Reisen in einer Militärdiktatur

Von Friedrich Freudensprung · · 2005/03

Am Burma-Tourismus scheiden sich viele Geister. Bei einer Pauschalreise untersucht ein kritischer Tourist die Argumente der BefürworterInnen – und sieht sie durch die burmanische Realität zum Großteil widerlegt.

Die Nachmittagssonne taucht die Shwedagon Pagode in Rangun in goldenes Licht. Die blank geputzten Marmorkacheln, zu deren Reinigung täglich freiwillige Putzkolonnen antreten, glänzen und fühlen sich in der Hitze angenehm kühl unter unseren nackten Füßen an („Schuhe und Socken ausziehen! Im Auto lassen!“ wird es auf der Reise noch öfter heißen.) Als wäre da nicht schon genug Gold und Glanz. Der Sonnenuntergang ist nochmals eine Sensation für sich und verleiht den Pagodenspitzen und Türmchen rötlich-goldenen Schimmer. Eine Stimmung, in der man einfach nur dasitzen und schauen, der Ruhe im Herzen nachspüren und alles andere ringsum vergessen möchte.
In einem Bericht von BBC World/Asia (ja, in den Luxushotels gibt es Satellitenfernsehen), den ich wenige Tage später sehe, wird es heißen: “Glanz und Gold in der Shwedagon Pagode stehen in scharfem Kontrast zur Armut draußen.“ Die Kontraste. Die krassen Gegensätze. Gewiss. Wer jemals ein Land der so genannten Dritten Welt besucht hat, kennt die Wut und Verzweiflung, die man ob dieser Kluft verspürt. Der BBC-Bericht über den Tourismusboom in Burma klärt weiter auf: „Der Burma-Tourismus bewegt sich in der Luxusklasse, es gibt kaum Rucksacktouristen. Luxustouristen aber haben kein Interesse für Politik.“
Meine Begleiterin und ich sind offenbar zwei – einsame? – Gegenbeweise für diese Pauschalthese. Und das, obwohl wir die im Auftrag der staatlichen österreichischen Entwicklungszusammenarbeit produzierten Flyer von „respect“, dem „Institut für integrativen Tourismus und Entwicklung“, nicht lesen konnten, die eigentlich Reisende auf dem Direktflug der Lauda Air Wien – Rangun über die politische Lage in Burma aufklären sollten. Es waren nämlich keine da, im Flug OS 9571. Später nachgefragt, wunderte sich „respect“-Geschäftsführer Christian Baumgartner und meinte, er sei sich sicher, dass Lauda Air die Folder verteile, da erst vor kurzem eine neue Auflage bestellt worden sei. Es könne allerdings in der Logistik schon einmal passieren, dass die Kabinenbesatzung etwas nicht verteile. An sich habe „respect“ mit dieser Kooperation gute Erfahrungen.
Wir sind eine Reisegruppe, die von Österreich aus um rund 2.500 Euro eine Pauschalreise gebucht hat: ein beeindruckendes Programm zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten an der touristischen Hauptroute des Landes, mit abschließendem Strandaufenthalt in Ngwe Saung, einem der neuerschlossenen Badeorte an der Andamanensee. Dass unsere Reisegruppe nur so klein ist, hat uns zuerst sehr gefreut. Nach und nach steigt jedoch das Unbehagen. Vor allem, als wir erfahren, dass Herr U, seit der Ankunft am Flughafen unser Reisebegleiter, der uns in den nächsten 14 Tagen nicht von der Seite weichen wird, beim Ministerium für Tourismus angestellt ist.

