Wind weht nicht nur im reichen Norden

Von Dierk Jensen · · 2009/02

Windenergie ist eine Option für viele Entwicklungsländer. Zwar steht ihre Nutzung vielerorts noch in den Startlöchern. Doch wegen ihrer Umweltfreundlichkeit und der energiepolitischen Unabhängigkeit, die sie verspricht, gewinnt sie an Bedeutung. China macht vor, was möglich ist.

Der Drache kann auch ganz anders. Während KritikerInnen in der westlichen Welt weiter über Pekings klimaschädlichen Energiekurs herziehen, hat die chinesische Windenergiebranche nicht für möglich gehaltene Höhen erklommen: Turbinen mit einer Kapazität von mehr als 5.000 Megawatt wurden im Reich der Mitte allein im letzten Jahr aufgestellt. Auch in den chinesischen Medien ist Windenergie mittlerweile ein gängiges Thema. So warb der US-amerikanische Anlagenhersteller GE vor den Olympischen Spielen mit aufwändigen Spots im chinesischen Staatsfernsehen für die umweltfreundliche, weil CO2-freie Windenergie. Und Peking als Gastgeberstadt der Sommerspiele ließ es sich nicht nehmen, mit einem eigenen so genannten „Olympia-Windpark“ nicht weit der Chinesischen Mauer der ganzen Welt zu demonstrieren, dass sie es mit der Nutzung der Windenergie ernst meint.
Tatsächlich hat sich das in vielen Bereichen noch unterentwickelte China bei der Installation von Windkraft innerhalb kürzester Zeit an die Weltspitze katapultiert. Nur noch die USA hat im selben Zeitraum mehr an Kapazität zugelegt. ExpertInnen erwarten aber, dass China schon in drei Jahren weltweit Nummer 1 sein wird. Nach Prognosen von BTM, einem dänischen Consulting-Unternehmen für erneuerbare Energie, sollen dann zwischen der Mongolei und dem Südchinesischen Meer Windparks mit einer Gesamtkapazität von rund 42.000 Megawatt die Flügel drehen. Das wäre ungefähr das Doppelte, was Deutschland als Pionier bislang an Windenergiekapazität vorzuweisen hat und wofür die Deutschen immerhin ein Vierteljahrhundert brauchten.
Windenergie bis 2030
Ende 2008 erreichte die installierte Kapazität von Windkraftwerken weltweit ca. 115 Gigawatt, schätzte das Fachmagazin Windpower Monthly im Jänner – 22% mehr als Ende 2007 und bereits mehr als genug, um ganz Australien mit Strom zu versorgen.
Nach zwei Szenarien der weltweiten Branchenorganisation Global Wind Energy Council (GWEC) vom vergangenen Oktober wären bis 2030 Kapazitäten von 1.400 GW oder sogar 2.375 GW möglich. Diese Windkraftwerke könnten rund 12% bzw. 20% des erwarteten weltweiten Strombedarfs decken. Europa, 2007 mit 61% der Kapazitäten noch Hauptstandort, würde seine Dominanz mit 15%-23% jedenfalls verlieren, während auf China, Indien und die übrigen Entwicklungsländer Asiens zusammen fast 40% der Kapazitäten entfielen (2007: 15%). Lateinamerika würde mit 7-8% in beiden Szenarien zu einem wichtigen Standort aufsteigen; Afrika und der Mittlere Osten wären dagegen mit Anteilen von bestenfalls 2% bzw. 3% auch 2030 vergleichsweise unbedeutend.
R.P.

