Wider das Schweigen

Von Mandy Dietzschkau · · 2009/02

In Rio de Janeiro fand kürzlich der III. Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen statt.

Gerade Kinder leiden besonders unter Armut, der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern, zerbrechenden ökonomischen sowie sozialen Strukturen als auch mangelnden Bildungsangeboten. Sie werden Opfer einer ausschließlich profitorientierten Wirtschaft und Politik. Eine der schlimmsten Formen der Ausbeutung von Kindern ist die Kinderprostitution. Laut den Vereinten Nationen werden jährlich mehrere Millionen Fälle verzeichnet. Aufgrund der Schwierigkeit, Datenmaterial zu sammeln, gibt es keine genauen Angaben über die Zahl der betroffenen Kinder.
„Weltweit versagten Politiker und Bürger bei ihrer Pflicht, Kinder vor Unheil zu schützen“, so die stellvertretende UNICEF-Direktorin Hilde Johnson. Verschiedene Kinderhilfsorganisationen sowie NGOs versuchen jedoch hartnäckig, diese an ihre Pflicht zu erinnern. Wichtige Meilensteine im Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen waren dabei bisher die drei Weltkongresse, wobei der erste 1996 in Stockholm stattfand. Hierbei wurde ein Aktionsplan beschlossen, der präventive Maßnahmen sowie konkrete Umsetzungsschritte für die nationalen Ebenen beinhaltet. Fünf Jahre später folgte in der japanischen Großstadt Yokohama der zweite Weltkongress mit einem Appell zum verstärkten Schutz von Kindern weltweit.
Doch bisher hielt sich der Erfolg in Grenzen. Von den 122 in Stockholm vertretenen Staaten hatten bis zum Gipfel 2001 in Japan nur etwa ein Viertel einen Aktionsplan erstellt. Und obwohl in etwa 50 Staaten neue Gesetze gegen Kinderprostitution verabschiedet und entsprechende Programme gestartet wurden, nahm die sexuelle Ausbeutung von Kindern weiter zu.

Im Mittelpunkt des III. Weltkongresses gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen (25.-28. November 2008 in Rio de Janeiro) stand das Problem der mangelhaften Strafverfolgung und des unzureichenden Opferschutzes. 3.145 Delegierte aus 170 Ländern nahmen an dem Kongress teil, erstmals auch Unternehmen der Internetbranche. Organisatoren waren die brasilianische Regierung, UNICEF, die NGO Group zur Kinderrechtskonvention sowie ECPAT International (AG zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung). Laut Jean Zermatten, Mitglied des UN-Kinderrechtsausschusses und Kinderrechtsexperte aus der Schweiz, ist die internationale Gemeinschaft in Rio einen wichtigen Schritt weiter gegangen als in den bisherigen Kongressen: „Die nun verabschiedeten Dokumente bekräftigen neue Strategien im Kampf gegen neue Formen der sexuellen Ausbeutung, wie beispielsweise Pornographie im Internet oder Kinderhandel.“
So wurden erneut eine Deklaration sowie ein Aktionsplan verabschiedet, welche unter anderem die Einrichtung von Datensystemen, die Verstärkung der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene sowie die Verpflichtung zur Berichterstattung beinhalten. Inwieweit diese umgesetzt werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Doch warum gerade Brasilien als Schauplatz des Kongresses? „Es ist wichtig, dass alle Beteiligten hinschauen, das Thema wahrnehmen“, sagt Ekin Deligöz, Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland. „In Rio fällt das den Delegierten nicht schwer. Das Elend wartet nur wenige Wohnblöcke weiter.“ Und genau das ist das Thema. Eine aktive und seriöse Berichterstattung sollte helfen, die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren. „Vor zehn Jahren war Kindesmissbrauch ein kompliziertes und peinliches Thema, heute reden alle darüber“, betonte Schwedens Königin Silvia. Dazu haben die Weltkongresse sicher beigetragen. Doch obwohl ein derartiges Großereignis seine Qualitäten als informelles Instrument und Kommunikations-Tool besser nutzen sollte, gab es von mehreren Seiten die Kritik, dass es von dem Treffen kaum etwas zu sehen oder zu hören gab.

Es tut sich viel in diesem Bereich, doch meistens mangelt es an der Umsetzung. So werden Richtlinien und Gesetze nicht befolgt – unter anderem aufgrund von Korruption und Nachlässigkeit. Auf privater Ebene müssten beispielsweise Reiseveranstalter oder Internetprovider erkennen, dass das Aufgreifen des Themas keine wirtschaftlichen Einbußen mit sich bringt. Die Weltkongresse gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen haben zweifellos dazu beigetragen, Regierungen und Wirtschaftsunternehmen aufzurütteln und die Thematik auf deren Agenda zu setzen.
UNICEF-Direktorin Anne M. Veneman formulierte das Problem kurz und bündig: „Es gibt keine unschuldigen Zuseher. Schweigen bedeutet Akzeptanz.“

Mandy Dietzschkau ist selbständige Verkehrswirtschaftlerin und arbeitet in verschiedenen Projekten in Deutschland, Spanien und Lateinamerika.
Kürzlich erschien von ihr folgendes Buch: Die soziale Verantwortung der Tourismuswirtschaft. Gegen Kindesmissbrauch. Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, 180 Seiten.


Weiterführende Informationen:
www.ecpat.de
www.ecpat.at
www.unicef.de

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