Ein Abgesandter des Regimes? Bis zuletzt können wir uns nicht des Eindruckes erwehren, dass er eine Aufpasserrolle zu erfüllen hat. Unterwegs sucht er die saubersten Restaurants und Toiletten für uns aus. Kümmert sich um funktionierende Transportmittel. Rechnet vor, wie viel Trinkgeld wir wem zu geben haben. Schaut auch nach, im Kuvert für den Fahrer zum Beispiel, und ist ziemlich aufgebracht, wenn wir den von ihm vorgegebenen Betrag unterschreiten, weil er uns unangemessen erscheint. Nachgefragt, ob denn der Fahrer nicht von der Reiseagentur bezahlt werde, klärt er uns auf: nur der Besitzer des Wagens. Was der aber den Fahrern auszahle, sei seine Sache. Was den Verdacht nahe legt: die Trinkgelder für Bus-, Pferdekutschen- oder Bootsfahrer sind überlebensnotwendig für die Leute, weil sie vom Kuchen der sündteuren Pauschalreise kaum ein Krümelchen abbekommen.
Unbeantwortet bleibt die Frage: Wem gehören eigentlich die Busse oder Autos? Welchen Anteil haben die Militärs oder die Gewinnler des Regimes daran? Welchen an Fluglinien wie Yangon Airways, die in Reiseführern als private Airline bezeichnet wird? Welchen an der EPG-Travel Company, über die unsere Reise läuft? Wir erfahren, dass die Militärregierung an einigen der Luxushotels beteiligt ist, in denen wir übernachten. Am Kandawgyi Palace in Rangun zum Beispiel, gemeinsam mit thailändischen Investoren. Klar auch, dass die Eintrittsgelder zu den touristischen Sehenswürdigkeiten, die in US-Dollar bezahlt werden müssen, an die Regierung fließen. Und die 20 Dollar fürs Visum. Und und und …? Wer steckt wo dahinter über welche Hintermänner? Diese Frage kann uns niemand beantworten.
Bei U wechseln wir auch unsere Dollar in Kyat. Weil das, wie er sagt, sonst niemand dürfe, außer der einen Bank in Rangun. Der Kurs ist nicht schlecht, wie wir in den diversen Hotels feststellen. Nur die Straßenhändler am Scott Market in Rangun bieten mehr.
Herr U fungiert auch als Dolmetscher für unsere Fragen an die Menschen: die MarktverkäuferInnen, die Mönche und Nonnen in den Klöstern, die wir besichtigen und die vielen kleinen HandwerkerInnen, deren mit großteils erschreckend mittelalterlichen Methoden ausgeführten Produktionen uns als Attraktionen vorgeführt werden: Töpfereien, Webereien, Schmiede- und Lackarbeiten etc.
Eines der beeindruckendsten Beispiele: Die Menschen in einem Dorf – wir sind unterwegs von Mandalay Richtung Monywa –, die Metalllegierungen herstellen, indem sie aus einem staatlichen Bergbaugebiet Erde mit Kupferrückständen heranschleppen, daraus Kupferlauge gewinnen und damit das Zink aus alten Kondensmilchdosen (die sie kaufen!) herauslösen. Die chemischen Prozesse führen sie in offenen Wasserbecken durch, die Frauen greifen mit bloßen Händen in die Lösungen, Kinder laufen dazwischen herum. Gefährliche Arbeit? U schüttelt lachend den Kopf. „Die Leute sind das doch gewohnt!“

Ein guter Reiseleiter, bewandert, wie gesagt, vor allem in Buddhismusfragen. Auf alle Fragen, die er versteht, gibt er bereitwillig Auskunft. Manchmal spricht er sogar von sich aus ein politisches Thema an: „Wir haben hier diese Frau, sie haben vielleicht schon von ihr gehört?“ – wobei er auf die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi anspielt. Einmal – in der Soon-U-Phonya Shin Pagode – macht er uns auf eine leere Marmortafel unter einer Buddha-Statue aufmerksam. Hier sei früher der Name Khin Nyunt gestanden, der diesen Buddha gespendet hatte. Nach dessen Absetzung als Regierungschef im Oktober 2004 – man wisse nicht warum, wegen Korruption vielleicht – dürfe dessen Name nirgendwo im Land mehr aufscheinen.
Einmal, im Schutz einer Pagode, meint er, auf die Frage, ob denn die Leute eigentlich auch um politische Veränderung beten: „Die Leute haben Angst“.
Dieses Gefühl ist spürbar und überträgt sich zunehmend. Was sehen wir Touristen denn? Sind die Frauen, die im Straßenbau Steine klopfen, Zwangsarbeiterinnen? Sind die Hotels, in denen wir übernachten, mit Zwangsarbeit errichtet worden? Sind die Männer, die Asphalt anrühren, Gefangene? Was bedeuten die vielen Straßenkontrollen? Was ist in den „Unruheprovinzen“ los, wo das Militär jetzt alles unter Kontrolle hat, den Sperrgebieten für Reisende?
Am Ende einer Reise durch ein atemberaubend schönes Land wissen wir, dass wir gar nichts wissen. Wir wissen nicht, ob es gut ist, hier herzukommen oder nicht. Wir wissen nicht, was es den Menschen bringt, wenn wir ihnen ein paar Mandarinen abkaufen und einige belanglose Worte in gebrochenem Englisch wechseln. Wir reisen ab und haben nur einen Wunsch für die Menschen hier: Demokratie.


Zum Thema Burma-Tourismus haben wir schon mehrmals berichtet, z.B. in den Ausgaben 2 und 7/03 sowie 2, 3 und 5/04.
Die AUA hat mittlerweile die Flüge nach Rangun eingestellt – wegen den Auswirkungen der
Tsunami-Katastrophe, wie es offiziellerseits heißt.

Der Autor bereiste kürzlich mit einer geführten Pauschalreise Burma.

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