Rückschlag für den Süden

Von Robert Poth · · 1999/05

Nach den Finanzkrisen der letzten beiden Jahre und dem Verfall ihrer Terms of Trade stehen die Entwicklungsländer vor ihrem schlechtesten Jahr seit 1982.

Schadet die aktuelle „Globalisierung“ dem Süden? Wer das beweisen will, dem liefern die jüngsten Entwicklungen reichlich Material. Denn das wirtschaftliche Umfeld für die Entwicklungsländer hat sich drastisch verschlechtert, konstatiert die Weltbank in ihrem im April veröffentlichten Bericht „Global Development Finance 1999“. Resultat: Ihre Wirtschaften werden 1999 nur um 1,5% wachsen, so langsam wie seit 1982 nicht mehr. Erst 2001 dürften mit plus 4,6% wieder die „langfristigen Wachstumsraten“ erreicht werden, so die Prognose. Und pro Kopf der Bevölkerung erwartet die Weltbank nach bloß 0,3% Wachstum im vergangenen Jahr für 1999 sogar ein negatives Ergebnis von minus 0,1%.

Was dagegen rasch zunimmt, sind die Auslandsschulden. Sie stiegen 1998 um 6,4% auf den neuen Rekordwert von 2,46 Billionen US-Dollar. Und das, obwohl die Entwicklungsländer um 16,5 Mrd. US-Dollar mehr zurückzahlten (125,3 Mrd. allein an Zinsen), als sie an neuen Krediten aufnahmen. Und während ihre Ausfuhren im Volumen um 3,9% zunahmen, sanken die Exporteinnahmen um 6,2% auf 1685 Mrd. US-Dollar. Daher fiel der Anstieg in einer wichtigen Kennzahl noch deutlicher aus, nämlich im Verhältnis Schulden zu Exporteinnahmen – das stieg von 129% gleich auf 146% an, in Afrika südlich der Sahara sogar von 202 auf 232%.

Als einen Hauptgrund nennt die Weltbank den Verfall der Rohstoffpreise, die 1998 generell um 16% sanken. Die Preise von Metallen und mineralischen Rohstoffen lagen per Jahresende um 33% unter dem letzten Höchstwert im August 1995; landwirtschaftliche Rohstoffe waren um 21% billiger als im April 1996. Die schlechteren Terms of Trade sind teils auf den Nachfragerückgang durch die Finanzkrisen, teils auf ein steigendes Angebot zurückzuführen. Dieses wiederum wird durch neue Technologien, verbesserte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Privatisierungen herbeigeführt, so die Weltbank. Der Trend werde sich noch fortsetzen, und eine Rückkehr zu den letzten Höchstwerten wäre, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren denkbar.

Des einen Leid, des anderen Freud. Die reichen Länder, insbesondere die USA, überstanden die Finanzkrisen nicht zuletzt aufgrund einer starken Inlandsnachfrage vergleichsweise ungeschoren. Sie profitierten sogar indirekt: Die schlechteren Terms of Trade des Südens haben die Rechnung der Industrieländern für Exporte aus Entwicklungsländern 1998 um ca. 66 Mrd. US-Dollar verringert, schätzt die Weltbank.

Nun sind die Nachteile einer Abhängigkeit von Rohstoffexporten seit langem bekannt, und auch die Standard-Antwort: Diversifizierung hin zu Industriewaren mit ihren vergleichsweise stabilen Preisen. Doch 1998 sanken nicht nur die Rohstoffpreise. Etwa lagen die US-Importpreise für Industriewaren aus Entwicklungsländern im Oktober 1998 um 6,1% niedriger als ein Jahr zuvor, kalkuliert die Weltbank, wobei die Importe aus den asiatischen Tigerländern um 9,5%, die aus Lateinamerika um 3,3% billiger kamen.

Bei diesem Preisverfall bei Industrieprodukten könnte es sich nicht nur um ein vorübergehendes Phänomen handeln. Nach Ansicht von ExpertInnen nehmen Industriewaren aus dem Süden zunehmend die Eigenschaften von Rohstoffen an, d.h. sowohl die generell sinkende Tendenz der Preise als auch ihre heftigen Schwankungen. Dies umsomehr, je stärker Produktionen über die Verlagerung unterschiedlicher Fertigungsprozesse in die jeweils kostengünstigsten Länder „vertikal disloziert“ werden.

Ein Beispiel sind etwa die vor allem in Ostasien produzierten Halbleiter (DRAM-Chips), deren Preisverfall 1997 mitverantwortlich für den Ausbruch der regionalen Finanzkrise war.

Ein weiterer Grund, so Yilmaz Akyuz, Chefökonom der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), ist die generell beobachtbare Umverteilung der Einkommen von der Lohnarbeit zum Kapital. Da immer mehr Entwicklungsländer sich gegenüber ausländischen Direktinvestitionen öffnen und flexible Arbeitsmärkte schaffen, sinken die Terms of Trade für Produkte mit hohen Lohnkostenanteilen an der Wertschöpfung.

Die Schlußfolgerung: Von der aktuellen Globalisierung profitiert umso eher, wer sich ganz oben auf der technologischen Leiter befindet oder sie möglichst rasch hinaufklettert. Die Nachzügler haben einerseits den geringeren Nutzen, andererseits das höhere Risiko. Die offene Frage: Was ist ihre Alternative?

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