Vom Wolf und der Kreide

Von Irmgard Kirchner · · 1999/03

Der 9. Präsident der Weltbank, James D. Wolfensohn, stattete erstmals Österreich einen Besuch ab.

Offener, transparenter und glaubwürdiger als noch vor 10 Jahren sei die Weltbank unter seinem Regime geworden, lobte Staatssekretär Wolfgang Ruttensdorfer und derzeit Österreichs Repräsentant bei der Weltbank, den Ehrengast aus Washington.

Auf das Positiv-Konto aus entwicklungspolitischer Sicht seiner nunmehr viereinhalbjährigen Präsidentschaft gehen eine interne Reform sowie die HIPC-Initiative, die eine Entschuldung der am höchsten verschuldeten ärmsten Länder vorsieht.

Wolfensohn brachte in Wien sein seit wenigen Wochen kursierendes Thesenpapier unters Volk, sprich die „Development Community“. Mit diesem Paper nimmt er für sich in Anspruch, eine ganzheitliche Sicht von Entwicklung zu entwerfen. Nicht makroökonomische Ziffern allein – für die der Internationale Währungsfonds zuständig sei, sondern ebenso die andere Seite der Waagschale sei zur Beurteilung von Entwicklung notwendig. Und auf dieser Seite schlügen sich Regierungsführung, Vorhandensein von Korruption, Rechtsstaatlichkeit, der Zustand des Sozial- Gesundheits- und Erziehungssystems sowie der Umwelt zu Buche.

Wolfensohns Vortrag erregte hitziges Interesse bei der „Development Community“, deren zahlreiches Erscheinen das Fassungsvermögen des Saales bei weitem sprengte. Man kam, um den liebsten Feind von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Denn Weltbank und Entwicklungsorganisationen sind sozusagen altgediente Feinde.

Und dann hörte man den Besucher aus Washington die Thesen vertreten, die die entwicklungspolitische Szene in Österreich seit mehr als 20 Jahren (vergeblich) fordert.

Wurde dem mächtigen Global Player all die Jahre unrecht getan, als der Weltbank unter anderem der Tod von Babies und steigende Analphabenteraten infolge von gekürzten Gesundheits- und Bildungsbudgets und Verletzung nationaler Souveränität durch de-facto-Koregentschaft vorgeworfen wurde? Hat der Wolf Kreide gefressen oder hat sich die Weltbank wirklich gewandelt?

Gleich vorneweg: Wolfensohns Auftritt blieb trotz vieler scharf gemeinter Fragen an den Referenten die Antwort schuldig. Dieser wußte auf Banales („eine Bank kann doch nicht gut sein“) sowie auf Informierteres („Warum subventioniert die die Weltbank in Simbabwe wider besseren Wissens Grundnahrungsmittel“) eloquente Antworten.

Und Wolfensohn bemüht sich – nicht ganz vergeblich – um Glaubwürdigkeit: Schließlich treibt sich der Chef der Weltbank laut eigenen Aussagen lieber in den Slums der Welt herum als bei noblen Banketts.

Den Handlungsspielraum von Weltbankpräsident Wolfensohn, dem smarten Australo- amerikanischen Milliardär mit leichtem Peter-Ustinov-Einschlag, versuchen wir in dieser SÜDWIND- Ausgabe mit einem brandaktuellen Kommentar (S. 26) auszuloten. Ob Wolfensohn diesen Spielraum ausnützt, sein neues Paradigma in der Praxis zu verwirklichen, werden die nächsten Monate zeigen. Also, alle Augen nach Bolivien und nach Ghana richten, denn dort wird Wolfensohns neuer Ansatz zuerst ausprobiert!

Überhaupt ist für die heimische Entwicklungsszene geistige Aufrüstung in Sachen Wirtschaft gefragt. Denn nicht nur bei der Weltbank, auch im Prozeß der Lomé-Neuverhandlungen wird auf eine Beteiligung der Zivilgesellschaft Wert gelegt.

Unser Wirtschaftsredakteur Robert Poth hatte die Möglichkeit, die EU-AKP-Verhandlungen auf Ministerebene, die Anfang Februar in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stattfanden, aus nächster Nähe mitzuerleben. Freuen Sie sich auf seinen Bericht in der kommenden Ausgabe.

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