Wenn ich an die Zukunft denke …

Von Redaktion · · 2002/05

Jüngeren Menschen in Österreich wurde per E-Mail die Frage gestellt: Wie müsste dein Leben verlaufen, damit du es später einmal als alte Frau oder alter Mann als geglückt beurteilen würdest?

Für ein geglücktes Leben ist mir wichtig, dass ich frei Entscheidungen treffen kann und dass der Weg, für den ich mich entscheide, mir persönlich entspricht und ich ganz zu meinen Handlungen stehen kann. Ich will mich dabei nicht von anderen Menschen oder äußeren Gegebenheiten beeinflussen lassen, sondern meiner eigenen Urteilsfähigkeit vertrauen.
Damit mein Leben gelingen kann, brauche ich Raum für persönliche Entwicklung und Herausforderungen, an denen ich wachsen kann. Außerdem ist mir das Zusammenleben mit anderen Menschen wichtig. Es ist bereichernd, sich mit anderen Menschen auszutauschen und einander zu begleiten.
Damit mein Leben ein geglücktes Leben wird, möchte ich meine Fähigkeiten und Begabungen einsetzen – sei es im Beruf oder im alltäglichen Zusammenleben mit anderen – um da, wo ich stehe, einen Beitrag zu leisten und meine Persönlichkeit zu entfalten.
Constanze, 30 Jahre, Philologin auf Arbeitssuche

Es fällt mir schwer, mir ein geglücktes Leben vorzustellen. Ich würde lieber von geglückten Momenten sprechen, denn sie sind es, die ein Leben erfüllen. Als alte Frau würde ich mich dann an diese geglückten Momente erinnern. Einige würden mit meiner beruflichen Laufbahn zu tun haben, mit intellektuellen Leistungen, andere mit meiner Erfüllung als Mutter, Freundin, Gefährtin.
Am meisten würde ich wohl jene Augenblicke in Erinnerung rufen, in denen ich mich wirklich nützlich gefühlt habe, Momente, in denen ich meinen Platz in der Welt gefunden habe, die Fähigkeit zu dienen, etwas beizutragen, mich zu solidarisieren und zu fühlen, dass ich bin.
Ich würde mich sicher an Freunde und Freundinnen erinnern, an meine Familie, alle, die im Laufe meines Lebens aufgetaucht sind und in mir verschiedene Gefühle wachgerufen haben, die mir geholfen haben, mich selbst zu erkennen und mir erlaubt haben, mich geliebt zu fühlen und selbst zu lieben.
Ein geglücktes Leben wird mit jedem Schritt gebaut, im Alltag, mit kleinen Dingen, mit Details, die ein Ganzes bilden.
Natalia, 24 Jahre, Studentin aus Kolumbien

Wenn ich mit 80 Jahren auf mein Leben zurückblicke, möchte ich sagen können, dass ich einige der Dinge, die ich mir vornahm, auch wirklich getan habe. Wichtig ist mir, dass ich meine Familie versorgen kann. Meine Kinder sollen stolz auf mich sein. Weil ich selber auf der Straße aufgewachsen bin, ist es mir ein Anliegen, auch etwas für Straßenkinder in meiner Heimat zu tun. Ich denke an ein Projekt, bei dem Kinder eine Ausbildung erhalten, mit der sie sich eine Zukunft aufbauen können. Es wäre auch schön, wenn diese Kinder gut von mir denken, so wie ich heute an viele Leute denke, die mir als Kind geholfen haben.
Ich möchte auch auf ein Leben zurückblicken können, in dem ich viel gereist bin. Ich möchte die Welt sehen, und ich möchte von all den unterschiedlichen Kulturen lernen, um offen und tolerant zu bleiben. Und ich möchte mit 80 Jahren wissen, was es heißt, wirkliche Freunde zu haben, am besten in allen Teilen der Erde.
Patrick, 23 Jahre, Künstler aus Simbabwe

