Wenn einer eine Reise macht

Von Redaktion · · 2002/04

Erstaunlich lang hält sich mittlerweile ein Thema in den Medien, das eigentlich belanglos ist – die Reise des Landeshauptmannes von Kärnten in den Irak. Sie wäre eine völlige Belanglosigkeit, wenn man nicht an der ganzen Posse einige interessante Phänomene erkennen könnte, meint Walther Schütz.

Zunächst einmal: An der Begründung des Jörg Haider für seine Reise in den Irak (im Namen der Humanität, Anm. d. Redaktion) in der Zeitung „Die Presse“ ist kaum etwas auszusetzen. Dort greift er geschickterweise einige der Argumente auf, die zuvor viele KritikerInnen hinsichtlich der verheerenden Auswirkungen des Boykotts des Irak auf die Zivilbevölkerung selbst verwendet haben. Haider wirft seinen KritikerInnen Doppelmoral vor.
Nun ist eines klar: Eine Begründung für die Reise ist noch lange nicht der Grund. Den kennt man zwar nicht, aber zu vermuten ist einmal, dass dem für sein geschicktes Spielen auf der Medienorgel bekannten Politiker der innenpolitische Boden zu heiß geworden war und er einen außenpolitischen Entlastungsangriff starten musste. Dass es nicht wirklich um eine „entwicklungspolitisch“ motivierte Aktion ging, zeigt sich schon daran, dass das Kärntner entwicklungspolitische Budget mit dazugehörigem Beirat davon bedroht ist, abgedreht zu werden. Und zwar, indem dieser Beirat einfach nicht einberufen wird und die bei der einen Sitzung des Jahres 2001 vorgeschlagene Liste der zu fördernden Projekte in der Landesregierung nicht einmal behandelt wurde. Verantwortlich dafür: Eben dieser Landeshauptmann, der per Statut Vorsitzender des Beirates ist. Dabei wäre gerade dieser Beirat eine Chance, seriöse Kontakte jenseits des Populismus zu pflegen, Einsichten in Zusammenhänge zu wecken etc.

Eine weitere Vermutung: Dass das Regime in Bagdad eine rabiate Haltung gegen den Staat Israel einnimmt, dürfte jenseits des populistischen Motivs für den Reisenden einen ideologischen Zusatznutzen abgeworfen haben.
Das alles ist eigentlich schrecklich banal. Nachdem nun der überwiegende Teil der LeserInnen dieser Zeitschrift nicht zur Fangemeinde des Anlassgebers dieses Artikels gehört, ein paar kritische Fragen an die Leserschaft:

1. Zum Populismus: Was wäre, wenn niemand aufgeheult hätte, als man von der Reise des Herrn Landeshauptmannes erfuhr?
Wäre dann nicht einfach „Nichts“ gewesen? Ist nicht vielleicht sogar das eigene Aufspringen auf jeden „Skandal“ der eigentliche Populismus, der eben auch antiemanzipatorisch ist, indem er verkürzt, die Menschen bei ihrem ungesunden Menschenverstand, beim unmittelbar Sichtbaren anspricht und nicht die Menschen zum Schauen hinter die Kulissen, hinter die Sachzwänge, zu analytischen Denkanstrengungen motiviert?

2. Zum „Schaden“: Die Reise habe den Interessen des Landes geschadet, Firmen könnten Exportschwierigkeiten bekommen, der Elektronikstandort sei in Gefahr, etc. Welche Bilder stecken hinter solchen Argumenten? Was meint dieses „wir“, diese Standortgemeinschaft, der da geschadet worden sei? Wie werden da „die Anderen“ gesehen, die, die nicht dem Standort angehören? Ist der Unterschied zu einer Blut- und Boden-Ideologie wirklich so bedeutend? Oder führt nicht vielleicht das eine zum anderen?

3. Zur „Moral“ und den Menschenrechten: Wem nützt es eigentlich, wenn jetzt lauthals die Verletzung von Boykottbestimmungen gegenüber dem Irak beklagt wird? Welche Nicht-Politik wird eigentlich gefördert, wenn man so klar in Gut und Böse unterscheidet? Wird da überhaupt noch nach Ursachen gefragt, nach Zusammenhängen, nach den Bedingungen, die Diktatoren an der Peripherie der Weltwirtschaft treibhausartig gedeihen lassen? Wie schaut es mit der Verantwortung eines Systems aus, das auf der anderen Seite auch nur Schönwetterdemokratien etabliert, die nach den kleinsten Erschütterungen zur Notstandsgesetzgebung schreiten? Ist dieses Boykottieren, dieses Drohen und Abstrafen der „Bösen“ nicht vergleichbar mit dem, was in der Justiz im Norden – bei uns – sich durchzusetzen beginnt – der Politik des scharfen Vorgehens gegenüber StraftäterInnen? Mit genau jener Auffassung von Recht, die man richtigerweise den Alt-/Neu-Rechten vorwirft? Ist das nicht genau das, was ultrarechte Hardliner wie ein George Bush im In- und Ausland propagieren, nämlich die Politik des Big Sticks?

Meine Befürchtung: In Summe wurde wohl mit der ganzen Aufgeregtheit der Diskurs weiter weg von Aufklärung, friedlichen Konfliktlösungen und Emanzipation verschoben. Und dafür tragen viele die Verantwortung.

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