Schmierige Geschäfte

Von Martin Frimmel · · 2003/03

Um Palmöl gewinnen zu können, werden vor allem in Indonesien Regenwälder zerstört. Die Bevölkerung wird vertrieben.

Die Bilder der großen Brandkatastrophe von 1997/98 bleiben unvergessen. Beißender Qualm beeinträchtigte über Monate das Leben der Bevölkerung in weiten Teilen Südostasiens. Dichter Rauch verdunkelte noch Hunderte Kilometer entfernt den Himmel. Menschen mit Schutzmasken versuchten, sich vor dem allgegenwärtigen Rauch zu schützen. Über 10.000 Menschen strömten wegen Atembeschwerden in die Spitäler von Sarawak (Malaysia). Sarawaks Hauptstadt Kuching meldete 1997 mit 839 Index-Punkten den bisher höchsten gemessenen Schadstoffwert. Werte über 500 gelten als extrem gefährlich.
Diesen verheerenden Waldbränden fielen in Indonesien mehr als fünf Millionen Hektar Tropenwald zum Opfer. Wie eine Studie der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) belegt, dienten etwa 80 Prozent der Brände der Umwandlung von Waldflächen in Plantagen. In der Trockenzeit werden die Regenwälder von Kleinbauern und –bäuerinnen für die Herstellung von Papier und für das Betreiben von Papier-, Zellstoff- und Plantagenfabriken brandgerodet.
Für die Plantagenfirmen ist die Brandrodung die billigste und schnellste Methode der Landgewinnung. In erster Linie waren Palmölkonzerne für die Brände verantwortlich, das bestätigte auch die damalige indonesische Regierung.

Kaum eine Kulturpflanze der tropischen Regionen konnte sich in den letzten Jahrzehnten derart durchsetzen wie die aus Äquatorial-Afrika stammende Ölpalme Elaeis guineensis. Durch erfolgreiche Züchtungen liegt die Palme bei der Ölausbeute unter den Fett liefernden Pflanzen mittlerweile ganz vorne. Die Ölpalme wächst ausschließlich im tropischen Tiefland und steht damit in Konkurrenz zum Regenwald. Investitionen in die Plantagenwirtschaft mit Ölpalmen rechnen sich in kurzer Zeit – nach drei Jahren kann die erste Ernte eingebracht werden. Und schon nach wenigen Jahren ist dann die Gewinnzone erreicht.
Die Zerstörung tropischer Lebensräume – etwa im Amazonasgebiet oder in Südostasien – durch neue Ölpalm-Plantagen schreitet zügig voran. Zum Beispiel in Indonesien: Während es in Malaysia kaum noch große Regenwaldflächen gibt, die für Plantagen gerodet werden könnten, setzen die Konzerne in Indonesien weiter auf Wachstum. In keiner anderen Region dieser Welt nimmt die Anbaufläche von Palmöl in einer vergleichbaren Geschwindigkeit zu. Während diese 1985 erst 600.000 Hektar betrug, waren es 1999 schon dre Millionen. Und die indonesische Palmölindustrie stellt weiter laufend Anträge für eine Ausweitung der Palmöl-Anbauflächen. In absehbarer Zukunft wird Indonesien zum größten Palmölproduzenten der Welt aufgestiegen sein. Heute ist der Inselstaat nach Malaysia der zweitgrößte Produzent.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht in der Ausweitung des exportorientierten Agrarsektors einen Ausweg zur Überwindung der indonesischen Wirtschaftskrise. Der IWF unterstützt somit indirekt den Palmölsektor. Den Vorteil daraus ziehen in erster Linie in- und ausländische Multis; das Palmölgeschäft in Indonesien befindet sich weitgehend in den Händen großer Industrieunternehmen (z.B. Unilever) und heimischer Konzerne wie Sinar Mas und Raja Garuda Mas. Der größte Produzent von indonesischem Palmöl ist der Konzern Sinar Mas mit Firmensitz in Singapur und Kreditgebern aus aller Welt, auch aus Österreich. BA-CA, Erste Bank, Raiffeisen Zentralbank und die Österreichische Kontrollbank unterstützen Tochterfirmen des Konzerns.

