Zu spät für Zahlenspiele

Von Brigitte Pilz · · 2000/07

Eine Konferenz jagt die andere. Was hat „Peking + 5“ gebracht? Was wurde auf „Kopenhagen + 5“ vereinbart? Was bliebt von „Kairo + 5“ in Erinnerung? Viel zu wenig hört man von der Arbeit dazuwischen. Von Erfolgen aber auch voncon Rückschlägen.

Erinnern Sie sich – heißt es in der neuesten Ausgabe der Schweizer Zeitschrift „Eine Welt“ – dass sich im vergangenen Jahrzehnt die internationale Gemeinschaft auf globalen Konferenzen unter anderem folgende Ziele für die nachhaltige Entwicklung unseres Planeten gesetzt hat?

– Kampf gegen die extreme Armut: Bis 2015 soll die Anzahl der in extremer Armut lebenden Menschen um mehr als die Hälfte reduziert werden (Weltsozialgipfel Kopenhagen).

– Gleichheit der Geschlechter: Sie soll durch die Beseitigung der Ungleichheit in der Primar- und Sekundarschulbildung bis 2005 vorangetrieben werden (Bevölkerungskonferenz Kairo, Kopenhagen, Peking).

– Kindersterblichkeit: Sie soll gegenüber dem Stand von 1990 bei den unter Fünfjährigen bis 2015 um zwei Drittel reduziert werden (Kairo).

– Muttersterblichkeit: Zwischen 1990 und 2015 soll der Tod im Kindbett um drei Viertel reduziert werden (Kairo, Peking).

– Kampf gegen Hunger: Die Zahl der Unterernährten soll bis 2015 um die Hälfte reduziert werden (Ernährungsgipfel Rom).

– Umwelt: In allen Ländern soll bis 2005 eine nationale Strategie zur nachhaltigen Entwicklung auf die Beine gestellt werden, damit bis 2015 die Zerstörung der ökologischen Ressourcen gestoppt werden kann (Umweltgipfel Rio de Janeiro).

Ich frage mich schon seit einiger Zeit: Waren das nicht schon immer die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit? Abschaffung der Armut. Herstellung von Gleichheit. Erhaltung der Umwelt. Jetzt hat man durch das Quantifizieren der Ziele und das Anfügen von Ablaufdaten höchstens die Brisanz verdeutlicht.

Überhaupt liebt die internationale Gemeinschaft jetzt Zahlenspiele. Wir stehen bei den „+ 5-Konferenzen“: „Kairo + 5“ im vorigen Jahr, „Peking + 5“ und „Kopenhagen + 5“ im Juni dieses Jahres. Natürlich wird auf diesen Tagungen auch Bilanz gelegt: Was ist geschehen? Was bleibt zu tun? Wo liegen die Widerstände? Wer sind die Bündnispartner?

Doch wenn man liest, bei den Folgekonferenzen geht es häufig zunächst darum, längst erreicht Geglaubtes zu verteidigen und Rückschritte hinter Dokumente vorangegangener UN-Konferenzen zu verhindern, fragt man sich schon, wie konsequent die internationale Staatengemeinschaft an der Erreichung der Ziele arbeitet.

Der Pfarrer bei uns im Dorf hat oft gesagt: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“ So pessimistisch will ich nun doch nicht sein. Ich weiß, dass nur steter Tropfen den Stein höhlt. Es gibt Erfolge zu melden: Die Weltbank schreibt bereits Armutsbekämpfung als Schwerpunktsetzung auf ihre Fahnen. Globalisierung mit menschlichem Antlitz will man auch. Ein internationaler Beobachter vermerkt positiv zum Sozialgipfel in Kopenhagen: Dank dem Gipfel wuchs das Verständnis dafür, dass Armut vor allem auf einen Mangel an Macht zurück geht.

Die Medien nehmen sich der Konferenz-Themen an, Themen, die – wie wir entwicklungspolitischen Journalistinnen und Journalisten nur zu genau wissen – ansonsten eher ungeliebt sind. Selbst in unserem Land, das in diesen Monaten Selbstbeschau betreibt und nur ein Thema zu kennen scheint, schreiben die Zeitungen plötzlich wieder von „Frauenrecht ist Menschenrecht“, von „Schulbildung gegen Hunger“, von „der Kluft zwischen Arm und Reich“.

Gut so. Aber ich habe einfach keine Lust auf eine Fortsetzung der Zahlenspiele. Oder soll es 2005 bzw. 2015, wenn die erwarteten Resultate nicht eintreten, heißen: Wir schaffen es bis 2005 + 5, bis 2015 +5?

Trotzdem: Erholen Sie sich in den Ferien gut und lassen Sie sich von der Lektüre dieses SÜDWIND-Magazins für weitere produktive Taten anregen.

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