Quelle: Global Wind Energy Outlook 2008
Download: www.gwec.net/index.php?id=92


Nun darf der Windrausch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Chinas Energiehunger in den nächsten Jahren weiter wächst und der Anteil der Windenergie am Gesamtenergieverbrauch trotz größter Anstrengung wohl kaum eine zweistellige Prozentzahl erreichen wird. Wichtig ist aber die Signalwirkung, die von den Erben Maos ausgeht. Obgleich China sowohl in ökonomischer als auch politischer Hinsicht ein Einzelfall ist, macht es doch Ländern in Südostasien, Afrika und Mittel- und Südamerika deutlich vor, dass Windenergienutzung längst nicht nur eine Angelegenheit hochentwickelter Länder ist. Weshalb der französische Windenergieanlagenhersteller Vergnet treffend von „Farwind“-Regionen spicht (vom englischen „far“ = weit), die im Gegensatz zu den „Nordwind“-Regionen noch keine Stromerzeugung aus Windenergie in großem Stil kennen.
„Dabei schlummern in den Schwellen- und Entwicklungsländern noch Riesenpotenziale“, weiß Rolf Posorski von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Er ist Leiter des GTZ-Windenergieprogramms TERNA, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten in insgesamt 13 Entwicklungsländern technische, politische und administrative Vorarbeit geleistet hat. Die GTZ hat die Windenergie schon Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts als eine Zukunftsenergie erkannt; zu einem Zeitpunkt, als in Europa viele PolitikerInnen, von schwarz bis rot, die aufstrebende Windenergiebranche noch als gigantisches Subventionsgrab verteufelten. Die KritikerInnen von einst sind verstummt, nicht zuletzt, weil die IngenieurInnen der Windenergie wichtige technische Innovationen anschoben und dadurch die Kapitalkosten pro Kilowattstunde immer geringer wurden.
Inzwischen ist es eine Tatsache, dass bei Ölpreisen jenseits von 70 US-Dollar pro Barrel wie bis vor kurzem üblich der Strom aus Dieselkraftwerken in vielen Regionen des Südens bereits teurer ist als der Strom aus Windenergieanlagen. Außerdem ist die Windenergie besonders in jenen Schwellenländern gefragt, in denen die Wirtschaft schneller wächst als die Stromerzeugungskapazitäten. Dies gilt unter anderen für Länder wie Südafrika, China und Vietnam. „Diese strukturellen Versorgungslücken können von der Windenergie zügiger als durch her-kömmliche und in der Regel planungsintensivere Kraftwerksbauten geschlossen werden“, erläutert Posorski.

Beispiel Vietnam. Das zumindest auf dem Papier noch kommunistische Vietnam hat seit der Öffnung seiner Märkte zu Beginn der 1990er Jahre ein atemberaubendes Wirtschaftswachstum hingelegt. Jährliche Zuwachsraten von sieben Prozent und mehr waren in der Vergangenheit oft zu verzeichnen, weshalb man in asiatischen Wirtschaftskreisen ehrfürchtig vom „neuen asiatischen Tiger“ sprach. Allerdings gingen Wachstum und steigender Wohlstand an vielen Stellen zu Lasten der Umwelt. Außerdem nahm der Energieverbrauch rapide zu. Neben großen Wasserkraftwerken erzeugen viele Kohle- und Gaskraftwerke den Saft, ohne den moderne Zivilisationen nicht mehr funktionieren. Obwohl der staatliche Energieversorger lange Zeit den Einstieg in die erneuerbaren Energien blockierte, scheint nun der Durchbruch für die Windenergie anzustehen. Ausländische Investoren sind auf dem Sprung nach Vietnam. Zum Beispiel die wpd think energy GmbH & Co. KG aus Bremen, die in 20 Ländern als Entwickler, Vermarkter und Betreiber von Erneuerbare-Energie-Kraftwerken aktiv ist. Mit Beginn 2009 gründete sie das Joint Venture wpd vietenergy. „Wir sind im südlichen Abschnitt der vietnamesischen Küste unterwegs. Dort herrschen gute bis sehr gute Windverhältnisse. Wir wollen mittelfristig 200 bis 300 Megawatt realisieren“, verrät wpd-Sprecher Christian Schnibbe.