Bis dato ist mir mein Leben „geglückt“. Dazu gehört für mich zuerst, die Möglichkeit genutzt zu haben, eine Ausbildung nach meiner Vorstellung zu absolvieren, um jetzt auf eigenen Füßen stehen zu können. Die Unabhängigkeit – sei es vom Elternhaus, sei es vom Partner oder auch von einem Unternehmen – ist für mich absolut erstrebenswert.
Beruf und Karriere sind aber nicht alles im Leben (welch abgedroschener Satz!). Alles wäre wahrscheinlich nur halb so schön, wenn ich meine Freude – auch mein Leid – dabei nicht mit meinem Mann Tom teilen könnte, bzw. ist es unheimlich schön, zu wissen, dass es jemanden gibt, auf den ich mich absolut verlassen kann.
Das Erlebnis, eigene Kinder zu haben, lässt sich sowieso mit nichts vergleichen und gehört für mich zu einem „geglückten“ Leben unbedingt dazu. In Bezug auf meine beiden Kinder ist es für mich sehr wichtig, zu ihnen immer einen Zugang zu finden bzw. für sie auch immer Anlaufstelle zu sein. Ich hoffe, dass ich es schaffe, den selbständigen Schritten der Kinder mit Toleranz und Wertschätzung zu begegnen.
Teresa, 34 Jahre, Marketing-Managerin eines großen Konzerns


Eigentlich bin ich
noch sehr jung. Und trotzdem habe ich einiges erlebt, viele Momente, viele Empfindungen und zumindest so viele Erfahrungen, die nötig waren, um mich zu dem zu machen, was ich bin. Meine Geschichte und meine Zukunft sind eng miteinander verknüpft. Der Weg, mein Leben „glücken“ zu lassen, führt also, glaube ich, durch das Erkennen und Miteinbeziehen meiner Geschichte, durch Reflexion, durch Fehler, die gemacht, Freude, die geschenkt wurde. Meine besten Quellen dafür sind die Menschen, die ich liebe, die mich begleitet haben. Nichts in meinem Leben hat und wird mich so sehr prägen wie Beziehungen. Und auf nichts hoffe ich später mit größerer Zufriedenheit zurückzublicken, als auf die Liebe, die mich mit anderen Menschen, anderen Leben, verbindet.
Ich betrachte mein Werden als Bewegung, aus der Veränderung beziehe ich Energie, aus der Offenheit für Neues, aus dem Sich-Treiben-Lassen. Und dann wieder brauche ich Konstanz, ich brauche Stützpunkte, Ziele vielleicht, Träume, die mir bleiben, Grundsätze, die mich so sehr ausmachen, dass sie nicht veränderbar sind, bestimmte Elemente meines Lebens, die einfach immer da sind und mir Halt geben.
Ich wünsche mir, dass mein Glaube an das Leben selbst mir immer wieder die Richtung weist und mich in meine Zukunft führt.
Maria, 17 Jahre, Schülerin der AHS kurz vor der Matura

Es ist schwer sich vorzustellen, dass man alt ist und auf sein Leben zurückblickt. Was würde ich gerne im Leben erreichen, auf dass ich stolz sein könnte? Nun ja, zunächst einmal möchte ich am Ende meines Lebens auf ein gut gefülltes Bankkonto schauen können, damit ich etwas für meine Kinder hinterlassen kann. Ich möchte auch etwas bewegt haben. Deshalb wäre es für mich vorstellbar, dass ich eines Tages in die Politik gehe, allerdings in meiner Heimat, der Türkei. Dort fehlt es noch an echter Demokratie. Geld, das der Bevölkerung gehört, verschwindet in den Taschen der Politiker. Ich würde es als geglückt ansehen, wenn ich dort etwas in der Politik ändern könnte. Mehr Ehrlichkeit und mehr Religionsfreiheit.
Außerdem bin ich gegen den Krieg. Wenn ich mithelfen könnte, das Leben aller Menschen friedlicher zu gestalten, wäre ich sehr glücklich. Und auch noch, wenn die Österreicher besser über uns Türken denken. Wenn ich mithelfen könnte, Vorurteile abzubauen, wäre das ein großes Glück für mich.
Ibrahim, 16 Jahre, Schüler der Handelsakademie, Sohn türkischer Immigranten

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