„Wir sind Freunde geworden“

Von Lydia Matzk · · 2002/09

Das Verhältnis von MigrantInnen zur Polizei ist schwierig und emotional oft stark belastet. Dass „durch’s Reden die Leut’ z’sammenkommen“, beweisen zwei erfolgreiche Projekte. Lydia Matzka

Jede/r achte WienerIn assoziiert „Afrikaner“ mit Kriminalität und Drogenhandel, schreibt der Wissenschaftler Erwin Ebermann in seinem neuen Buch „Afrikaner in Wien“.* Rechtsaußen angesiedelte Politiker schüren diese Vorurteile, wie z.B. die FPÖ-Abgeordnete und Richterin Helene Partik-Pablé: „…Erkundigen Sie sich doch einmal bei den Beamten über die Art der Schwarzafrikaner! (…) Sie sind meistens illegal da, sie sind meistens Drogendealer, und sie sind ungeheuer aggressiv, wenn sie von Exekutivbeamten beanstandet werden.“ Einige Polizeibeamte haben zweifellos solche Vorurteile. An einem sonnigen Julinachmittag zum Beispiel patroullieren zwei Streifenwagen die Donauinsel auf und ab. Das Auto hält, zwei Beamte mit Hund steigen aus und marschieren zielstrebig auf eine Gruppe sich unterhaltender Afrikaner zu. Diese wiederum wissen routiniert, was zu tun ist. Ausweiskontrolle. Die Patrouille kontrollierte auf Drogenverdacht ausschließlich AfrikanerInnen. Aber nicht überall laufen die Kontrollen friedlich ab. Oft führen Missverständnisse zu aggressivem Handeln.
Das Verhältnis zwischen AfrikanerInnen und der Polizei ist emotional stark belastet, nicht zuletzt wegen des Falls Marcus Omofuma. AfrikanerInnen müssen es sich gefallen lassen, immer und überall kontrolliert zu werden. Sofort werden sie mit „du“ angesprochen. „Afrikaner = Drogendealer“ ist wohl das hartnäckigste Vorurteil.

Das Projekt „Polizei und Afrikaner“ geht im September in seine zweite Phase. Ein weiteres Jahr lang soll der Dialog zwischen PolizistInnen und AfrikanerInnen gesucht und dadurch Vorurteile abgebaut werden. Man hatte wieder um EU-Förderung angesucht, doch diese wurde nicht genehmigt. Das Projekt soll aber trotzdem weitergeführt werden. Josef Böck von der Kriminalpolizei Floridsdorf war von Anfang an als Mediator dabei. Er habe vom Dialog mit AfrikanerInnen sehr viel für sich persönlich lernen können. Auch er sei anfangs oft aggressiv in Amtshandlungen gegangen, „doch das ist völlig falsch“, sagt er heute. „Es ist für Polizisten wichtig, Afrikanern emotionsfrei zu begegnen.“ Früher habe auch er sich oft geärgert, dass Afrikaner nie ihre Schuld eingestehen würden und dass sie während der Befragung unentwegt auf den Boden starren. Doch inzwischen könne er sie verstehen. „Die meisten Afrikaner kommen aus Ländern, wo die Polizei einen sehr rauen Umgang mit den Menschen pflegt, daher ist es verständlich, dass sie sich aus Angst vor einer Festnahme zur Wehr setzen“, erzählt Böck. „Jetzt gehe ich viel lockerer auf einen Afrikaner zu. Ich gebe ihm zum Beispiel sofort die Hand“, so Böck. Dies sei entwaffnend und nehme dem gespannten Verhältnis zwischen Polizei und AfrikanerInnen ein bisschen die Spitze. Im neunten Wiener Gemeindebezirk (Bezirksamt 1090, Währingerstraße 43) ist ab dem 2. September an jedem ersten und dritten Montag im Monat von 17 bis 19 Uhr eine Beratungsstelle geöffnet, in der Probleme zwischen AfrikanerInnen und PolizistInnen gemeldet werden können. In der Beratungsstelle sind jeweils ein/e Polizist/in, ein/e Menschenrechtsexperte/in und ein/e Afrikaner/in anwesend.

Mit dem Lehrgang „Polizeiliches Handeln in einer multikulturellen Gesellschaft“ wird Beamtinnen und Beamten, die in ihrem beruflichen Alltag häufig Kontakt zu MigrantInnen haben, die Möglichkeit geboten, Klischees abzubauen, ihren Erfahrungsschatz und ihr Wissen über die Herkunftsländer der AusländerInnen zu erweitern. Der Lehrgang wird von der Sicherheitsakademie und dem Internationalen Zentrum für Kulturen und Sprachen (IZKS) heuer bereits zum vierten Mal angeboten. Unterrichtszeitraum: September bis Juni. Das Stundenausmaß des Lehrgangs beträgt insgesamt 108 Unterrichtseinheiten in zwei Semestern. Die Vortragenden kommen aus den Bereichen Universität, Erwachsenenbildung und von Nichtregierungsorganisationen (z.B. Amnesty International und Asylkoordination Österreich), sowie aus dem Innenministerium. Die BeamtInnen werden während der Dauer der einzelnen Seminare dienstfrei gestellt. Die Teilnahme am Lehrgang ist für sie kostenlos. Die Themen sind polizeiliches Handeln (hier werden klassische Arbeitssituationen analysiert), Konfliktmanagement, Menschenrechte, Diskriminierung und Rassismus.

