Wo der Pfeffer wächst

Von Robert Poth · · 2007/12

Global betrachtet, ist der Gewürzhandel ein bewegtes Geschäft. Wer Pfeffer & Co. produziert, wer wie viel konsumiert und wer bei einzelnen Gewürzen die Nase vorne hat, ändert sich zwar kontinuierlich, der große Player – Indien – aber bleibt unangefochten an der Spitze.

In Zeiten der Globalisierung, so meinen ihre KritikerInnen, verstärkt sich weltweit die Ungleichheit. Bei Gewürzen scheint sich diese Auffassung voll und ganz zu bestätigen: Obwohl die Welt insgesamt „würziger“ wird, nimmt die Schieflage zu – allerdings in diesem Fall zu Ungunsten des Nordens. Der Anteil der reichen Länder an der Weltproduktion (ca. 7,3 Mio. Tonnen) halbierte sich zwischen 1990 und 2005 auf nur mehr 4,3%, und beim Konsum von 17% auf 12,6% (siehe Grafik S. 42). Und wer hat, dem wird gegeben: Gerade der Anteil jenes Landes, das in der Produktion die dominierende Position einnimmt, nämlich Indien, stieg im selben Zeitraum von 40% auf 47%, beim Konsum sogar noch stärker: von 35,8% auf mehr als 45%. In Indien werden pro Kopf und Jahr zirka drei Kilo Gewürze verzehrt, das ist das Dreifache des Konsums im Norden – eine Diskrepanz mit steigender Tendenz: Die Zuwachsrate liegt mit mehr als 5% jährlich weit über der im Norden (knapp 2%).
Stagnierende Erzeugung im Norden bei zunehmendem Verbrauch hat mehr Gewürzimporte aus dem Süden zur Folge. Diese nahmen von rund 660.000 Tonnen im Jahr 2000 auf 840.000 Tonnen im Jahr 2005 zu. Mit der traditionellen Dominanz des Nord-Süd-Handels ist es aber dennoch vorbei: Bereits seit 2001 sind die Süd-Süd-Gewürzgeschäfte bedeutender – 2005 etwa mit einem Importvolumen von 956.000 Tonnen.

Exportwert: Daumen mal Pi
2005 wurden weltweit Gewürze im Wert von 2,9 Mrd. US-Dollar exportiert, besagen die Zahlen der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO). Die FAO-Daten enthalten jedoch Re-Exporte durch Zwischenhändler oder die verarbeitende Industrie – 2005 etwa tauchen die Niederlande mit 10.000 Tonnen als wichtiger Pfefferexporteur auf. Nach einer Weltbankstudie von 2003 könnten solche Re-Exporte rund ein Drittel des Gesamtwerts ausmachen. Addiert müssten dagegen die von der FAO nicht erfassten Mentholprodukte (aus Minzen), Öle und Oleoresine (Extrakte) werden, die vor allem von Indien exportiert werden. 2005 könnte der Exportwert für die Herkunftsländer daher tatsächlich ca. 2,3 Milliarden Dollar betragen haben.
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Trotz der kontinuierlichen Zunahme der Ausfuhren wird der Großteil der Gewürze nach wie vor in den Produktionsländern selbst verbraucht. Berücksichtigt man einen zunehmenden Anteil von Re-Exporten (siehe Kasten Exportwert S. 42), dürfte der Anteil der Gewürzproduktion, der in den internationalen Handel gelangt, seit 1990 bei 20% stagnieren. Bestimmte Gewürze werden jedoch weiterhin überwiegend für den Export produziert – etwa Muskatnuss, Macis, Kardamom (ca. zu 80%), Zimt (75%) oder Pfeffer (mehr als 60%). Nach exportierten Mengen waren 2005 Chili und Paprika (getrocknet) mit 412.000 Tonnen (23%) Spitzenreiter, gefolgt von Ingwer (19%) und Pfeffer (16%); dem Wert nach waren es dieselben drei: Chili und Paprika mit 560 Mio. Dollar (19%), Pfeffer (17%) und Ingwer (10,5%) (siehe Grafik S. 42).
Interessant, dass sich gerade die Produktion der teuersten Gewürze auf nur wenige Länder konzentriert. Safran etwa stammt zu zwei Dritteln aus dem Iran (für 2008 wird mit einem Exportpreis von 700 US-Dollar pro Kilo gerechnet), Vanille zu mehr als 90% aus Madagaskar, Indonesien und China, Kardamom fast ausschließlich aus Indien und Guatemala.
Welches Land was und wie viel exportiert, wird oft von Wetterkapriolen wie Dürren und Überschwemmungen bestimmt – manchmal „nachhaltig“: Im September 2004 entwurzelte der Hurrikan Ivan einen Großteil der Muskatbäume, die die kleine Karibikinsel Grenada zu einem der größten Muskatnussexporteure gemacht hatten. Aber es gibt auch strukturelle Ursachen. In Indien etwa nimmt der Inlandsverbrauch von Pfeffer bei relativ konstanter Produktion kontinuierlich zu. Auch dadurch können andere Länder Marktanteile gewinnen. Vietnam etwa etablierte sich binnen weniger Jahre als wichtigster Exporteur von Pfeffer (2005: 35% der Weltexporte), Guatemala wiederum als Kardamom-Exportland: Zwischen 2000 und 2004 wurde die Erzeugung von 10.000 auf 23.000 Tonnen mehr als verdoppelt.

