… und es kommen Menschen

Von Brigitte Pilz · · 2007/11

Vielleicht ist es gut, wieder einmal in Erinnerung zu rufen, was Max Frisch vor Jahren sinngemäß gesagt hat: Gastarbeiter wurden gerufen, aber es kamen Menschen.

Wussten Sie, dass in Wien 16.000 Einzelunternehmen von MigrantInnen geführt werden? Das ist ein Drittel des Gesamtbestandes. Was wäre der Naschmarkt oder der Brunnenmarkt ohne sie? Dabei beschränkt sich die Tätigkeit keineswegs auf Obst- und Gemüsehandel, auf Kebab-Stände und Call-Center. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch widmet sich in ihrer Zeitung MOMENT # 8 der Karriere von GastarbeiterInnen als Selbständige. Die Porträtierten bestätigen, dass sie es nicht leicht hatten, aber sie haben es geschafft, und sind, so kann man mit Fug und Recht behaupten, in die österreichische Gesellschaft integriert.
Es tut gut, von MigrantInnen als Subjekte zu lesen, als aktive Personen.

Wenn Menschen zu „Fällen“ werden, ist es viel leichter, sie in eine Schublade zu stecken. Tausende „Akten“ warten seit Jahren auf eine endgültige Entscheidung der Asylbehörden. In der Realität warten Menschen und nicht Akten.
Viel wird im Moment darüber diskutiert und geschrieben, warum die Politik, besser gesagt die Politiker und Politikerinnen, nicht menschlicher agieren. Eine Diskussion in Ö1 trug kürzlich den Titel „Muss Politik unmenschlich sein?“ (Journal Panorama 9.10.2007) Wenn man die Frage bejaht, heißt das, beim Formulieren von Gesetzen muss man von konkreten Personen und ihren Schicksalen abstrahieren. Wenn das die MinisterInnen und VolksvertreterInnen im Parlament aber tun, kommt das heraus, was jetzt die Gemüter bewegt: Familien mit kleinen und größeren Kindern werden ohne mit der Wimper zu zucken abgeschoben, auseinander gerissen. Vom Bundeskanzler und Innenminister abwärts bedauern alle, finden die Praxis grausam usw.
Es stimmt wohl, dass PolitikerInnen bei ihren Aktionen immer auch auf die nächsten Wahlen schielen. Und dabei werden Betroffene zur „Munition im kommenden Wahlkampf“, zumindest aber zu „politischem Kleingeld“. Ob das einer peniblen Einhaltung der Menschenrechte und einer weltoffenen Gesinnung gut tut, ist zu bezweifeln.

Sprache ist verräterisch. Auch bei jenen, die sich für eine menschenwürdigere Praxis im Umgang mit Fremden einsetzen wollen: Man spricht von „Härtefällen“. Menschen werden zu „Opfern“, sie sind dann keine handelnden Subjekte mehr. Es gibt eine Art von Engagement, die keine Kritik an AusländerInnen zulässt. Auch hier wird von konkreten Personen abstrahiert. Wie wir alle, machen auch Fremde Fehler, es gibt gute und böswillige, wie bei uns auch. Das zu sehen oder gar zu kommentieren, ist von manchen Helfenden leider nicht erwünscht.
Ich bin dafür, die Realität nicht aus den Augen zu verlieren. Menschen, die zu uns kommen, verdienen es, als Personen wahr- und ernst-genommen zu werden – im täglichen Umgang mit ihnen, von der Politik und der Öffentlichkeit.

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