Solidarität mit wem oder was?

Von Irmgard Kirchner · · 2006/06

Globalisierungskritik fällt uns in fernen Ländern leichter als hierzulande.

Hugo Chávez, der Präsident Venezuelas, und sein bolivianischer Amtskollege Evo Morales haben das Zeug zu politischen Idolen. Klar bewiesen am EU-Lateinamerikagipfel und seiner zivilgesellschaftlichen Alternativveranstaltung, die im Mai in Wien über die Bühne gingen. Die beiden wurden von der globalisierungskritischen Bewegung wie Popstars gefeiert.
Sie füllen das Begeisterungsvakuum, das die heimische Politik in Ermangelung von charismatischen Identifikationsfiguren bewirkt. Dass uns ferne Länder und deren Regime interessieren, ist sicher auch Ausdruck internationaler Solidarität, wie sie bereits von der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert gefordert wurde. Zweifelsohne hat diese internationale Solidarität vielerorts zur Durchsetzung von mehr Demokratie und Menschenrechten beigetragen, etwa im Falle Südafrikas das Ende der Apartheid beschleunigt.

Handelt es sich bei der Begeisterung für Hugo, Evo & Co tatsächlich um Solidarität oder nicht auch um ein gutes Stück Projektion? Nach dem Motto: Die Helden sind die anderen. Oder ist es die Solidarität selbst, die in die Ferne projiziert wird? Dafür spricht, dass es mit der Solidarität im Umfeld oft viel schwieriger ist als mit der Solidarität mit einer entfernten Bevölkerung. Die ist nicht unbedingt ein Happening mit hohem Spaßfaktor, sondern der Kitt, der aus einer Menge von IndividualistInnen erst eine Gesellschaft macht. Fehlt uns dieser Kitt nicht in unserer eigenen Gesellschaft? Wie ist Solidarität mit Marginalisierten, etwa MigrantInnen, Arbeitslosen oder Kranken hier und jetzt herzustellen? Wahre internationale Solidarität braucht auf jeden Fall auch Solidarität im eigenen konkreten Lebenszusammenhang.
Ähnliches gilt für die Globalisierungskritik. Sie bezieht naturgemäß Verhältnisse auf der ganzen Welt mit ein. Sie ist eine Tatsache, die sich auf das tägliche Leben von uns allen auswirkt. Einfach ist es nicht, „globalisierungskritisch“ zu agieren in einer Gesellschaft, die makroökonomisch und statistisch zu den GewinnerInnen der Globalisierung gehört.
Deren Chancen für Gesellschaften und Individuen in Nord und Süd zu maximieren und ihre Risken zu minimieren, bestehende Fehlentwicklungen zu korrigieren, ist eine enorme Herausforderung für die Politik und für jeden Einzelnen. Dabei ist es offenbar leichter, Forderungen für die Ferne aufzustellen und sich mit Politiken anderer Länder zu identifizieren, als konkrete Handlungsmöglichkeiten hierzulande anzubieten. Auf diesem Gebiet bleibt die Globalisierungskritik oft Antworten schuldig.

Hierzulande besteht Handlungsbedarf in wesentlich unspektakuläreren Bereichen als Verstaatlichungen oder Landreformen. Etwa die Forderung nach Bewusstseinsarbeit, damit die weitreichenden globalen Vernetzungen überhaupt erfasst werden können und der Mensch handlungsfähig bleibt. Oder auf der Ebene der Politik die Forderung nach mehr Transparenz und Demokratie bei Entscheidungen auf internationaler Ebene oder auf der Ebene der Wirtschaft, Unternehmen zu verantwortungsvollem Agieren zu bringen.
Es gibt positive Ansätze wie zum Beispiel den Fairen Handel oder das Klimabündnis.
Und doch sind wir noch weit davon entfernt, dass alle PolitikerInnen und jeder Einzelne, egal wo er steht und womit er sich beschäftigt, Globalisierung mitgestalten kann.

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