Zurück zur Globalisierung. Für Gewürze gilt, was bis zum jüngsten Anstieg insbesondere der Getreidepreise (in Gefolge des Agrotreibstoff-Booms) praktisch für alle Agrarprodukte im Welthandel die Regel war: Wenn nicht sogar nominell, geht jedenfalls ihr Wert gemessen an den Exportpreisen von Industrieprodukten zurück. Selbst Pfeffer, der sich seit 2006 wieder stark verteuert hat, ist für Industrieländer real weit billiger als vor 20 Jahren. Dass sich die deutsche Gewürzindustrie Mitte des Jahres über die steigenden Preise von Pfeffer, aber auch von Muskatnuss und Koriander beklagte, ändert daran nichts. Auf die Preise im Einzelhandel hierzulande sollte sich das übrigens nicht auswirken. Dort werden Gewürze ohnehin mit einem teilweise gewaltigen Aufschlag angeboten – bei Pfeffer etwa bis zum 50-fachen des Exportpreises.

Die abnehmende internationale Kaufkraft der Exporterlöse ist mit einem klassischen Problem des Nord-Süd-Handels verbunden: Gewürze werden vor allem „roh“ bzw. „im Ganzen“ exportiert und erst in Importländern von der Gewürz-, Lebensmittel- oder Pharmaindustrie weiterverarbeitet. Zu einem weiteren Problem für Gewürzexporteure haben sich in den letzten Jahren die Standards für die Nahrungsmittelsicherheit in den reichen Ländern entwickelt, die zudem nicht einmal einheitlich sind. Ihre Einhaltung treibt die Kosten in die Höhe und zwingt zum Erwerb des entsprechenden Know-hows. 2003 mussten etwa indische Chili-Produkte im Wert von 500 Mio. Dollar wegen einer potenziellen Verseuchung mit „Sudan Rot“, einem in der EU seit 1995 verbotenen krebserregenden chemischen Farbstoff, vom Markt genommen werden. Anhaltende Probleme gibt es mit Rückständen von Pestiziden und mit Schimmelpilzgiften, den so genannten Aflatoxinen.
Am besten ist es natürlich, wenn es gelingt, den Wertschöpfungsanteil im Inland zu steigern. Diesen Weg beschreitet Indien bereits seit geraumer Zeit. Der Anteil verarbeiteter Produkte an den Gewürzexporten Indiens erhöhte sich von 1999 bis 2005 von 26% auf fast 50%, wobei vor allem die Ausfuhren von Mentholprodukten, pflanzlichen Ölen und Extrakten zunehmen. Nun soll Indien sogar zur „Drehscheibe“ der weltweiten Gewürzverarbeitung aufsteigen. Für 2017 wird ein Exportwert von zehn Mrd. Dollar anvisiert – eine Verzehnfachung gegenüber dem laufenden Jahr, in dem die Exporte erstmals auf 1.000 Mio. Dollar steigen könnten.
Solche Pläne sind eher für Länder realistisch, die über einen großen Binnenmarkt und damit über eine gute Basis für den Aufbau einer konkurrenzfähigen Verarbeitungsindustrie verfügen. Länder wie Guatemala oder Madagaskar könnten aber weitgehend „Rohstoffexporteure“ bleiben. Höhere Preise ließen sich mit dem Einstieg in den biologischen Anbau von Gewürzen erzielen, eine wachsende Marktnische. Aber auch diesen Markt hat man in Neu Delhi bereits aufs Korn genommen – an Indien kommt im Gewürzhandel niemand vorbei.

Selbst wenn der Export von unverarbeiteten Gewürzen weniger lukrativ wird, ist ihre Produktion eine wichtige Einkommensquelle in ländlichen Regionen. Anbau und Ernte von Gewürzen sind oft mit hoher Arbeitsintensität verbunden. In Indien sind nach offiziellen Angaben bis zu drei Millionen kleinbäuerliche Haushalte in die Gewürzproduktion involviert. Überträgt man indische Produktionsbedingungen auf den Rest der Welt, könnten weltweit fünf bis sechs Millionen Bauern und Bäuerinnen Gewürze für den Markt erzeugen. Angesichts der steigenden Nachfrage und dem wachsenden Bewusstsein für Gesundheit und Qualität stehen die Aussichten nicht schlecht, dass die Gewürzproduktion auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Erhalt einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft im Süden leisten wird.

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