Weit reisen

Von Redaktion · · 2011/09

Georg Bauernfeind ist unser Reporter des Wahnsinns

Der Wahnsinn hat Methode, heißt es laut einer bekannten Redewendung. Selten erfährt man allerdings, welche, und nur ganz selten wird grundsätzlich gefragt: Wie entsteht der Wahnsinn, was muss man tun, um ihn zum Blühen zu bringen und schließlich: Kann man vom Wahnsinn leben?

Die letzte Frage lässt sich eindeutig mit „Ja“ beantworten, denn zumindest dem Wahnsinns-Experten Dr. Jean Urirr gelingt das seit Jahren. Ich traf ihn, um dem Thema auf die Spur zu kommen. Der Kern seiner Aussagen: Der Wahnsinn ist vor allem eine Frage der Perspektive. Oft reicht die Verengung des Blickwinkels und der Samen ist gesät.

Die ausschließliche Beschäftigung mit der eigenen Kultur kann zum Beispiel zum Heimatfilm-Wahn führen. Das ist dann der Fall, wenn jemand die Zulassung zur Wahlurne mit dem Tragen der Lederhose verknüpfen will. Ein übertriebener Männlichkeitswahn kann Buben im Kindergartenalter in die Kraftkammer führen. Vom Mobilitätswahn Befallene sind am Sonntag sicher nicht in der Kirche, sondern beim Autowaschen. Der Mensch im Wahn, so Dr. Urirr, sei ein mentaler Geisterfahrer, der das Glück hat, gerade zufällig alleine unterwegs zu sein. Innerhalb seines eigenen Autos funktioniert das System wunderbar – sogar die Bremsen! Also nichts wie aufs Gas! Im Wahn ist es ganz normal, auf das Fallen von Währungen zu setzen, um selber steigende Gewinne zu verbuchen. Im Wahn ist es „part of the game“, Bestechungsgelder anzunehmen. Im Wahn ist klar, dass nur ständiges Wirtschaftswachstum die Probleme der Überflussgesellschaft lösen kann.

„Aber was kann man tun“, fragte ich Dr. Jean Urirr, um nicht selbst in einen Wahn zu geraten. „Alles eine Frage der Perspektive“, sagte er. Hin und wieder die gewohnten Denkbahnen verlassen, andere Meinungen hören, den eigenen Horizont erweitern, das sei als Vorbeugungsmaßnahme uneingeschränkt zu empfehlen. „Sie meinen Fernreisen“, fragte ich. „Na ja“, sagte er schmunzelnd, „für klassische Kuba-Reisende kann ein Ausflug in das steirische Krakautal die weitere Reise sein – geistig gesehen.“ Sprach es und gab mir damit den Tipp für mein diesjähriges Urlaubsziel, für den ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke.

Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien.
www.georg-bauernfeind.at

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