene Jahr über an einer Neustrukturierung des Personaleinsatzprogramms gearbeitet, das sowohl den Einsatz von jungen Fachleuten als auch von erfahrenen ExpertInnen, aber auch die Finanzierung einheimischer Fachkräfte aus dem Süden vorsieht. „Dieses Vorhaben ist ohne ausreichende Förderung nicht realisierbar, und der erwartete Qualitätssprung könnte nur sehr eingeschränkt einsetzen“, bedauert ÖED-Geschäftsführer Robert Zeiner die Auswirkungen der Kürzungen des Etats für Entwicklungszusammenarbeit (EZA).

Die nicht-staatlichen, doch mit öffentlichen Mitteln arbeitenden Projektorganisationen sind von der drastischen Verringerung der bilateralen Entwicklungshilfe am stärksten betroffen. De facto stehen nun für diesen Bereich im Jahre 2000 statt 960 Millionen Schilling nur mehr ca. 580 Mio. zur Verfügung. Das Außenministerium kündigte wohl an, es wolle im Rahmen seiner Möglichkeiten „massive Kürzungen und den Abbruch von Projekten verhindern“ – doch wie sollen diese Organisationen den radikalen Kahlschlag bei ihren Budgets intern umsetzen, wenn nicht durch einschneidende Reduzierung der Projekt- und Personalkosten?

Das Institut für Internationale Zusammenarbeit (IIZ), das v.a. in Afrika und Zentralamerika aktiv ist, sieht sich überhaupt als Organisation in seiner Existenz gefährdet. Von den 74 für das Jahr 2000 geplanten Projekten ist nur bei 8 ein Vertrag mit dem geldgebenden Außenministerium unterzeichnet worden. Die restlichen 66 Projekte müssen nun unter dem Damoklesschwert einer 40%igen Kürzung der staatlichen Mittel neu konzipiert werden. „Wir werden neue Projekte, die mit den Partnern schon ausverhandelt sind, nicht beginnen können“, beklagt IIZ-Geschäftsführer Herwig Adam die Situation. Besonders schlimm sieht Adam die Auswirkungen bei den Projekten der ländlichen Entwicklung, einem Schwerpunkt der Aktivitäten des IIZ. Gerade jetzt zu Jahresbeginn, vor Beginn des agrarischen Produktionszyklus, müßte in diese Projekte investiert werden, wofür jedoch die Mittel fehlen. „So kann ein halbes bis dreiviertel Jahr Projektarbeit einfach verloren gehen“, bedauert der Entwicklungshilfe-Experte, der selbst jahrelang in Nicaragua tätig war.

Vertraglich vereinbarte Projekte, von deren Durchführung Hunderttausende Menschen profitieren würden, müssen nun auf Eis gelegt oder im Umfang reduziert werden. Jahrelange Aufbauarbeit in den Partnerländern der österreichischen EZA wird mit einem Federstrich in den Amtsstuben der Regierung zerschlagen. Und die EntwicklungshelferInnen müssen nun vor Ort ihren Projektpartnern erklären, wieso ihr Heimatland, eines der reichsten Länder der Erde, plötzlich zugesagte Verpflichtungen nicht mehr einhalten kann oder will.

Bei den Nicht-Regierungsorganisationen (NROs), die in Österreich in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit tätig sind, wird die Kürzung der staatlichen Mittel „nur“ 20 Prozent betragen und darüberhinaus auf zwei Jahre aufgeteilt. Auch durch strukturelle Veränderungen sollen Einsparungen erzielt werden. So müssen die Bibliotheken und Dokumentationsstellen, die aus dem EZA-Budget subventioniert werden – z.B. ÖFSE, Frauensolidarität, Lateinamerika-Institut -, im Laufe dieses Jahres einen Plan ausarbeiten, wie die für 2001 angekündigte Halbierung (!) dieses Budgetpostens umgesetzt werden kann.

AGEZ-Vorsitzender Heribert Steinbauer vermutet eine Trendwende hin zu einer deutlichen Verschlechterung des österreichischen Engagements

Kurt Greussing, Geschäftsführer des Österreichischen Nord-Süd-Institutes (ÖNSI), das bereits im Vorjahr ein radikales Sparprogramm verdauen mußte, sieht dahinter eine bewußte Politik: „Die Regierung will mit ihren eigenen Vorort-Strukturen institutionelle Kooperationen mit Regierungsstellen der ‚Partnerländer‘ aufbauen bzw. als Durchführungsagentur selbst Projekte exekutieren.“ Eine geplante stufenweise Ausschaltung der NROs aus der Entwicklungszusammenarbeit also? Es gibt tatsächlich mehrere Anzeichen, daß der Zug in diese Richtung fährt.

Die verzögerte Regierungsbildung verschärft die Lage der NROs noch mehr: So lange noch kein neues Bundesbudget steht, erhalten diese Organisationen pro Monat jeweils ein Zwölftel der Vorjahres-Subvention minus 20 % Sicherheitsrücklage. Außerdem werden die bereits ausgehandelten Projektverträge von der öffentlichen Hand nicht unterzeichnet, was bei einigen Institutionen dieses Bereichs zu ernsthaften Liquiditätsproblemen geführt hat.

Österreichs Leistungen bei der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit sinken immer weiter ab, und dennoch fordern VertreterInnen von NROs gerade jetzt eine „zweite Entwicklungsmilliarde“, d.h. eine Steigerung der bilateralen Projekt- und Programmhilfe von 960 Mio (1999) innerhalb einer Legislaturperiode auf zwei Milliarden. Eine unrealistische Forderung? Norbert Pühringer, Geschäftsführer der Südwind-Agentur: „Österreich würde durch diese Milliarde wieder das Niveau von 1994 erreichen. Die zweite Entwicklungsmilliarde ist keine Frage des Könnens, sondern des politischen Wollens. Wollen wir uns zu internationaler Geizigkeit oder zur EZA bekennen? Wenn wir EZA wollen – und auch gestalten wollen -, kann die nächste Regierung das Geld bereitstellen.“

Auch Gundi Dick vom Verein Frauensolidarität ist für die zweite Entwicklungsmilliarde. Um dieses Ziel zu erreichen, seien auf der Basis eines solidarischen Zusammenhalts unter den NROs verstärkte Schritte in die Öffentlichkeit notwendig, um die Diskussion über globale Probleme anzukurbeln. Gundi Dick: „Wir müssen gemeinsam unsere Vorstellungen von einer gerechten Welt lauter und offensiver verteidigen. Es geht natürlich darum, finanzielle Kürzungen rückgängig zu machen, aber es geht auch darum, mit Kürzungen einhergehende inhaltliche Kahlschläge zu verhindern. “

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