Wachstum, Wachstum über alles …

Von Redaktion · · 2009/07

Der Global Marshall Plan will einen sozialen Ausgleich zwischen Nord und Süd, globale Nachhaltigkeit und Krisenbewältigung mit einem immensen Wirtschaftswachstum in Einklang bringen. Sein historisches Verdienst ist es, aufzuzeigen, dass diese Richtung der falsche Weg ist, meint Walther Schütz.

Vor etwa zwei Jahren hat das Kärntner „Bündnis für Eine Welt“ einen Nachdenkprozess unter dem Titel „Welche Zukunft machen wir?“ gestartet. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand der „Global Marshall Plan“ (GMP): Stellt die GMP-Initiative einen Ausweg aus der Krise dar oder handelt es sich um eine Sackgasse?

Für die mehreren hundert in diesen Nachdenkprozess involvierten Personen war das Eintreten des GMP für einen sozialen Ausgleich zwischen Nord und Süd ein anerkennenswerter Punkt. Was uns aber stutzig machte, war die Art und Weise, wie dieser Ausgleich geschaffen werden sollte, nämlich über „Wirtschaftswachstum“: In den nächsten Jahrzehnten eine Vervierfachung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Norden, im Süden gar das 32-fache BIP als Ziel! Erreicht werden sollte und soll das über eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft mit global verbindlichen sozialen, ökologischen und kulturellen Standards. Das alles vor dem Hintergrund, die drei Säulen Wirtschaft, Soziales und Ökologie in Einklang zu bringen – so das zugrunde liegende Nachhaltigkeitspostulat.

Wie sieht nun die Position der GMP-Initiative im Jahr 2009 aus? Die gute Nachricht: Schaut man sich die offizielle GMP-Homepage www.globalmarshallplan.org durch, so scheint die Wachstumseuphorie kaum mehr explizit auf. Im „Infocenter“ findet sich eine der wenigen Ausnahmen: Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Joseph Riegler benennt in einer Powerpoint-Präsentation unter „win-win-Strategie im Interesse aller“ als Ziel ein „‚Weltwirtschaftswunder‘ und einen Wachstumsschub durch Investitionsimpulse und steigende Kaufkraft“.

Ist dieses Plädoyer für einen Wachstumsschub nun nur ein „Ausrutscher“ in einer an sich guten Entwicklung der GMP-Initiative weg von der Wachstumseuphorie? Oder ist es nur eine verbale Anpassung an die massiv vorgetragene Kritik, die davon ausgeht, dass ein dauerhaftes, womöglich sogar gesteigertes Wachstum einfach nicht mit der Endlichkeit unseres Planeten zusammengeht?

Nun, die Antwort liegt auf der Hand, wenn man sich den gesamten paradigmatischen Rahmen der GMP-Initiative vor Augen hält: Es kann sich nur um eine sprachliche Adaption handeln, der Kern der so humanistisch und ökologisch begründeten Initiative kann nur ein Wachstumskonzept auf „Teufel-komm-raus“ sein. Denn der harte Kern der GMP-Initiative ist Marktwirtschaft, also eine Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, bei der der zentrale Impuls die Vergrößerung des eingesetzten Kapitals ist. Aus der Sicht des Einzelunternehmens ist dies allein schon deswegen notwendig, um nicht im Konkurrenzkampf (der laut GMP natürlich ein ganz fairer sein soll) unterzugehen. Oder andersrum: Marktwirtschaft ohne Wachstum ist Krise! Und das gilt sowohl für die neoliberale wie für die ökosozial regulierte Spielart. Ja, für letztere sogar umso mehr, denn eine sozialstaatliche Abfederung des Kapitalismus braucht einen umso größeren Überschuss.

Was uns hier der Global Marshall Plan für eine ökosoziale Marktwirtschaft nunmehr eher implizit an Wachstumseuphorie unterjubelt, sollte uns allerdings nicht zu Häme Anlass geben. Denn was der GMP an Regulierungsideen und an Zielformulierungen hervorbringt, ist wohl so ziemlich das Beste, was auf Basis des herrschenden Systems hervorgebracht werden kann. Es unterscheidet sich vielleicht im einen oder anderen Punkt etwa von ATTAC, das z.B. – zu Recht – gegenüber real existierenden Institutionen wie der WTO und der EU skeptischer ist und auch pointierter für eine öffentliche Daseinsvorsorge einsteht. Aber bei allen Unterschieden ist die große Gemeinsamkeit festzuhalten: Wir alle sind in diesem System von einer gelingenden Kapitalverwertung (=Wirtschaftswachstum) abhängig, die einen direkter – etwa der Hackler in der Automobilindustrie -, die anderen indirekter, etwa über Steuereinnahmen als Grundlage für Unterstützungen, Subventionen von Nichtregierungsorganisationen …

Worüber es nachzudenken gilt, was entwickelt werden muss, sind andere Formen des Wirtschaftens, die nach ganz anderen Prinzipien funktionieren als unser Götze „Marktwirtschaft“: Ein Wirtschaften ohne Wachstum, Kooperation statt Konkurrenzprinzip, statt Bedürfnisschaffung möglichst effiziente Bedürfnisdeckung; statt Orientierung an Kaufkraft Orientierung an den Bedürfnissen.

Solche anderen, zukunftsfähigen Formen des Wirtschaftens existierten von Anbeginn der Menschheit, und sie existieren noch heute parallel zur Marktwirtschaft. Sie gilt es wieder zu entdecken, bewusst zu machen, zu verbessern, zu erneuern und neu zu entwickeln. Das wird nicht leicht sein, nicht harmonisch, immer von Widersprüchen begleitet und auch nie endgültig. Aber der Aufbruch hat bereits begonnen, Stichwort „Solidarökonomie“.

Was aber klar ist: Mit einer – wie auch immer regulierten – Marktwirtschaft als dominantem Prinzip haben wir keine Zukunft. Das ist das, was uns die Idee des Global Marshall Plans in einem paradoxen Sinne lehrt.

Walther Schütz ist beim ÖIE-Kärnten/Bündnis für Eine Welt in Villach tätig.
buendnis.oeie@aon.at
www.kaernoel.at/oeie

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