(Un)erwünschte Impulse

Von Redaktion · · 2004/10

Wie sehr eignet sich Privatisierung als Rezept zum Ausbau der Infrastruktur in Entwicklungsländern? Diese Frage 1 stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem Entwicklungsexperten Herwig Adam2.

Benita Ferrero-Waldner:

Der Ausbau der Infrastruktur
ist grundsätzlich eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Es geht dabei um öffentliche Interessen wie Mobilität, Versorgung mit Wasser und Energie, Kommunikation oder Gesundheit. Der Erfahrungshintergrund in Entwicklungsländern zeigt jedoch, dass diese Leistungen von staatlichen Organisationen oft nicht effizient genug erbracht werden können. Privatisierungen können diesem Mangel entgegenwirken. Voraussetzung sind effektive staatliche Behörden mit einer gewissen Autonomie gegenüber Partikulärinteressen.
Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit verfügt besonders in zwei Bereichen der Infrastrukturentwicklung über eine langjährige, erfolgreiche Erfahrung: in der Bereitstellung von Leistungen der Wasser- und der Energieversorgung. Beide Bereiche sind essenzielle Voraussetzungen für eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Der Ausbau dieser Infrastrukturelemente ist in der Regel nur mit einer starken Beteiligung der Privatwirtschaft möglich. In den letzten Jahren wurde hier unter anderem mit „PPP“-Modellen („Public Private Partnerships“) gearbeitet, in welchen die Initiative und Verantwortung von der öffentlichen Hand an den privaten Sektor delegiert werden. Erste Erfahrungen zeigen, dass ein starkes institutionelles Umfeld Voraussetzung dafür ist, dass die Leistungen für die Menschen sichergestellt und gleichzeitig die Naturressourcen geschützt werden können.

Gefahren der Privatisierung in Entwicklungsländern, wie Monopolbildungen oder stark überhöhten Gewinnerwartungen, muss man natürlich frühzeitig entgegensteuern. Die Infrastrukturentwicklung ist dabei gewissermaßen auch ein Spiegel der politischen Planung einerseits und der technischen Leistungsfähigkeit des privaten Sektors andererseits. Insgesamt halte ich die private Beteiligung an Infrastrukturinvestitionen aber für einen wünschenswerten Impuls zur Entwicklung von Gesellschaften, der neben investitionsfreundlichen auch klar definierte soziale Rahmenbedingungen voraussetzt. Die privaten Unternehmen und insbesondere internationale Investoren müssen sich dabei stets auch ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein.
Erst die Verbindung der Dynamik des Privatsektors mit stabilen und ausgewogenen Rahmenbedingungen durch die öffentliche Hand ermöglicht in der Regel aber einen effektiven Infrastrukturausbau, der auch den armen und benachteiligten Bevölkerungsschichten zugute kommen kann. Dies gehört auch zu den Zielen des Konzepts „Wirtschaft und Entwicklung“, das ich zu einem neuen Schwerpunkt der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gemacht habe. Ich bin überzeugt, dass hier noch ein großes Potenzial vorhanden ist.


Herwig Adam:

Privatisierung ist das Zauberwort
der letzten Dekade. Privatwirtschaftliche Unternehmen arbeiten effizienter und effektiver als staatliche, so die Hypothese. Die aus wirtschaftlicher Sicht logische Konsequenz: Privatisierung oder Teilprivatisierung nach unterschiedlichen „Private Public Partnerships“-Modellen.
Aus menschenrechtlicher Sicht, auf Basis des Internationalen Paktes über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, einzeln oder durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit sowie unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um fortschreitend mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt genannten Rechte zu erreichen.
Durch die Privatisierung von für die Erfüllung von Grundbedürfnissen notwendigen Infrastrukturen wie zum Beispiel Wasserversorgung, Energieversorgung, öffentlicher Verkehr, Post, Telefon, Gesundheitsversorgung und Bildung verlieren sehr oft marginalisierte Bevölkerungsgruppen den Zugang zu diesen lebenswichtigen Dienstleistungen, da sie nicht in der Lage sind, diese zu bezahlen.

Aus diesem Grund sind Privatisierungen strategischer Infrastrukturen nur dann uneingeschränkt zu befürworten, wenn vorher entsprechende nationale Rahmengesetzgebungen beschlossen wurden, durch die sicher gestellt ist, dass der Zugang zu diesen Dienstleistungen allen garantiert ist. Zusätzlich muss im jeweiligen Land die entsprechende Rechtssicherheit gegeben sein, damit diese Rahmengesetze auch gegen nationale und multinationale Unternehmen durchgesetzt werden können. Bei Nichteinhaltung der Gesetze muss die Privatisierung wieder rückgängig gemacht werden können. Bedingungen, die in Entwicklungsländern nur sehr selten erfüllt sind.
Wenn im Rahmen der Privatisierung die Ausschreibungskriterien entsprechend formuliert sind, bewirken Privatisierungen einen Investitionsschub, eine Verbesserung der eingesetzten Technologien und eine effizientere Verwaltung, stellen also durchaus einen positiven Impuls dar. Die bekannte Praxis zeigt leider oft die Kehrseite der Medaille: Verschleuderung von Staatseigentum ohne Auflagen, Gewinnmaximierung durch den privaten Investor ohne soziales Gewissen, Aufschub von notwendigen Investitionen bis der Kaufpreis erwirtschaftet ist, Verteuerung und/oder Verschlechterung der Dienstleistung etc.
Privatisierungen sind zwar kein allgemein anwendbares Rezept, aber durchaus eine Chance zum Ausbau der Infrastruktur in Entwicklungsländern, wenn sie verantwortungsvoll und sorgfältig vorbereitet und durchgeführt werden. Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit kann dabei einen wertvollen Beitrag leisten.


1) An dieser Stelle im SÜDWIND-Magazin werden aktuelle entwicklungspolitisch relevante Fragen gestellt. Antworten geben die politisch für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Außenministerin Ferrero-Waldner sowie vom SÜDWIND eingeladene ExpertInnen.

2) Herwig Adam ist Entwicklungsexperte und bei FIAN Österreich tätig. FIAN ist eine internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht, sich zu ernähren.

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