Wüste ist kein Schicksal

Von Hermann Klosius · · 2002/04

Seit den Dürreperioden im Sahel hat sich das Vorurteil gehalten, die afrikanischen Bauern seien am unaufhaltsamen Vordringen der Wüste ebenso schuld wie die schlechten klimatischen Bedingungen. Doch Beispiele, die dagegen sprechen, häufen sich.

Wenn von Bodenerosion und der drohenden Ausbreitung von Wüsten die Rede ist, denken wir dabei automatisch an Afrika, vor allem an die Trockenregionen am Südrand der Sahara. Armut, rasches Bevölkerungswachstum, sinkende Bodenfruchtbarkeit durch Überweidung und Auslaugung der Böden sind die allen entwicklungspolitisch Interessierten geläufigen Begleitumstände eines scheinbar unaufhaltsamen Prozesses der Verwüstung.
Diese pessimistische Sicht wird durch alarmierende Erklärungen einschlägiger Organisationen der Vereinten Nationen, wie etwa jener für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), untermauert: „Während der letzten 50 Jahre ist eine Fläche von der Größe Somalias zu Wüste geworden. Das droht nun mehr als einem Drittel des afrikanischen Kontinents.“ Ähnlich katastrophale Perspektiven befürchtet das UN-Umweltprogramm UNEP, das 900 Millionen AfrikanerInnen vom Hunger bedroht sieht. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, hat UNEP maßgeblich am Zustandekommen der Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation (CCD) mitgewirkt, die Ende 1996 in Kraft getreten ist.
In jüngster Zeit mehren sich jedoch Stimmen von ExpertInnen, die sich gegen diese apokalyptische Sicht der afrikanischen Situation wenden und sich dabei auf konkrete positive Entwicklungen berufen. In vielen Fällen sei eine Verbesserung der Bodenqualität festzustellen, ein Wachstum der Ernteerträge, in einigen Fällen sogar ein Rückzug der Wüste.

So berichtet der britische auf Umweltfragen spezialisierte Journalist Fred Pearce *) über seinen Besuch der Region um die Stadt Kano in Nordnigeria, er habe keineswegs die erwarteten Symptome von Zerfall und Wüstenbildung vorgefunden. Obwohl die Niederschlagsmengen sinken, Kunstdünger sich enorm verteuert hat und sich nur die reichsten Bauern Bewässerungsanlagen leisten können, ist diese Gegend heute der landwirtschaftlich produktivste Teil des Landes, mit steigenden Erträgen für Sorghum, Hirse, Erbsen und Erdnüsse. „Der Schlüssel“, so die Bodenexpertin Frances Harris von der Universität Kingston, „liegt in der Verbindung von Pflanzen und Viehbestand, da sie den Kreislauf der Nährstoffe unterstützt.“
Seit kurzem verwendet die Bauernschaft der Gegend die Exkremente ihrer Schafe als Dünger und pflanzt außerdem gezielt Hülsenfrüchte, um mehr Stickstoff aus der Luft im Boden anzureichern. Die mit jener Belgiens vergleichbare hohe Bevölkerungsdichte der Region führe nicht zu einer Übernutzung des Bodens und zu Desertifikation, sondern sei für diese Form arbeitsintensiver Landwirtschaft geradezu Voraussetzung.
Tatsächlich gibt es vergleichbare Erfolgsmeldungen auch aus anderen Ländern der Sahelzone: aus Niger, Senegal, Burkina Faso und Kenia. Zum Beispiel Burkina Faso: Die Hektarerträge von Reis und Mais hätten sich verdreifacht, jene von Sorghum, Hirse und Erdnüssen verdoppelt, berichtet der Umweltgeograph David Niemeijer. Beim Vergleich von Bodenproben mit einer Ende der 60er Jahre von den Franzosen durchgeführten Messung fand er keine Hinweise auf eine Abnahme des Nährstoffgehaltes.

Die Erfolge sind weder mit hohem technologischem Einsatz noch mit Programmen der Entwicklungszusammenarbeit zu erklären. Die Ergebnisse sind vor allem auf die intensivere Anwendung traditioneller Maßnahmen zur Konservierung von Boden und Wasser zurückzuführen: Die Bäuerinnen und Bauern errichten niedrige Wälle aus Steinen und Erde, um das Wegspülen von fruchtbarer Erde zu verhindern, wenden mehr Arbeitszeit für das Jäten von Unkraut auf und verstärken vor allem diverse Formen der Zusammenarbeit, vom gegenseitigen Ausleihen von Arbeitsgeräten bis zum Saatgut. Erfreuliche Bilanz: Burkina Faso erzeugte 1998 um ein Fünftel mehr Nahrungsmittel pro Kopf als im Jahr 1970.

Es gibt sogar Beispiele dafür, dass es Bäuerinnen und Bauern gelungen ist, einen Prozess der Desertifikation wieder rückgängig zu machen. Am besten erforscht ist der einst von Dürre, massiver Bodenerosion und Armut gezeichnete Bezirk Machakos östlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Vor 60 Jahren hatten ihn Wissenschaftler der britischen Kolonialmacht als hoffnungslosen Fall abgeschrieben. Doch obwohl sich die lokale Bevölkerung vom Volk der Akamba seit damals verfünffacht hat, ist das Hügelland heute weniger erodiert und wesentlich produktiver, mit auf das Zehnfache gestiegenen Hektarerträgen. 34 Bäume pro Hektar und Zigtausende Kilometer entlang der Hügel angelegter Terrassen minimieren die Erosion.
Die Akamba haben auf die Umweltkrise mit der Umstellung von der Rinderzucht auf sesshafte Landwirtschaft reagiert. Dank ihrer wachsenden Bevölkerung und damit Arbeitskraft waren sie in der Lage, das Land mit Hilfe des Baus von Terrassen, der Einrichtung von Rückhaltebecken für Wasser und manueller Unkrautbekämpfung nachhaltig zu bewirtschaften.
Timo Maukonen, UNEP-Mitarbeiter im wenige Autostunden entfernten Nairobi, sieht als Hauptgrund für das „Wunder von Machakos“ die Nähe des großen Marktes von Nairobi. Tom Slaymaker vom britischen Institut für Übersee-Entwicklung stimmt ihm zu und bleibt skeptisch: „Es gibt einige wenige Beispiele der Umkehr der Erschöpfung natürlicher Ressourcen und keinen Beleg für einen allgemeinen Trend zur Erholung der Umwelt.“ Erfolgreiche Fallbeispiele seien eher isoliert.

Hintergrund dieser Einschätzung ist die Tatsache, dass die meisten der etwa eine Milliarde Menschen, die in ländlichen Trockengebieten der Erde leben, nach wie vor zu den Ärmsten der Armen zählen und bisher weder von den internationalen Programmen zur Wüstenbekämpfung profitiert haben, noch in Strategien zur Armutsbekämpfung besondere Berücksichtigung fanden.
Dennoch geben die erwähnten Beispiele Hoffnung: Die Gefahr von Desertifikation besteht zwar, sie ist aber kein unabwendbares Schicksal. Bäuerinnen und Bauern wie die von Machakos haben bewiesen, dass sie nicht passive Opfer ihrer Umwelt sind, sondern die Kreativität und Fähigkeit haben, das Steuer herumzureißen und aus der Armutsfalle zu entkommen.

*) siehe Reportage „Desert Harvest“ von Fred Pearce in „New Scientist“ 27. 10. 2001.

Hermann Klosius ist freier Journalist und Redakteur der Zeitschrift „Lateinamerika Anders Panorama“. Er lebt in Wien.

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