Die Plantagenbesitzer gehen extrem skrupellos und umweltzerstörerisch vor. Proteste der Bevölkerung werden ignoriert. In Malaysia etwa wurden während einer Protestaktion – gegen die Ausweitung einer Ölpalm-Plantage auf Ureinwohnerland – 1997 insgesamt 22 Menschen vom Volk der Iban verhaftet, darunter auch ein 13-jähriger Junge, berichtete der „Bruno-Manser-Fonds“, eine Schweizer Umwelt- und Menschenrechtsorganisation. Zwei Personen wurden durch Schüsse der Militärpolizei schwer verletzt, ein 40-jähriger starb – am 24. Dezember 1997 – an den Folgen eines Kopfschusses.
Die Iban leben traditionellerweise vom Fischfang und von der Jagd sowie vom Sammeln von Regenwaldprodukten. Doch wo im Regenwald vor kurzer Zeit noch Tausende von Tier- und Pflanzenarten lebten, erstrecken sich schon bald nach der Brandrodung eintönige Ölpalm-Monokulturen – eine biologische Wüste. Palmölplantagen sind sehr anfällig für Schädlingsbefall. Damit die Palmen ohne Verluste wachsen, werden große Mengen hochgiftiger, in Europa teilweise verbotene Pestizide auf den Pflanzungen ausgebracht. Ahnungslos und in der Regel ohne Schutzausrüstung verteilen die ArbeiterInnen die Pestizide in den Plantagen. Kinder spielen zwischen Chemikalienbehältern, Vergiftungen sind an der Tagesordnung.
Die Palmölfabriken, wegen des hohen Wasserbedarfs immer in der Nähe von Flüssen gebaut, sind auch große Wasserverschmutzer: Über die Flüsse und das Grundwasser verteilen sich die Substanzen im ganzen Ökosystem. Selbst an den Flussmündungen sterben die Fischbestände, obwohl da die Giftbrühe schon um ein Vielfaches verdünnt ist. Die dort lebenden Fischer verlieren ihre Erwerbsquelle. Die Palmölindustrie von Malaysia produziert täglich etwa dieselbe Abwassermenge wie elf Millionen EinwohnerInnen. Die meisten Palmölfabriken besitzen keine Kläranlagen, viele Flüsse sind zu stinkenden Kloaken geworden. Die Bevölkerung ist für die Wasser- und Nahrungsversorgung teilweise auf die Flüsse angewiesen und muss nun oft viele Kilometer zu Fuß gehen, um sauberes Wasser zu holen.

Schauplatzwechsel: In Ecuador zum Beispiel kam es durch das Agrargift Aldrin zu einer katastrophalen Flussverschmutzung. Ein Dorfbewohner erzählt: „Es tauchte weißer Schaum im Fluss auf, das Wasser verfärbte sich dunkelbraun und stank fürchterlich. Wir konnten das Wasser nicht mehr trinken und nicht mehr darin baden. Die Kinder sind oft zum Fluss gegangen und wurden dann krank, es gibt keine Fische mehr. Seit die Palme gekommen ist, ist es mit unserer Lebensweise vorbei.“
Ein großer Teil des Palmöls wird dann auch nicht auf den heimischen Märkten konsumiert, sondern wandert in den Export. Palmöl steckt in vielen Produkten: Die meisten Nahrungsmittel, in deren Zusammensetzung „pflanzliches Fett“ erwähnt wird, enthalten mit großer Wahrscheinlichkeit Palmöl. Der größte Teil wird in der Lebensmittelproduktion verwendet: Das Spektrum reicht von Margarine, Fertigsuppen und Backwaren bis zu Schokolade und Eis. In der Wasch- und Kosmetikindustrie dient Palmöl vor allem zur Herstellung waschaktiver Substanzen. Aber auch für Farben und Lacke wird Palmöl verwendet – ebenso für Schmierstoffe, Fette und Kerzen. Viele namhafte Firmen wie Unilever, Nestlé und Henkel importieren große Mengen Palmöl. Österreich bezieht Palmöl unter anderem aus Malaysia sowie aus anderen EU-Staaten.

Nun müssen Industriekonzerne wie Procter & Gamble oder Unilever weltweit in die Verantwortung genommen werden, fordert der WWF. Bei ihren Lieferanten sollen sie eine umwelt- und sozialverträgliche Erzeugung des Palmöls durchsetzen. Unternehmen sollten „Codes of Conduct“ für indigene Rechte, Sozialpolitik und Umweltstandards einführen. Neue Investitionen, und damit auch die Kreditvergabe der Banken und die Garantien der Exportförderungsagenturenwie etwa der Kontrollbank, sollten eine ökologische und soziale Wende dieses Wirtschaftszweiges begünstigen, so die deutsche Umweltorganisation „Robin Wood“. Dabei ist eine Beteiligung der Bevölkerung vor Ort unbedingt notwendig.
Auch die VerbraucherInnen können mit ihrem Konsumverhalten dazu beitragen, dass die Lebensräume nicht weiter zerstört werden, betont „Robin Wood“: „Lediglich von einem anerkannten Bioanbauverband zertifiziertes Palmöl ist akzeptabel.“ Und tatsächlich: Die führende Schweizer Supermarktkette MIGROS etwa wird in Zukunft nur noch Palmöl kaufen, das den sozialen und ökologischen Richtlinien entspricht, die sie in Anlehnung an die Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC)* erarbeitet hat. Ein erster, wichtiger Schritt.


Tipps für KonsumentInnen*
£ Kaufen Sie biologisch erzeugte Lebensmittel.
£ Verwenden Sie nach Möglichkeit Reinigungsmittel, die auf Seifenbasis hergestellt worden sind.
£ Fragen Sie auch bei Kosmetika, ob darin Palmöl enthalten ist. Es gibt Hersteller, die auf den Einsatz von Palmölen verzichten.
*von der Umweltorganisation Robin Wood


•Der 1993 ins Leben gerufene internationale Forest Stewardship Council (FSC) setzt sich weltweit für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder ein. Die internationale Dachorganisation des FSC hat ihren Sitz in Mexiko.

Der Autor ist freier Journalist und Regenwald-Experte. Er unternahm ausgedehnte Forschungsreisen nach Südostasien und Brasilien.

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