Windenergie-Projekte der OEZA
Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) unterstützt Entwicklungsländer u.a. dabei, ihre lokalen Energieressourcen nachhaltig zu nutzen. Jährlich werden Energievorhaben in der Höhe von rund 5 Mio. EUR gefördert. Im Bereich Windkraft finanziert die OEZA derzeit Projekte in Bosnien und Herzegowina, Äthiopien, Kap Verde und Zentralamerika. Auf Kap Verde unterstützt sie die Entwicklung von Windparks mit einer Gesamtkapazität von
28 MW. Die Windparks werden die drastische Abhängigkeit von teuren Dieselimporten reduzieren. Derzeit werden auf Kap Verde über 96 Prozent des Stroms mit Dieselkraftwerken produziert. Eine internationale Studie hat ergeben, dass Kap Verde zu den 15 afrikanischen Ländern zählt, die über die besten Bedingungen für den Einsatz von Windkraft verfügen.
red

Auf dem afrikanischen Kontinent existierten im Jahr 2007 laut Angaben des Global Wind Energy Councils (GWEC) Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von nur 454 Megawatt. Das ist im Verhältnis zu anderen Regionen wahrlich nicht viel. Zumal es an den afrikanischen Küsten und in den Hochebenen gute Windbedingungen gibt. So auch in Äthiopien, wo im Rahmen der deutsch-äthiopischen Entwicklungszusammenarbeit eine von Österreich kofinanzierte Machbarkeitsstudie für den Betrieb von netzgekoppelten Windparks angefertigt wurde. Mit dem Ergebnis, dass die ExpertInnen von der GTZ (TERNA) explizit zum Bau rieten; nicht zuletzt weil die Kosten für die Kilowattstunde Strom in dem ostafrikanischen Land um die Hälfte billiger sind als beim Betrieb von Dieselanlagen. Auf der Grundlage dieser Empfehlung schickte der äthiopische Energieversorger eine Ausschreibung zweier Windparks mit einem Volumen von 120 Megawatt in alle Welt. „Kein einziger Hersteller reagierte darauf“, bedauerte der GTZ-Windexperte Tim-Patrick Meyer, als es Absagen hagelte. Viele europäische und nordamerikanische Hersteller meiden Länder wie Äthiopien, weil ihre Auftragsbücher ihnen noch erlauben, sich voll auf die vermeintlich sicheren und leichter zugäng-lichen Länder zu konzentrieren.
Aber Länder wie Äthiopien verdienen mehr Aufmerksamkeit. In dem ostafrikanischen Land kommt der Strom zu 98 Prozent aus Wasserkraft. Nur 20 Prozent der EinwohnerInnen haben Zugang zum Stromnetz. Dabei wird das theoretische Windenergiepotenzial neben dem riesigen Wasserkraftpotenzial (über 30.000 MW) – bei Jahreswinden von 6 bis 8,5 Meter pro Sekunde – auf ca. 10.000 Megawatt geschätzt. Chancen, die der französische Hersteller Vergnet offenbar erkannt hat. Zur großen Überraschung vieler ExpertInnen unterschrieben die Franzosen im November 2008 einen Liefervertrag mit dem äthiopischen Energieerzeuger Ethiopian Electric Power Corporation (EEPC) über 120 Maschinen à einem Megawatt. Der Anlagentypus mit zwei Flügeln soll besonders tropentauglich und wirbelsturmsicher sein; sein geringes Eigengewicht erfordert kein schweres Baugerät, und er ist auch weit ab von Asphaltstraßen noch transportfähig. Im Übrigen: Der Coup von Vergnet ist der größte Kaufvertrag, der zwischen einer französischen und einer äthiopischen Firma je abgeschlossen wurde. Die französische Bank BNP Paribas stellt dem Betreiber des zukünftig größten Windparks südlich der Sahara, einst von der GTZ initiiert, einen Kredit in der Höhe von 165 Millionen Euro zur Verfügung. Und vielleicht, was zu wünschen wäre, ebnet Vergnet den Weg für viele Nachahmer.

Dierk Jensen ist freier Journalist in Hamburg.

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