Gegen Angst als wirtschaftspolitisches Instrument

Von Valentin Solder · ·
Buchcover
Markus Marterbauer, Martin Schürz: Angst und Angstmacherei, Zsolnay, Wien 2022, 384 Seiten, 26,80 €

Markus Marterbauer und Martin Schürz haben das Buch „Angst und Angstmacherei“ geschrieben, Valentin Solder hat es gelesen.

Es scheint, als gäbe es keinen passenderen Zeitpunkt, um dieses Buch zu veröffentlichen. Markus Marterbauer, der Chefökonom der Wiener Arbeiterkammer und Martin Schürz, Vermögensforscher in der Nationalbank sowie Buchautor und Psychotherapeut, arbeiten sich am Faktor Angst und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft ab.

Dabei fragen die Autoren: Was bedeutet es, jeden Tag Angst vor der Kündigung zu haben? Was heißt es, befürchten zu müssen, dass der oder die Vermieter:in den Mietvertrag nicht verlängert? Und wie geht es Menschen, die Sorgen haben, nach langer Arbeitslosigkeit den Anschluss zu verlieren?

Ihre Antworten: Diese Ängste werden perfide von der neoliberalen Wirtschaftspolitik genutzt, um Menschen in befristeten Mietverträgen oder in prekärer Arbeit zu halten. Denn wer nicht mitspiele, habe verloren.

Faule Arbeitslose vs. fleißige Milliardäre
Marterbauer und Schürz sehen das Problem nicht nur bei der Wirtschaftspolitik selbst, sondern auch in Narrativen, welche von einzelnen Parteien und auch Medien verbreitet werden. Beispiele: Das vielstrapazierte Narrativ des faulen Arbeitslosen, der von der Mindestsicherung gut leben kann, oder jenes des fleißigen Milliardärs, der sich seinen Reichtum erarbeitet hat.  

Arm sein heiße nicht nur, wenig Wohlstand zu haben, sondern sei auch erniedrigend, so die Autoren. Armut löst Angst davor aus, seine Würde zu verlieren und nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein. Rund 30 Prozent der Menschen, die Anspruch auf eine Mindestsicherung haben, verzichten darauf – meist aus Scham oder aus Furcht vor einer Stigmatisierung. Diese und andere Facetten der Angst und ihre Auswirkungen werden im Buch mit Erzählungen und konkreten Fällen eindrücklich geschildert.

Für eine Stärkung des Sozialstaates
Es geht auch anders: Die Autoren plädieren für eine Wirtschaftspolitik, die von Hoffnung geprägt ist. Diese Transformation soll durch eine Stärkung des Sozialstaates erreicht werden. Mehr Geld für das kaputt gesparte Pflegesystem, günstige Wohnungen als bezahlbarer Lebensraum, ein Mindestlohn von 1.700 Euro im Monat, ein faires Steuersystem mit einer Erbschaftssteuer gehören zu den Grundpfeilern der Forderungen.

Besonders die Erbschaftssteuer soll ein erster Schritt sein, die Vermögenskonzentration aufzubrechen. Doch Wohlhabende haben einen großen Einfluss und Interesse daran, dass der Status quo der Angst gehalten wird. Im Buch sind zahlreiche Verbesserungsvorschläge versammelt: So soll das AMS zu einem Vermittler für „gute Jobs“ umgestaltet werden.

Gegen manipulative Erzählungen
Hinzu kommen konkrete wirtschaftspolitische Empfehlungen. Nicht alles davon ist neu. Aber mit dem Fokus auf bewusste Angstmacherei erhalten die Vorschläge eine neue Dynamik. Des Weiteren schaffen es die Autoren, das eine oder andere Mal einen „Augenöffner-Moment“ zu kreieren, etwa im Hinblick auf die schon erwähnten manipulativen Narrative, die von Wohlhabenden und der neoliberalen Politik gestreut werden.

Ein Buch für alle, die mehr Einblick auf die Auswirkungen der österreichischen Wirtschaftspolitik haben möchten und von einer Politik der Hoffnung träumen.

Valentin Solder studiert Volkswirtschaft an der WU Wien und ist beim Südwind-Magazin sonst für die Anzeigenakquise verantwortlich.

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