Wer fürchtet sich vor Dambisa Moyo?

Von Irmgard Kirchner · · 2009/07

Wenn Stimmen aus Afrika die Einstellung von Entwicklungshilfe fordern, gibt es eine Resonanz in den Medien, von der die ProtagonistInnen von Entwicklungsthemen ansonsten nur träumen können.

Dead Aid“, das Buch von Dambisa Moyo, Ökonomin und gebürtig aus Sambia, schlägt hohe Wellen. Erst seit wenigen Monaten in Englisch auf dem Markt und Bestseller, wird es in sämtlichen großen deutschsprachigen Medien besprochen. Moyo tritt damit in die geistigen Fußstapfen des kenianischen Publizisten James Shikwati, der bereits seit einigen Jahren ein Ende der Entwicklungshilfe fordert.

Moyo scheint in der Entwicklungshilfe („Aid“) eine Art Universalsündenbock gefunden zu haben: sie sei nicht nur unwirksam, sondern sogar schädlich, fördere Korruption, verhindere Good Governance, sei Ursache für Konflikte, lähme die Eigeninitiative und verhindere Wirtschaftswachstum, welches sie mit Entwicklung gleichsetzt. Sie plädiert für eine radikal marktwirtschaftliche Lösung für die Probleme Afrikas. In Interviews verwendet sie gerne das Bild von Zuckerbrot und Peitsche, dem Anreizsystem, das Entwicklungshilfe außer Kraft setzen würde. Die Marktkräfte würden alles regeln, sogar indirekt Diktatoren aus dem Amt jagen (abgesehen davon, dass laut Moyo ein wenig Diktatur der Entwicklung nicht immer abträglich sein muss, wie man angeblich am Beispiel Chile unter Pinochet sehen konnte).

Das heftige Medienecho ist wohl auf eine Art Afrika- oder Frauen-Bonus für Dambisa Moyo zurückzuführen, den eine Intellektuelle von ihrem Kaliber wirklich nicht braucht. Sieht man davon ab, kann man Moyos Aussagen ganz unaufgeregt kritisieren.

Moyo berührt treffsicher wunde Punkte. Die allerdings im Wesentlichen nicht neu sind. Vieles an der Entwicklungshilfe der letzten 50 Jahre ist zu kritisieren. Es wurde und wird aus den Fehlern auch viel gelernt und um neue Konzepte gerungen. Diese Diskussionen und Grundsatzerklärungen (etwa die Pariser Deklaration) ignoriert Moyo. Was vor 50 Jahren geschah und heute getan wird, verbindet wohl nur mehr der gemeinsame Begriff „Aid“.

Schlüssige Kausalzusammenhänge zwischen Entwicklungshilfe und der Verarmung Afrikas bleibt Moyo schuldig. Ihre Argumentation ist hochgradig ideologisch geprägt. Soll sein. Warum sollte es keine MarktfundamentalistInnen afrikanischer Provenienz geben?

Frau Moyo erzählt in Interviews auch, dass die im Bereich Entwicklungshilfe tätigen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) böse auf sie seien, weil sie ihre Existenzberechtigung bedroht sehen. Ich finde, dass man aus NGO-Sicht ihr im Gegenteil dankbar sein muss – für das Rampenlicht, in dem ein viel zu wenig wahrgenommener Politikbereich neben ihr zumindest kurzzeitig stehen kann. Und im Zuge dieser Publizität kann das Thema Entwicklungszusammenarbeit mit ihren Grenzen, Schwächen und Möglichkeiten in der breiten Öffentlichkeit angesprochen und kritisch reflektiert werden. Überlassen wir die Moyo-Rezeption nicht Leuten wie dem FPÖ-EU-Abgeordneten Andreas Mölzer. Der zitiert Moyo, allerdings nicht – wie von dieser für sich selbst in Anspruch genommen – im Interesse von Afrika, sondern im Interesse des eigenen Kleingeistes.

„Dead Aid“ kann so viel Widerspruch aus so vielen verschiedenen Denkrichtungen hervorrufen wie wohl kaum ein wohlmeinendes Werk von Gleichgesinnten. Und eine lebendige Diskussion kann niemals schaden.

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