Beim ersten Lehrgang (Pilotprojekt 1999/2000) gab es anfangs große Schwierigkeiten, berichtet Tandem-Trainerin Beatrice Achaleke. Sie stammt aus Kamerun und war von Anfang an dabei. „Als uns die PolizistInnen das erste Mal gegenüber traten, sagten sie, dass wir nicht ihre Klientel seien. Sie erwarteten sich von uns Infos über Drogendealer, wo man solche in Wien anträfe und wie man am besten mit ihnen umgehe. Wir hingegen wussten darüber nichts. Auch waren sie überrascht, MigrantInnen zu treffen, die intellektuell sind und gut Deutsch sprechen. Das hatte man sich nicht erwartet“, erzählt Achaleke. Der Lehrgang wurde jedoch von Jahr zu Jahr besser, fügt sie hinzu, „mit der Zeit konnten Vorurteile abgebaut werden“.
„Anfangs war der Lehrgang eine etwas holprige Sache“, bestätigt auch Peter Glanninger von der Sicherheitsakademie. Nach drei Jahren habe man mehr Erfahrung und der Lehrgang sei inzwischen „eine runde Sache“. Obwohl die Veranstalter wenig Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben, gäbe es viele Anfragen, sogar aus Deutschland und Südtirol. Man will das Konzept verschriftlichen. Bisher war der Lehrgang auf Ostösterreich beschränkt, im Jahr 2003/2004 soll er auch auf den Westen ausgedehnt werden.
Parallel zu den Seminaren finden an vier Abenden moderierte Gruppentreffen statt. Sie bieten unter dem Titel „Tandem“ die Möglichkeit, sich mit EinwanderInnen über deren Migrationserfahrungen auszutauschen. Vertieft werden diese persönlichen Kontakte durch individuelle Treffen zwischen je einem/r Migranten/in und einem/r Beamten/in. „Die Tandems sind sehr wichtig, denn hier begegnen Polizisten zum ersten Mal einem Ausländer auf neutralem Boden“, findet Beatrice Achaleke. Außerhalb der klassischen Konfliktfelder während der Amtshandlung (uniformierter Polizist begegnet vermeintlichem Schuldigen), können PolizistInnen MigrantInnen als ganz normale Menschen kennen lernen und so Vorurteile abbauen. Für den Leiter der Abteilung Ausbildung im Innenministerium, Herbert Anderl, sind die „zentralen Elemente des Lehrgangs das Gemeinsame und das Voneinander-Lernen“. Das Gegenüber sei gefordert, vom anderen zu lernen, Verständnis und Toleranz aufzubringen.

Das Tandem-Paar Danut Hoza und Robert Haider nahm die Wiener Straßennamensgebung genauer unter die Lupe. So fanden sie z.B. heraus, dass die „Afrikanergasse“ im 2. Bezirk 1862 so benannt wurde, um die Doppelbezeichnung Marokkanergasse, die es bereits im 3. Bezirk gab, zu beseitigen. Der Lateinamerikaner Jorge Fuentes war sehr glücklich, weil er die einzige Polizeibeamtin als Partnerin zugeteilt bekam: „Ich bekam die einzige Blume in der Polizei.“ Die beiden entwickelten einen Fragebogen zum Zusammenleben der Kulturen in Wien. Die meisten Befragten beurteilten das Zusammenleben der Kulturen als „passiv“. Um es zu verbessern, wurde meist gefordert, dass sich die MigrantInnen besser anpassen müssten. „Jede fünfte Antwort war negativ“, berichtet Exekutivbeamtin Angela Klein. „Viele sprachen sich für mehr Integration aus. Ein Mann forderte gar in Rot und mit drei Rufezeichen versehen eine Überwachung der MigrantInnen.“
Egon Kokail und Cemal Varol drehten gemeinsam einen Film. Egon Kokail lernte von Cemal Varol kurdisch Kochen. Die beiden hatten eine Menge Spaß dabei. Anfangs begegnete man sich etwas steif und mit Vorbehalten, doch die gemeinsamen Aktivitäten brachten die beiden näher zusammen. „Wir sind Freunde geworden und ich hab ihn wirklich lieb gewonnen“, sagt Kokail und umarmt seinen kurdischen Tandem-Partner Varol.


Informationen zum Lehrgang „Polizeiliches Handeln in einer multikulturellen Gesellschaft“: Internationales Zentrum für Kulturen und Sprachen (Maria Hirtenlehner, Susanna Gratzl-Ploteny)
Siccardsburggasse 59/I
1100 Wien
Tel: 01/600 56 70
e-mail: izks@atnet.at

Nähere Infos zum Projekt „Polizei und Afrikaner“ unter www.eupp.info, gfbv.austria@chello.at, 0664-614 30 69 (Oberstleutnant Josef Böck) und 01-374 29 41 (Mag. Alexandre Mbaya)

* Erwin Ebermann: „Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung.“ LIT-Verlag Hamburg Berlin Münster, Herbst 2002,
ISBN 3-8258-5712-3, Infos unter
www.afrika-wien.at

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