Von Eritrea nach Madagaskar

Von rld · · 2006/10

Kleine politische Flaggenkunde.

Wo liegt Eritrea? Das mag sich der eine oder die andere gefragt haben, als ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka eine verschwörerische Eritrea-Koalition ausmachte, die Mitte August verhinderte, dass das Dream-Team der ÖVP weiter im ORF regiert. Eritreas Landesflagge besteht aus drei Zwickeln in den Farben Rot, Blau, Grün, mit einem gelben Kränzchen drauf. Spätestens seit nach dem Wahlkater in Deutschland der kurzlebige Charme einer Jamaika-Koalition (Schwarz-Gelb-Grün) entdeckt wurde, ist es Mode, politische Farbenspiele nach Ländern zu taufen, die relativ unschuldig zum Handkuss kommen. Oder wäre die Sandinistische Befreiungsfront, deren rot-schwarzes Banner in den 1980er Jahren stolz über Nicaragua wehte, wohl einverstanden, dass man die laut Umfragen beliebteste Regierungskonstellation „Sandinisten-Koalition“ taufte?
Orange ist in der Heraldik eine selten gebrauchte Farbe. Schon deswegen ist jede Beteiligung des BZÖ an der künftigen Regierung unwahrscheinlich. Oder können Sie sich allen Ernstes eine Armenien-Koalition (Rot-Blau-Orange) vorstellen? Da Hans-Peter Martin dankenswerter Weise das unschuldige Weiß in das heimische Farbenspektrum eingebracht hat, wird eine Unzahl neuer Spielvarianten möglich. Dennoch hat beispielsweise eine Elfenbeinküsten-Allianz (Orange-Weiß-Grün) nicht nur mathematisch wenig Aussichten. Auch Madagaskar (ein roter und ein grüner Querbalken werden durch vertikales Weiß zusammengehalten), arithmetisch wohl eher machbar, ist bei den Buchmachern kein Renner. Und auf eine Namibia-Koalition (Blau-Weiß-Rot-Grün) würde sich HC Strache nie einlassen. Der muss wohl zähneknirschend eingestehen, dass die einzig wirklich patriotische Kombination (Rot-Weiß-Rot) neben einem Kanzler Gusenbauer einen EU-Minister Martin und einen Minderheitenminister Mirko Messner (KPÖ) bringen würde. So gesehen schade, dass es die KPÖ wieder nicht ins Parlament geschafft haben dürfte.

Reden wir lieber über Konstellationen, die sich ausgehen können: Die große Koalition, vermehrt um HP Martin, führt uns in den Jemen (Rot-Weiß-Schwarz). Estland (Blau-Schwarz-Weiß) hat ganz wenig Charme, wenn man sich das Zusammenwirken von drei Alpha-Tieren vorstellt. Für die Haiti-Lösung (Blau-Rot) hätte Alfred Gusenbauer großen Erklärungsbedarf. Und Strache dürfte beim Gedanken, mit der ersten Schwarzenrepublik assoziiert zu werden, die Stimme versagen. Für Wolfgang Schüssels (bis Wahlkampfbeginn) Lieblingspaarung Schwarz-Orange fehlen wohl die Stimmen. Um sie zu benennen, müsste erst ein neuer Staat gegründet werden. Zum Unglück der ÖVP ist die Symbolfarbe Schwarz in der Welt der Nationalfahnen wenig beliebt. Und auch die Lösung, die Klubchef Wilhelm Molterer sich wünscht, „eine kleine feine Absolute“ hat im Archiv der Flaggen der Welt keine Entsprechung. Tiefschwarz ist lediglich aus der christlichen Seefahrt bekannt: „Pest an Bord!“

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